OGH 8ObS162/98a

OGH8ObS162/98a10.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Pamela S*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Kärnten, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 116.011,74 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. März 1998, GZ 7 Rs 300/97k-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. September 1997, GZ 30 Cgs 120/97g-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.112,-- (darin S 1.352,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloß am 5. 12. 1995 einen Arbeitsvertrag ab, in welchem als Arbeitgeber aufscheint: "I.V.E. Invest-Entertainment, H***** Heinz *****" und als Beginn des Dienstverhältnisses der 4. 12. 1995 angegeben ist. Am 19. 12. 1995 schlossen Heinz H***** sowie drei andere Personen einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der "IVE *****gesellschaft mbH". Heinz H***** wurde zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Zu einer Registrierung der Gesellschaft im Firmenbuch kam es nicht. Die Klägerin wurde am 4. 12. 1995 bei der Sozialversicherung als Angestellte der "IVE *****gesellschaft mbH in Gründung" angemeldet. Sie arbeitete dort bis 20. 2. 1996 als Sekretärin, mit welchem Tag sie vorzeitig austrat, weil sie für ihre Tätigkeit niemals ein Gehalt ausbezahlt erhalten hatte. Die Klägerin nahm die vier Gesellschafter wegen ihrer ausstehenden Lohnforderungen mit Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht in Anspruch. Das gegen Heinz H***** am 4. 6. 1996 in diesem Verfahren ergangene Versäumungsurteil erwuchs in Rechtskraft. Ein Antrag, über das Vermögen des Heinz H***** das Konkursverfahren zu eröffnen, wurde am 22. 10. 1996 mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 7. 7. 1997 den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld abgelehnt hatte, begehrte die Klägerin mit ihrer am 22. 7. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage, die Beklagte zur Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe der aushaftenden Gehaltszahlungen einschließlich aliquoter Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung sowie entstandener Verfahrenskosten schuldig zu erkennen. Heinz H***** habe mit der Klägerin einen Dienstvertrag abgeschlossen, sie sei in seinem Betrieb als Büroangestellte beschäftigt gewesen. Heinz H***** sei anstelle der nicht existent gewordenen Gesellschaft mbH Partner des Arbeitsverhältnisses gewesen und habe für die unberichtigten Entgeltforderungen einzustehen. Es bestehe kein Grund, Dienstnehmer einer letztlich nicht registrierten Gesellschaft mbH vom Bezug von Insolvenz-Ausfallgeld auszuschließen.

Die Beklagte, die das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit stellte (AS 27), wendete dagegen ein, daß § 2 Abs 1 GmbHG eine gesetzliche Haftungsbestimmung darstelle. Die darauf gestützten Ansprüche seien nicht als solche aus dem Arbeitsverhältnis zu werten und daher nicht nach dem IESG gesichert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß der gemäß § 2 Abs 1 GmbHG haftende Geschäftsführer einer Vorgesellschaft anstelle der nicht existent gewordenen GesmbH Partner des Arbeitsvertrages sei und deshalb für die Entgeltforderungen einzustehen habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Haftung für die sogenannte "Vorgesellschaft" richte sich nach § 2 GmbHG. Die von dieser Haftungsbestimmung ausgehende Schutzwirkung zugunsten des Dritten sei als eine Art Garantiehaftung für den Fall aufzufassen, daß die Gesellschaft nicht eingetragen werde oder daß sie die in ihrem Namen abgegebenen Erklärungen nicht genehmige. Der Garantie bedürfe es, weil der Dritte sonst unter Umständen überhaupt keinen Schuldner habe. Die Tatsache, daß die Vorgesellschaft erst am 19. 12. 1995, also 14 Tage nach der Unterzeichnung des Dienstzettels durch die Klägerin, gegründet worden sei, schade in diesem Zusammenhang nicht, weil die Handelndenhaftung des § 2 Abs 1 Satz 2 GmbHG schon zu Lasten solcher Personen anwendbar sei, die für die GmbH vor Abschluß des Gesellschaftsvertrages, also im Vorgründungsstadium, gehandelt haben. Der Normzweck der genannten Garantiehaftung vertrage nämlich keine Differenzierung danach, ob der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden sei oder nicht. Die Garantiehaftung nach § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG sei der Haftung aus einem Arbeitsvertrag gleichzuhalten, solle diese Bestimmung doch gerade in jenen Fällen eingreifen, in denen ein Vertragspartner nicht gefunden werden könne. Sie sei nicht mit einer Schadenersatzhaftung zu verwechseln, weil sonst die genannte Bestimmung überflüssig wäre. Die arbeitsvertragsersetzende Funktion der Garantiehaftung müsse auch die Beklagte gegen sich gelten lassen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Es muß hier nicht näher darauf eingegangen werden, daß nach neuerer Rechtsprechung zwischen der Vorgründungsgesellschaft, also dem Zusammenschluß von Personen, die eine Gesellschaft mbH erst gründen wollen, und der Vorgesellschaft, also dem Gesellschaftsverhältnis, das zwischen dem Abschluß des die Gesellschaft mbH errichtenden Gesellschaftsvertrages und der Eintragung dieser Gesellschaft im Firmenbuch besteht, unterschieden wird. Die Handelndenhaftung des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG findet dabei lediglich für die Vorgesellschaft Anwendung, während die Vorgründungsgesellschaft, die kein Vollhandelsgewerbe betreibt, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist, für deren Verbindlichkeiten alle Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und solidarisch haften (SZ 54/69; SZ 60/221; EvBl 1998/168 je mwH). Im gegenständlichen Fall ist nämlich unstrittig, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin jedenfalls von der Vorgesellschaft im bestehenden Umfang übernommen wurde und ist zudem der schon für die Vorgründungsgesellschaft tätig gewordene Heinz H***** auch als Handelnder im Sinne des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG anzusehen.

Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargestellt haben, ist Zweck des Insolvenzentgeltsicherungsgesetzes die sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Es sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, daß davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (DRdA 1992, 383; SZ 69/195 ua). Voraussetzung des Anspruchs auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld ist daher gemäß § 1 Abs 1 IESG unter anderem, daß über das Vermögen des Arbeitgebers (ehemaligen Arbeitgebers) im Inland der Konkurs eröffnet wird oder dieser Tatsache gleichzusetzende vom Gesetz aufgezählte Maßnahmen getroffen werden. Sowohl der Begriff des Arbeitnehmers wie auch jener des Arbeitgebers orientiert sich im Rahmen des IESG am Arbeitsvertragsrecht. Unter Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsvertragsrechts und damit auch im Sinne des § 1 Abs 1 IESG ist nach dem hiebei anzuwendenden § 1151 Abs 1 ABGB jene Person zu verstehen, der sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung verpflichtet hat. Dieser Arbeitgeberbegriff ist nicht identisch mit jenem des Sozialversicherungsrechts, wo gemäß § 35 ASVG derjenige als Dienstgeber gilt, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird (SZ 69/195 mwH).

Gemäß § 2 Abs 1 erster Satz GmbHG besteht die Gesellschaft vor der Eintragung in das Firmenbuch als solche nicht. Nach dem zweiten Satz dieses Absatzes haften die Handelnden persönlich zur ungeteilten Hand (Gesamtschuldner), wenn vor diesem Zeitpunkt im Namen der Gesellschaft gehandelt wird. Kommt es zur Entstehung der Gesellschaft mbH, so kann nach § 2 Abs 2 GmbHG die ins Leben getretene Gesellschaft, soweit kein "automatischer Übergang" etwa für Gründungskosten stattfindet, mit dem für sie Handelnden den Eintritt in die vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten (Schuldübernahme) auch ohne Zustimmung der Gläubiger binnen drei Monaten nach der Eintragung vereinbaren und dem Gläubiger mitteilen. Der Handelnde wird dann von seiner Haftung befreit, die Gesellschaft mbH tritt an seine Stelle. Es bedarf insoweit der ausdrücklichen oder schlüssigen, in jedem Fall aber vom Geschäftspartner nachzuweisenden Genehmigung im Sinne des § 1016 ABGB der in das Firmenbuch eingetragenen Gesellschaft (SZ 52/50; GesRZ 1986, 196; ecolex 1991, 558; GesRZ 1995, 56; RdW 1998, 613).

