OGH 15Os203/98

OGH15Os203/9828.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 1999 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas K***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes in Jugendstrafsachen beim Landesgericht Innsbruck vom 21. Oktober 1998, GZ 23 Vr 2283/98-65, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Fuchs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie die damit untrennbar verbundenen Beschlüsse (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO; § 50 StGB) werden aufgehoben und die Strafsache wird zu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung sowie zur Entscheidung bezüglich des ungeprüft gebliebenen Anklagevorwurfs wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB an den für Jugendstrafsachen zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck verwiesen, dem aufgetragen wird, die unberührt gebliebenen Teile des Schuldspruchs bei der Entscheidung zugrunde zu legen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am 26. März 1979 geborene, zur Tatzeit noch jugendliche Andreas K***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1.) und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (2.) schuldig erkannt, weil er in der Nacht vom 26. zum 27. Juni 1996 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Manuel B*****

1. Verfügungsberechtigten des Vereins zur Förderung von Kulturprojekten 15 bis 20 Spraydosen im Gesamtwert von ca 1.000 S, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen und

2. fremde Sachen beschädigt, verunstaltet [und unbrauchbar gemacht] hat, indem er Gebäude, Kirchen, Mauern und andere fremde Sachen mit Hakenkreuzen, Keltenkreuzen, SS-Runen, Schriftzügen und Triskelen besprühte, wodurch ein 25.000 S übersteigender Schade herbeigeführt wurde.

Zugleich wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 55 Abs 1 StGB vom Widerruf einer teilbedingten Strafnachsicht abgesehen und gemäß § 50 StGB die Bewährungshilfe angeordnet.

Die Geschworenen haben die (anklagekonforme) Hauptfrage 1 nach Diebstahl bejaht, hingegen die (anklagekonforme) auf das Verbrechen nach § 3 f VG gerichtete Hauptfrage 2 verneint und die für den Fall der Verneinung dieser Hauptfrage 2 zu beantwortende Eventualfrage 1 nach dem Vergehen der schweren Sachbeschädigung bejaht. Die vom Anklagevertreter beantragte Aufnahme einer Eventualfrage nach dem idealkonkurrierenden Vergehen der Verhetzung gemäß § 283 Abs 2 StGB wurde vom Schwurgerichtshof mit der Begründung verweigert, daß der bloße Schriftzug "Turkes raus", mit dem der Antrag begründet worden war (S 427, vgl Anklageschrift S 227), eine diesbezügliche Tatbestandsverwirklichung schon in objektiver Sicht nicht indiziere (S 429).

Die Abweisung dieses Antrags ist Grundlage einer auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes prozeßordnungsgemäß vorbehalten hat (S 429). Sie vertritt den Standpunkt, das schon in der Anklageschrift inkriminierte - durch Lichtbilder (S 146, 147 im Akt AZ 23 Vr 2481/96 des Landesgerichtes Innsbruck), die in der Hauptverhandlung durch Verlesung dieses Aktes "vorgekommen" sind (S 428), objektivierte - Besprühen eines an einem öffentlichen Radweg gelegenen Bauwerks mit Hakenkreuzen in Verbindung mit den Worten "HASS" und "Turkes Raus" stelle ein hinreichendes Tatsachensubstrat für die Annahme einer aus objektiver Sicht im Sinn des ersten Falls des § 283 Abs 2 StGB tatbildlichen Handlung dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlung (Anklageschrift ON 11, 2. des Tenors, iVm der Anklagebegründung S 227), Gebäude, Kirchen, Mauern und andere fremde Sachen mit Hakenkreuzen, Keltenkreuzen, SS-Runen, Schriftzügen - darunter "Turkes Raus" und "HASS" - und Triskelen besprüht zu haben, wodurch ein 25.000 S übersteigender Gesamtschaden entstand, kann neben dem gesetzlichen Tatbild des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (wie durch das Geschworenengericht erfolgt) auch jenem des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB unterstellt werden, weil erst alle diese zusammen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erschöpfen (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 28 E 2), soll mit ersterem doch eine Vermögensschädigung hintangehalten werden (Leukauf-Steininger Komm3 § 125 RN 3), während letzterer dem Schutz des öffentlichen Friedens dient (Leukauf-Steininger aaO § 283 RN 1). Beide Vergehen können somit in ungleichartiger Idealkonkurrenz zusammentreffen.

Gemäß § 314 StPO wären somit entsprechende Schuld(Eventual)fragen zu stellen gewesen, weil die dem Angeklagten angelastete Tat, werden die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen als erwiesen angenommen, unter ein anderes Strafgesetz, bei eintätiger Deliktsmehrheit hier auch unter mehrere andere, fiele, welche nicht strenger als das in der Anklageschrift angeführte sind (vgl § 312 Abs 2 StPO; Mayerhofer StPO4 § 312 E 11).

Unter der Tathandlung des "Hetzens" im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmung wird eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Haß und zur Verachtung gegen eine der in § 283 Abs 1 StGB genannten Gruppen verstanden (EBRV 1971, 427 bei Leukauf-Steininger aaO § 283 RN 6). Nur dann, wenn eine Tathandlung dieser Voraussetzung unter keinen wie immer gearteten Umständen gerecht werden kann, ist eine Tatbestandsverwirklichung schon in objektiver Sicht unmöglich.

Davon kann aber unter den gegebenen Umständen - entgegen der Auffassung des Schwurgerichtshofes - keine Rede sein; ist doch das mit typischen NS-Symbolen und dem Wort "HASS" verbundene unmißverständliche Verlangen, Mitbewohnern türkischer Nationalität den Aufenthalt in Österreich zu verweigern, gerade angesichts der derzeitigen öffentlichen Diskussion über den Aufenthalt von nicht der Europäischen Union angehörenden Ausländern im Inland grundsätzlich geeignet, in der Bevölkerung gehässige Emotionen zu erwecken und eine aggressiv feindselige Einstellung zu fördern. Ob der - zumindest bedingte - Vorsatz des Angeklagten eine derartige Zielsetzung erfaßt hat (was in der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde entschieden in Abrede gestellt wird), ist von der Frage der aus objektiver Sicht möglichen Tatbestandsverwirklichung strikt zu trennen. Die diesbezügliche - nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung gebotene - Prüfung war den Geschworenen jedoch mangels einer an sie gerichteten, darauf abzielenden Schuldfrage verwehrt.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war demnach das angefochtene (im übrigen unberührt bleibende) Urteil im Strafausspruch aufzuheben und die Strafsache in Ansehung des zufolge verabsäumter Stellung einer die gesamten Tatsachenbehauptungen der Anklage umfassenden Eventualfrage unerledigt gebliebenen Vorwurfs der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB an den für Jugendstrafsachen zuständigen Einzelrichter des Landesge- richtes Innsbruck zu verweisen (§ 351 letzter Halbsatz StPO). Bei der Strafneubemessung ist auf den unberührt gebliebenen Schuldspruch Bedacht zu nehmen.

Mit ihrer Berufung war die Anklagebehörde auf diese Entscheidung zu verweisen.

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