OGH 14Os8/99

OGH14Os8/999.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Christian S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§§ 15, 75 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Korneuburg vom 6. November 1998, GZ 15 Vr 357/98-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Knibbe, und des Verteidigers Dr. Markus Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde die Unterbringung des Christian S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, am 9. März 1998 in Schwechat seine Mutter Margarete S***** durch Würgen mit den Händen am Hals zu töten versucht hatte, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben war, weil Chefinspektor G***** ihn unter Aufwendung seiner ganzen Körperkraft von der Mutter weggezerrt hatte, Christian S***** somit das (für ihn straflose) Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB begangen hat.

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 1, 6, 8, 10a und 11 (lit a) StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen versagt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem eine nicht gehörige Besetzung der Geschworenenbank behauptenden Beschwerdevorbringen (Z 1) steht - auf Grund des hinsichtlich der Vorgänge in der Hauptverhandlung voll beweiskräftigen Protokolls (S 329 f, 359 f), das durch Stellungnahmen der Mitglieder des Schwurgerichtshofes und des Staatsanwalts bestätigt (S 1 m ff) und dessen Berichtigung vom Beschwerdeführer nicht begehrt worden ist - fest, daß vom Beginn der Hauptverhandlung an klargestellt war, welcher der insgesamt anwesenden neun Laienrichter an der Verhandlung nur als Ersatzgeschworener teilnimmt. Der Vorwurf, erst nach Ausscheiden des Ersatzgeschworenen nach Beendigung der Beweisaufnahme (S 387) sei die tatsächliche Zusammensetzung der Geschworenenbank erkennbar gewesen, ist sohin unberechtigt.

Unbegründet ist ferner die Kritik des Beschwerdeführers an der Fragestellung (Z 6).

Eine Eventualfrage nach versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 (erg.: Abs 1) StGB bzw eine Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch (gemäß § 16 Abs 1 StGB) hätten ein entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung vorausgesetzt (§§ 313, 314 StPO), wovon hier aber keine Rede sein kann. Prozeßleitende Verfügungen, wie gegebenenfalls die Befassung eines Sachverständigen mit der Frage nach Lebensgefahr im Sinne des § 84 Abs 2 Z 1 StGB, sind keine in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen iS der §§ 313 f StPO.

Der Zeuge G***** aber hat unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er den die Mutter angreifenden Beschwerdeführer gewaltsam wegziehen mußte (S 365 ff); ein Indiz für die Annahme einer freiwilligen, dh aus eigenem Antrieb erfolgten Abstandnahme von der Tatvollendung ist daraus nicht zu gewinnen.

Da die Geschworenen durch die Bejahung der auf versuchte vorsätzliche Tötung lautenden Hauptfrage das Vorliegen bloß fahrlässigen Verhaltens (als unabdingbare Voraussetzung der Prüfung der Straflosigkeit gemäß § 88 Abs 2 Z 1 StGB) ausgeschlossen haben, wurde der Beschwerdeführer durch die verabsäumte Fragestellung nach dem Angehörigenprivileg nicht benachteiligt (Mayerhofer StPO4 § 345 Schlußsätze E 19a).

Die Rechtsbelehrung kann nur insofern angefochten (Z 8) werden, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden, was auf - hier zufolge Bejahung der Hauptfrage nicht aktuelle - fahrlässige Körperverletzung und den Strafausschließungsgrund nach § 88 Abs 2 Z 1 StGB nicht zutrifft (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 20, dazu insb 14 Os 156/98 und 14 Os 94/98 = JUS 1998/2573).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen, sondern versucht prozeßordnungswidrig nach Art einer Schuldberufung Beweisergebnisse dahingehend zu deuten, daß der Beschwerdeführer ohne Tötungsvorsatz gehandelt bzw vom Mordversuch freiwillig Abstand genommen habe.

Gleichermaßen entbehrt die Rechtsrüge (Z 11 lit a) der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie den im Wahrspruch ausdrücklich festgestellten Tötungsvorsatz negiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Christian S***** war daher zu verwerfen.

Dem sich gegen die Gefährlichkeitsprognose wendenden Berufungsvorbringen zuwider bedingt die vom psychiatrischen Sachverständigen Prim. DI Dr. Werner B***** attestierte schizophrene Störung im Zusammenhalt mit dem durch Gewaltdelikte getrübten Vorleben des Betroffenen und dessen Impulsdurchbruch trotz Anwesenheit eines Kriminalbeamten die naheliegende Befürchtung, der Rechtsmittelwerber werde ohne Anhaltung in der Anstalt Aggressionsdelikte mit schweren Folgen begehen.

Abgesehen davon, daß die Substituierbarkeit der Maßnahme nach bisheriger Rechtsprechung (vgl JUS 1995/1846) einer Unterbringung in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nicht entgegensteht (vgl Höpfel, Die Unterbringung minder Gefährlicher nach § 21 Abs 1 StGB, Moos-FS, 70 ff), verwehrt die nach wie vor bestehende unzureichende Krankheitseinsicht, welche noch weiter stationär behandelt werden muß, eine nur bei Akutphasen greifende Anhaltung nach dem Unterbringungsgesetz oder Stellung des Betroffenen unter Sachwalterschaft.

Demnach erweist sich auch die Berufung als unbegründet.

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