OGH 14Os166/98

OGH14Os166/989.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann D***** wegen des Vergehens des Ungehorsams nach § 12 Abs 1 Z 2 MilStG, AZ 6 E Vr 2.933/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 29. Oktober 1998, AZ 9 Bs 507/98 (= ON 12), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Johann D***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde einer Beschwerde des im Jahr 1990 nach dem Ritus der Zeugen Jehovas getauften Johann D***** gegen den Beschluß der Untersuchungsrichterin auf Verhängung der Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO vom 21. Oktober 1998 (ON 6) nicht Folge gegeben.

Am 3. November 1998 wurde der Genannte mit nicht rechtskräftigem und noch nicht ausgefertigtem Urteil wegen des Vergehens des Ungehorsams nach § 12 Abs 1 Z 2 MilStG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, wobei ihm zur Last lag, am 20. Oktober 1998 in Graz wiederholt die Befehle, die Waffe sowie Bekleidungsgegenstände auszufassen, nicht befolgt zu haben und trotz Abmahnung im Ungehorsam verharrt zu sein.

Mit ebenso zufolge Rechtsmittel des Angeklagten noch nicht in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 15. Oktober 1998, AZ 6 E Vr 2.752/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, war er wegen der Vergehen der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls nach § 7 Abs 1 MilStG und des Ungehorsams nach § 12 Abs 1 Z 2 MilStG unter Anrechnung einer in diesem Verfahren erlittenen Untersuchungshaft zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Grundrechtsbeschwerde erhobene Vorwurf einer unrichtigen Beurteilung der Haftvoraussetzungen ist nicht berechtigt.

Insofern der Beschwerdeführer den angezogenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr mit dem Hinweis darauf in Frage stellt, sein auf "innere Gewissensentscheidung zurückgehendes" Verhalten stelle ein einziges Delikt dar, ist ihm zu entgegnen, daß es sich ungeachtet dessen, daß ein Gesinnungstäter die wiederholten Befehlsverweigerungen aus dem selben Motiv begeht, um die Aufeinanderfolge mehrerer gleichartiger, zeitlich getrennter Taten handelt, denen jeweils die Erteilung eines Befehles und dessen abermalige Mißachtung trotz neuerlicher Abmahnung zugrundeliegen (vgl EvBl 1989/134).

Dagegen vermag auch der Hinweis auf eine gegenteilige Judikatur ausländischer Verfassungsgerichtshöfe nichts zu ändern.

Mit der Berufung auf entschuldigenden Notstand wird in der Grundrechtsbeschwerde erstmals auch der dringende Tatverdacht bekämpft, weshalb dieses Vorbringen schon mangels des insoweit nicht ausgeschöpften Instanzenzuges unbeachtlich ist. Die Befolgung des - nicht nach § 17 MilStG unbeachtlichen - Befehls, die Waffe auszufassen, war zudem in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen zu erwarten (§ 10 Abs 1 StGB), womit die Problematik des § 10 Abs 2 erster Satz StGB dahinstehen kann.

Mit der Negierung "schwerer" Folgen übergeht der Beschwerdeführer, daß die Untersuchungshaft über ihn aus dem Grunde des § 180 Abs 1 Z 3 lit b (und nicht lit a) StPO verhängt wurde.

Im Blick auf die schon in der Strafdrohung zum Ungehorsam zum Ausdruck kommende, keineswegs zu vernachlässigende Gefährdung der militärischen Ordnung durch (wiederholte) Verweigerung des Befehls, Waffe und Ausrüstung auszufassen, ist der Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO rechtsrichtig bejaht worden.

Hinweisen auf den Charakter als Beugehaft genügt es zu entgegnen, daß dem gegenständlichen Haftgrund immer auch fallbezogen angesichts der Ankündigung künftiger Befehlsverweigerungen (S 21) besonders indizierte präventive Erwägungen zugrundeliegen (vgl abermals EvBl 1989/134).

Auch der Vorwurf, es handle sich um ein im Spannungsverhältnis zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewissensfreiheit (Art 14 StGG, Art 9 EMRK) stehendes "Gesinnungsstrafrecht", geht ins Leere, hatte doch der Beschwerdeführer die Möglichkeit, durch zeitgerechte Einbringung eines Antrages auf Leistung des Zivildienstes jenen mit der Waffe beim Bundesheer zu vermeiden.

Im Hinblick auf den erstinstanzlichen Strafausspruch - Überlegungen über die Erfolgsaussichten der Berufung sind nicht anzustellen, weil damit diesem Rechtsmittelverfahren vorgegriffen würde - kann von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht gesprochen werden.

Der Angeklagte wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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