OGH 15Os7/99

OGH15Os7/9911.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Marcel E***** wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 105 Abs 1 Z 1 und Abs 2 FrG sowie einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 12 E Vr 563/98 des Landesgerichtes Wels, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. November 1998, AZ 7 Bs 292/98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, und des Verteidigers Dr. Cardona, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 12 E Vr 563/98 des Landesgerichtes Wels gegen Marcel E***** wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 105 Abs 1 Z 1 und Abs 2 FrG sowie einer anderen strafbaren Handlung verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. November 1998, AZ 7 Bs 292/98, die §§ 1 Abs 4, 7 Abs 1 und Abs 2 TilgG, § 33 Z 2 StGB.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieses Urteil aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz die Erneuerung des Rechtsmittelverfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Marcel E***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 22. Juli 1998, GZ 12 E Vr 563/98-41, der Vergehen der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 105 Abs 1 Z 1 und Abs 2 FrG sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete der Einzelrichter unter anderem die "Unbescholtenheit" des Täters als mildernd.

Das Oberlandesgericht Linz gab einer zum Nachteil des Angeklagten erhobenen Berufung gegen den Strafausspruch mit Urteil vom 3. November 1998, AZ 7 Bs 292/98, Folge und verhängte über diesen unter Ausschaltung des § 43 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, von welcher es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Teil im Ausmaß von neun Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachsah.

Die vom Erstgericht berücksichtigten Strafzumessungsgründe unterzog der Berufungssenat insofern einer Korrektur, als er den Milderungsgrund der Unbescholtenheit ausschaltete, hingegen eine einschlägige Vorstrafe als weiteren Erschwerungsgrund annahm. Marcel E***** war nämlich bereits mit dem am 12. Jänner 1993 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Schöffengerichtes bei dem Amtsgericht Laufen vom 4. Jänner 1993, Geschäftsnummer Ls 290 Js 34629/92, der Tatbestände der entgeltlich und zugunsten von mehr als fünf Ausländern begangenen Schleusung sowie der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthaltes nach § 92 Abs 1 Nr 1, 6 Abs 2 Nr 1 und 2 AuslG, §§ 25 Abs 2, 52 dStGB (Tatzeit 11. November 1992) schuldig erkannt und zu einer für eine dreijährige Bewährungszeit ausgesetzten neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, welche ihm mit Wirkung vom 5. Februar 1996 erlassen worden ist (401, 441 ff/I des Vr-Aktes).

Der Gerichtshof zweiter Instanz ging davon aus, daß diese ausländische Vorstrafe mangels Ablaufes der (bei einem Strafausspruch von neun Monaten Freiheitsstrafe) gemäß § 46 Abs 1 Z 2 lit b BundeszentralregisterG maßgeblichen zehnjährigen Tilgungsfrist nach deutschem Recht noch nicht getilgt sei. Trotz ausdrücklicher Bezugnahme auf § 7 Abs 1 und 2 TilgG vertrat es die Auffassung, daß die Tilgung ausländischer Verurteilungen nicht nach österreichischem, sondern nach dem Recht jenes Staates zu prüfen sei, in dem die Verurteilung erfolgt ist.

Dieses Urteil des Oberlandesgerichtes Linz steht - wie der Generalprokurator in seiner dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht - in der Begründung des Strafausspruches mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs 1 TilgG stehen ausländische Verurteilungen - wie das Oberlandesgericht Linz grundsätzlich zutreffend ausführt - tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn (wie hier) die den Gegenstand des ausländischen Schuldspruches bildende Tat auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und das Urteil in einem den Grundsätzen des Art 6 der EMRK entsprechenden Verfahren ergangen ist. Nur wenn nach ausländischem Recht die Vorstrafe vor Ablauf der österreichischen Frist getilgt ist und dies durch eine öffentliche Urkunde bescheinigt wird, gilt sie dem Günstigkeitsprinzip des § 7 Abs 3 TilgG zufolge auch im Inland als getilgt.

Die vom Schuldspruch des Schöffengerichtes bei dem Amtsgericht Laufen umfaßte Tat war auch in Österreich nach § 14a Fremdenpolizeigesetz (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) gerichtlich strafbar. Das Verfahren auf Basis der deutschen Strafprozeßordnung wurde den Grundsätzen des Art 6 EMRK gerecht. Die Verurteilung in Deutschland steht daher gemäß § 7 Abs 1 TilgG tilgungsrechtlich einer österreichischen gleich.

Die bei der vom deutschen Gerichtshof ausgesprochenen Sanktion (neun Monate Freiheitsstrafe) nach österreichischen Recht relevante fünfjährige Tilgungsfrist (§ 3 Abs 1 Z 2 TilgG) wurde mit 12. Oktober 1993 (dem Tag, der sich unter Hinzurechnung der Dauer der ausgesprochenen Freiheitsstrafe zum Tag der Rechtskraft ergibt - § 7 Abs 2 TilgG) in Lauf gesetzt und hat (ein Ausschließungsgrund des § 5 TilgG liegt nicht vor) am 12. Oktober 1998, somit vor der gegenständlichen Berufungsentscheidung, geendet.

Ist eine Verurteilung aber getilgt, so gilt die betroffene Person gemäß § 1 Abs 4 TilgG fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht.

Das Berufungsgericht hätte die nach den inländischen Vorschriften - wenngleich erst während des Rechtsmittelverfahrens (ex lege - § 1 Abs 1 TilgG) - eingetretene Tilgung der deutschen Verurteilung beachten müssen (Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 1 TilgG E 3, 8; EvBl 1997/91); die (den Angeklagten benachteiligende) Verwertung der ausländischen Vorstrafe bei der Strafbemessung verstößt daher gegen die Bestimmungen der §§ 1 Abs 4, 7 Abs 1 und Abs 2 TilgG und § 33 Z 2 StGB.

Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, war die davon betroffene Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz aufzuheben und wird dieses Gericht demgemäß neuerlich über die Berufung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden haben.

Stichworte