OGH 10ObS266/98k

OGH10ObS266/98k15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erika B*****, vertreten durch Lansky & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. April 1998, GZ 9 Rs 16/98h-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. Oktober 1997, GZ 11 Cgs 123/96z-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes, mit der es einen Pflegegeldanspruch der am 30. 8. 1955 geborenen Klägerin verneinte, ist zutreffend, sodaß auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Gemäß § 4 EinstV ist die Anleitung und Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe selbst gleichzusetzen. Die betroffene Person ist hier zwar rein physisch in der Lage, die in Frage kommenden Verrichtungen zu besorgen, kann dies aber wegen einer im psychischen Bereich liegenden Behinderung nur unter Anleitung und unter Aufsicht einer Betreuungsperson besorgen. Die Bestimmung hat Fälle im Auge, in denen die Anwesenheit der Betreuungsperson während der Verrichtung erforderlich ist (arg "Anleitung und Beaufsichtigung...... bei der Verrichtung"). Nur in diesem Fall erklärt sich die Regelung der Verordnung, daß die Anleitung und Beaufsichtigung mit dem für die Verrichtungen in den § 1 und 2 EinstV bestimmten Zeitwert gleichzusetzen ist.

Im vorliegenden Fall bedarf die Klägerin nach den erstinstanzlichen Feststellungen, die vom Berufungsgericht übernommen wurden, der Anwesenheit einer Betreuungsperson während der Vornahme der Verrichtungen nicht. Erforderlich ist nur dreimal wöchentlich ein (jeweils einstündiges) Planungsgespräch, bei dem der Einkaufsplan der Klägerin besprochen und kontrolliert wird. Der monatliche Aufwand für diese Planungsgespräche beträgt rund 13 Stunden.

Diese Planungsgespräche entsprechen nicht dem Tatbestandsmerkmal der "Anleitung und Beaufsichtigung" im Sinne des § 4 EinstV, sondern stellen sich vielmehr als eine Form der psychischen Betreuung der Klägerin dar. Sie dienen dazu, der Klägerin, bei der eine Antriebsschwäche besteht, den Rahmen der notwendigen Einkäufe (Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten) vorzugeben. § 4 EinstV ist auf diesen Fall nicht anwendbar, weil die Anwesenheit der Betreuungsperson zur Anleitung und Beaufsichtigung nicht während der Verrichtung erforderlich ist (SSV-NF 9/66, 9/75, 10/79 ua). Der mit den drei wöchentlichen Planungsgesprächen verbundene Aufwand wurde aber ohnehin zugunsten der Klägerin mit dem tatsächlich damit verbundenen Zeitaufwand von 13 Stunden monatlich berücksichtigt.

Strittig ist vor allem die Berücksichtigung des Zeitaufwandes, der damit verbunden ist, daß die Klägerin eine sogenannte Beschäftigungstherapie (laut Klageerzählung [ON 1, AS 3; ON 8, AS 39] 40 Wochenstunden in einer Kunststickerei) absolviert, die nach den erstinstanzlichen Feststellungen eine Isolierung der Klägerin und eine Verschlechterung ihres (psychischen) Zustandes verhindern soll. Die Revisionswerberin macht geltend, daß sie nur durch die Absolvierung dieser Beschäftigungstherapie in die Lage versetzt werde, die Verrichtungen des täglichen Lebens selbst vorzunehmen. Richtig sei zwar, daß die Beschäftigungstherapie keine unmittelbare Unterstützung bei der konkreten Vornahme der Verrichtungen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 4 EinstV darstelle; die Beschäftigungstherapie habe jedoch unterstützende Funktion bei der Bewältigung der Aufgaben des täglichen Lebens. Bei Nichtbesuch der Beschäftigungstherapie drohe der Klägerin Antriebslosigkeit, die zu einer Verwahrlosung und Existenzgefährdung führen könne.

Dem kann im Ergebnis nicht beigepflichtet werden. Wie bereits erwähnt bedarf die Klägerin nach den bindenden Feststellungen nicht der Anwesenheit einer Betreuungsperson während der Vornahme der Verrichtungen nach den §§ 1 und 2 EinstV. Die Klägerin kann diese Verrichtungen vielmehr - bis auf die Großreinigung der Wohnung inklusive Fensterputzen - selbständig vornehmen. Die Beschäftigungstherapie (jeweils 40 Wochenstunden in einer Kunststickerei tätig) ist daher auch nicht unmittelbar für die Durchführung der in den §§ 1 und 2 EinstV aufgezählten Betreuungs- und Hilfsverrichtungen erforderlich. Sie dient der Motivation und Anleitung zu sinnvollen sonstigen Tätigkeiten, also im wesentlichen der Gestaltung des übrigen, nicht durch Verrichtungen im Sinne der §§ 1 und 2 EinstV, die die Klägerin selbständig verrichten kann, ausgefüllten Tagesablaufes (wie auch schon der Begriff "Beschäftigungstherapie" besagt). Für die Berücksichtigung einer derartigen therapeutischen Betreuung fehlt aber eine pflegegeldrelevante Rechtsgrundlage (vgl 10 ObS 187/97s [teilweise veröffentlicht in ARD 4914/10/98], welcher Entscheidung der Fall einer 53-jährigen, an einer Psychose mit Defektzustand leidenden Versicherten zugrundelag, die nach den Feststellungen von einer Pflegeperson sogar "rund um die Uhr" betreut werden mußte, um ein "Entgleiten" zu verhindern. Bereits dort wurde ausgeführt, daß eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung einer "Beschäftigungstherapie" bei der Ermittlung des Pflegeaufwandes fehle). Der mit der Beschäftigungstherapie der Klägerin verbundene Zeitaufwand vermag daher die für eine bestimmte Pflegegeldstufe erforderliche Stundenzahl nicht anzuheben. Wenn daher mangels Übersteigens eines zumindest 50 Stunden betragenden monatlichen Pflegebedarfs die Gewährung eines Pflegegeldes abgewiesen wurde, ist hierin keine rechtliche Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zu erblicken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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