Spruch:
Im übrigen wird der Revision (gegen die Bestätigung des klageabweisenden Urteiles) nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.315,-- (darin enthalten S 3.052,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit ihrer am 22. 10. 1996 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei aus der zur näher bezeichneten Polizze bestehenden Wohnungsversicherung. Sie brachte vor, daß in ihrer Wohnung ein Brand ausgebrochen sei, der vermutlich im Zusammenhang mit einem Einbruch von unbekannten Tätern gelegt worden sei. Es sei der gesamte Wohnungsinhalt zerstört worden. Die beklagte Partei habe mit Schreiben vom 23. 10. 1995 die Deckung aus dem Versicherungsvertrag, dem die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Sachversicherung (ABS) zugrundegelegen seien, unter Berufung auf Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs 3 VersVG iVm Art 12 Abs 1 und 2 ABS abgelehnt und die Klägerin auf die Möglichkeit der Klageeinbringung innerhalb eines Jahres verwiesen. Die Klägerin habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei. Hiezu verwies die Klägerin auf die Entscheidung 7 Ob 58/86 „und“ VR 1987/60.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß der Klägerin jegliches Interesse an der Feststellung fehle, weil sie ihre vermeintlichen Ansprüche mit Leistungsklage geltend machen könne. Im übrigen bestehe keine Deckungspflicht, weil die Klägerin den Einbruch und die Brandlegung vorgetäuscht und selbst veranlaßt habe, der „Einbrecher“ die Wohnung mit dem Originalschlüssel aufgesperrt habe und die Klägerin zudem arglistig überhöhte Angaben über die Schadenshöhe gemacht habe. Weiters bemängelte die beklagte Partei die seitens der Klägerin vorgenommene Bewertung ihres Feststellungsbegehrens mit S 100.000,-- gemäß § 7 RATG als zu niedrig.
In der Tagsatzung vom 17. 1. 1997 änderte die Klägerin ihr Begehren dahin, daß die Beklagte schuldig sei, ihr S 418.800,- - sA zu zahlen. Dieser Betrag entspreche der Schadensfeststellung des von der beklagten Partei beigezogenen Sachverständigen. Für den Fall der Unzuständigkeit des Erstgerichtes beantragte die Klägerin die Überweisung der Klage an das Handelsgericht Wien.
Die beklagte Partei sprach sich gegen die Klageänderung aus und wendete sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Hilfsweise wendete sie weiters die Verfristung der Leistungsklage ein, weil die einjährige Frist des § 12 Abs 3 VersVG abgelaufen sei.
Mit den in die schriftliche Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschlüssen setzte das Erstgericht den Streitwert gemäß § 7 RATG mit S 418.800,-- fest (Pkt I seiner Entscheidung), ließ die Änderung des Klagebegehrens auf das Leistungsbegehren nicht zu (Pkt II) und wies die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurück (Pkt III). Zugleich wies es das Feststellungsbegehren mit Urteil ab (Pkt IV).
Die Zulassung der Klageänderung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die beklagte Partei dagegen ausgesprochen habe und die Zuständigkeit des Erstgerichtes infolge des höheren Streitwertes überschritten werde (§ 235 Abs 3 ZPO). Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil bereits Leistungsklage erhoben werden könne. Es fehle daher am Feststellungsinteresse.
Die Klägerin erhob im selben Rechtsmittelschriftsatz Rekurs gegen die Beschlüsse laut Pkt I bis III der erstgerichtlichen Entscheidung sowie Berufung gegen das Ersturteil (Pkt IV).
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rechtsmittel insgesamt nicht Folge. Sein Spruch lautet zwar dahin, daß „der Berufung“ nicht Folge gegeben werde, doch geht aus der Entscheidungsbegründung hervor, daß das Gericht zweiter Instanz die Ansicht vertrat, daß das mit „Rekurs und Berufung“ überschriebene Rechtsmittel der Klägerin „ausschließlich als Berufung“ zu werten sei, die „in allen Punkten“ nicht berechtigt sei. Es begründet auch zu jedem der vom Erstgericht bezeichneten Entscheidungspunkte, warum die jeweilige Anfechtung nicht erfolgreich sein könne. Das Feststellungsbegehren habe das Erstgericht zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin, die insoweit die Behauptungslast getragen habe, kein entsprechendes Vorbringen zum rechtlichen Interesse an der Feststellung erstattet habe. Die Klägerin habe sich auch nicht auf konkrete Punkte der Versicherungsbedingungen, insbesondere nicht auf Art 11 ABS, der ein Sachverständigenverfahren vorsehe, berufen. Die Entscheidung 7 Ob 58/86, veröffentlicht in VR 1987/60, die in der Klage zitiert worden sei, betreffe eine Haftpflichtversicherung, nicht jedoch eine Sachversicherung.
Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und das die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob auf den Inhalt von außer Streit stehenden Versicherungsbedingungen gleich notorischen Handelsbräuchen Bedacht zu nehmen sei, auch wenn sich die Parteien nicht auf konkrete Bestimmungen berufen haben. Bejahendenfalls könnte das Feststellungsbegehren in Art 11 ABS begründet sein.
In dem als „ordentliche Revision“ bezeichneten Rechtsmittel bekämpft die Klägerin diese Entscheidung insoweit, als die Nichtzulassung der Klageänderung und die Abweisung der Feststellungsklage bestätigt wurden.
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Bestätigung des Beschlusses, mit dem die Klageänderung nicht zugelassen wurde, richtet, ist es gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil dieser angefochtene Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze bestätigt wurde. Insoweit war das Rechtsmittel daher zurückzuweisen (JBl 1997, 186 ua).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision gegen das bestätigende Urteil des Gerichtes zweiter Instanz ist zwar zulässig, weil darin auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis der Leistungsklage zur Feststellungsklage bei Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens nicht eingegangen wurde. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Die dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden ABS sehen in Art 11 ein Sachverständigenverfahren vor. Art 11 Abs 1 erster Satz bestimmt, daß jeder Vertragspartner verlangen kann, daß Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden.
Ist ein Sachverständigenverfahren vereinbart und hat mindestens eine Partei das Verfahren verlangt, so ist die Entschädigung grundsätzlich nicht fällig, bevor die Schiedsmänner den Schaden festgestellt haben. Der Versicherungsnehmer kann in diesem Fall nur auf Feststellung der Ersatzpflicht klagen. Eine Leistungsklage ist als zur Zeit unbegründet abzuweisen. Doch kann der Versicherer auf die „Einrede des Sachverständigenverfahrens“ verzichten, indem er dieses Verfahren - ist es wie im Fall des Art 11 ABS nur fakultativ - nicht „verlangt“. In jenen Fällen, in denen die Versicherungsbedingungen ein „Verlangen“ nach dem Sachverständigenverfahren erfordern, wird die Entschädigung dann, wenn sie durch den Versicherer abgelehnt wird, sofort fällig. Der Versicherer verliert in einem solchen Fall das Recht auf ein Sachverständigenverfahren (VR 1989/172 mwN).
Wie die Klägerin selbst vorbrachte, hat die beklagte Partei die Deckung in einer den Bestimmungen des § 12 Abs 2 und 3 VersVG entsprechenden Weise abgelehnt. Sie hat damit keinen Anspruch mehr auf Durchführung des Sachverständigenverfahrens iSd Art 11 ABS.
Die Klägerin hätte daher nach ihrem eigenen Vorbringen bereits mit Leistungsklage vorgehen können, sodaß die Vorinstanzen zu Recht das Vorliegen eines Interesses an alsbaldiger Feststellung, das Voraussetzung einer Feststellungsklage ist, verneint haben (vgl Rechberger, ZPO, Rz 11 zu § 228 ZPO mwN).
Der von der Klägerin zur Begründung ihres rechtlichen Interesses an der Feststellung der Deckungspflicht zitierten Entscheidung 7 Ob 58/86 = VR 1987/60 lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde (Bejahung des rechtlichen Interesses des Versicherten an der Feststellung der Deckungspflicht aus einer Haftpflichtversicherung, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz ablehnt), sodaß hieraus die Darlegung des rechtlichen Interesses am Feststellungsbegehren in keiner Weise abgeleitet werden kann.
Art 11 ABS steht somit aus den dargelegten Gründen der Fälligkeit des Leistungsanspruches nicht entgegen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob Art 11 ABS selbst ohne ausdrückliche Berufung darauf zu beachten ist.
Die das Feststellungsbegehren abweisenden Urteile der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, wobei darauf hinzuweisen ist, daß der Einheitssatz bei Revisionsbeantwortungen nur 1-fach (und nicht, wie verzeichnet, 3-fach) zusteht.
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