OGH 10ObS10/99i

OGH10ObS10/99i9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Adolf V*****, vertreten durch Dr. Susanne Tichy-Scherlacher, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 1998, GZ 7 Rs 201/98z-18, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. Februar 1998, GZ 14 Cgs 112/97f-8a, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Revisionskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt Invaliditätspension ab 1. 5. 1997 mit der Begründung, er sei nicht in der Lage, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen. Seine Leiden seien auf Arbeitsunfälle zurückzuführen.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 27. 6. 1997 den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Sie beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht stellte fest, daß der Kläger in Österreich insgesamt 38 Monate der Pflichtversicherung, 66 Monate der Ersatzzeit und darüber hinaus 25 neutrale Monate erworben habe. Der Kläger habe bereits drei Vorverfahren wegen Invalidität bzw vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit geführt, in denen er die Klage zurückgezogen habe bzw ein abweisliches Urteil rechtskräftig werden ließ. Im Verfahren 22 Cgs 1/93k sei zum Stichtag 1. 8. 1992 der Leidenszustand des Klägers so festgestellt worden, daß er leichte bis mittelschwere Arbeiten in normaler Schicht mit den üblichen Pausen leisten konnte, Heben und Tragen von mehr als 10 kg war auszuscheiden, ebenso Arbeiten in ständig gebückter Haltung und auf Leitern und Gerüsten. Arbeiten unter dauerndem besonderem Zeitdruck konnten nicht geleistet werden. Eine wechselseitige Leidensbeeinflussung lag nicht vor. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers wie sie aus dem Vorverfahren 22 Cgs 1/93k übernommen wurden, die Folgen eines der vom Kläger in der Klage beschriebenen angeblichen Arbeitsunfälle aus dem Jahr 1988 bzw 1989 sind.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Wartezeit sei nicht erfüllt. Da aufgrund der negativen Feststellung der Versicherungsfall nicht die Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit sei, seien auch die Voraussetzungen für den Entfall der Wartezeit nach § 235 Abs 3 ASVG nicht gegeben. Weiters sei dem Kläger entgegenzuhalten, daß über einen inhaltsgleichen Anspruch bereits im Verfahren 22 Cgs 102/95s rechtskräftig abgesprochen wurde. Die Rechtskraft dieser abweislichen Entscheidung stehe einer positiven Erledigung entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ging auf die in der Berufung geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung nicht ein, sondern führte aus, daß aus rechtlichen Gründen die Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht zu prüfen sei, weil dem Kläger einerseits mangels Erfüllung der Wartezeit eine Invaliditätspension nicht zuerkannt werden könne, andererseits auch, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aus einem oder mehreren Arbeitsunfällen nicht feststehe. Die Anwendung des § 235 Abs 3 lit a ASVG sei nicht denkbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Berufungsgericht hat wie bereits ausgeführt aus rechtlichen Erwägungen die Notwendigkeit der Durchführung von Beweisen zur Feststellung des Zusammenhanges der Gesundheitseinschränkungen des Klägers mit den von ihm behaupteten Arbeitsunfällen aus 1988 und 1989 verneint und auch die Beweisrüge nicht behandelt.

Darauf kommt es aber gar nicht an, weil keine Feststellungen zur behaupteten Invalidität des Klägers zum maßgeblichen Stichtag vorliegen.

Es ist nicht entscheidend, ob der seinerzeit festgestellte Arbeitsunfall aus dem Jahr 1988 zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit führte. Entscheidend ist ausschließlich, daß die vor dem Unfall vorhanden gewesenene Arbeitsfähigkeit des Versicherten, mag sie auch herabgesetzt gewesen sein, durch die Folgen oder Spätfolgen des Arbeitsunfalles so vermindert wird, daß jetzt Invalidität vorliegt (SSV-NF 3/161; 7/96). Erst wenn Invalidität zum maßgeblichen durch die nunmehrige Antragstellung ausgelösten Stichtag vorliegt, dann stellt sich erst die Frage, wenn die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der Wartezeit nach § 235 Abs 1 und 2 ASVG nicht vorliegen, ob der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität) die Folge eines Arbeitsunfalles ist und die behaupteten Voraussetzungen nach § 235 Abs 3 ASVG vorliegen (SSV-NF 7/96). Es ist daher die Leistungsfähigkeit des Klägers und die Voraussetzungen für das Vorliegen von Invalidität zum Stichtag 1. 5. 1997 festzustellen. Feststellungen des Leistungszustandes des Klägers zum Stichtag eines Pensionsantrages vom 1. 8. 1982 oder Feststellungen im Vorverfahren über die Ursächlichkeit von Arbeitsunfällen für diese Leistungseinschränkungen können die erforderliche Feststellung nicht ersetzen noch kann ein zu einem zurückliegenden Stichtag rechtskräftig abgewiesenes Begehren auf Invaliditätspension für die Verhältnisse eines späteren Stichtages Bindungswirkung erzeugen. Nicht einmal im angeführten Vorakt 22 Cgs 102/95s wurde der Leistungszustand des Klägers zum dort maßgeblichen Stichtag überhaupt festgestellt.

Daß die gesundheitliche Einschränkung des Klägers, wie sie aus dem Vorverfahren 22 Cgs 1/93k übernommen wurde, nicht die Folge der vom Kläger behaupteten Arbeitsunfälle sei, ist ohne neue Prüfung der Ursächlichkeit der Arbeitsunfälle für allenfalls jetzt vorliegende Einschränkungen nicht zu beantworten. Abgesehen davon, daß im Vorverfahren nicht mit Bindungswirkung für einen späteren Stichtag entschieden wird, könnte sich zwischenzeitig durch eine nachteilige Entwicklung von Unfallsfolgen diesbezüglich eine von einem früheren Zeitpunkt abweichende Beurteilung ergeben. Erst wenn der Leistungszustand des Klägers zum nunmehrigen Stichtag Invalidität nach sich zieht, wäre der Umstand, daß dieser Zustand nicht die Folge eines oder mehrerer Arbeitsunfälle ist, mangels Erfüllung der Wartezeit Klageabweisungsgrund.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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