Wenngleich sich die Haftungsbestimmung des § 128 HGB, wonach die Gesellschafter der Personengesellschaften des Handelsrechts für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich haften, im wesentlichen mit jener des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG deckt, besteht doch aus arbeitsrechtlicher Sicht der wesentliche Unterschied, daß die Personengesellschaften des Handelsrechts selbst Dienstgeber sein können und somit die Haftung ihrer Gesellschafter zur bestehenden Haftung des Arbeitgebers hinzutritt. Folgerichtig hat der erkennende Senat daher in SZ 69/195 ausgesprochen, daß die Pflicht der Gesellschafter zur Lohnzahlung sich nicht auf den mit der Gesellschaft abgeschlossenen Arbeitsvertrag gründe, sondern außerhalb desselben auf die gesetzliche Haftungsbestimmung, weshalb im Konkurs der Gesellschafter die gegen sie gerichteten Lohnzahlungsansprüche nicht nach dem IESG gesichert seien. Der Fall der Vorgesellschaft im Sinn des § 2 GmbHG stellt sich aber insoweit völlig anders dar, als im Stadium vor Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch die noch nicht bestehende Gesellschaft nicht Arbeitgeber sein kann, sondern tatsächlich der für sie Handelnde in dieser Funktion auftritt. Daß § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG nicht die Haftung eines zahlungspflichtigen Dritten normiert, ergibt sich klar aus § 2 Abs 2 GmbHG, wonach die eingetragene Gesellschaft an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in RdW 1988, 290 ausgesprochen, daß dann, wenn die Gründung einer Gesellschaft mbH in Wahrheit nicht beabsichtigt gewesen sei, der Handelnde unbeschadet der Bestimmung des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG selbst Vertragspartner werde, weil nicht gesagt werden könne, daß er im Namen der Gesellschaft gehandelt habe. Es ist nicht zu erkennen, welchen Unterschied es für den darüber uninformierten Arbeitnehmer machen kann, ob die Eintragung der Gesellschaft mbH von vornherein nicht geplant war oder ob die Eintragung in der Folge aus anderen Gründen unterblieb. In beiden Fällen erscheint der Arbeitnehmer gleich schutzwürdig, zumal der Gesetzgeber für letzteren Fall im § 2 GmbHG ausdrücklich Vorsorge getroffen hat (vgl SZ 48/141; DRdA 1979, 295; 1 Ob 565/87). Diese Überlegungen werden auch nicht durch die Entscheidung des erkennenden Senats ecolex 1994, 561 entkräftet, wonach die Sicherung der Entgeltansprüche nach dem IESG für den Fall verneint wurde, daß der Kläger seine Ansprüche nicht aus einer Verletzung eines gültig zustandegekommenen Arbeitsvertrages ableite, sondern daraus, daß er gegenüber einem Scheinvertreter Ansprüche aus einem infolge Verstoßes gegen vorvertragliche Sorgfaltspflichten nicht gültig zustandegekommenen Arbeitsvertrag habe. Im hier zu beurteilenden Fall kann nämlich nicht zweifelhaft sein, daß der Arbeitsvertrag gültig zustandegekommen ist, und zwar mit dem für die noch nicht eingetragene Gesellschaft mbH Handelnden, welchem die Stellung des Arbeitgebers solange zukommt, als nicht die eingetragene Gesellschaft mbH gemäß § 2 Abs 2 GmbHG an seine Stelle tritt. Der erkennende Senat tritt daher der Entscheidung WBl 1995, 207 bei, in welcher, wenngleich im Zusammenhang mit der Richtigstellung einer Parteienbezeichnung, ausgesprochen wurde, daß der im Rahmen der Vorgesellschaft als Geschäftsführer aufgetretene Beklagte und nicht die nicht existent gewordene Gesellschaft mbH Partner des Arbeitsvertrages mit dem Kläger sei und deshalb für dessen Entgeltforderungen einzustehen habe (vgl auch SZ 60/221). Die Ansicht Liebegs, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz2, § 1 Rz 138, der unter Berufung auf die zitierte Entscheidung ecolex 1994, 561 die Handelndenhaftung gemäß § 2 GmbHG mit jener des Scheinarbeitgebers oder des zahlungspflichtigen Dritten gleichsetzt, kann daher nicht geteilt werden.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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