OGH 15Os195/98 (15Os196/98)

OGH15Os195/98 (15Os196/98)7.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richterin Mag. Hawlicek als Schriftführerin, in der beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 23 f Vr 4185/98 anhängigen Auslieferungssache des Staatsangehörigen der USA Anthony Eugene M*****, geborener J*****, zur Strafverfolgung an die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien

1. vom 20. Oktober 1998, AZ 22 Ns 14/98 (= ON 46 des Vr-Aktes), mit dem es gemäß § 33 Abs 1 ARHG die Auslieferung für zulässig erklärt hat,

2. vom 22. Oktober 1998, AZ 22 Bs 363/98 (= ON 48 des Vr-Aktes), mit dem es als Beschwerdegericht über die Fortsetzung der Auslieferungshaft entschieden hat,

nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Zu 1.: Mit Beschluß vom 20. Oktober 1998, ON 46, erklärte der Gerichtshof zweiter Instanz nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gemäß § 33 Abs 1 ARHG die von der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika mit Note vom 3. August 1998, No.:

168, begehrte Auslieferung des am 6. April 1972 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Staatsangehörigen der USA Anthony Eugene M*****, geborener J*****, zur Strafverfolgung wegen der in der beeidigten Anklage des Bezirksgerichtes des achten Gerichtsbezirkes von Florida in dem und für das Alachua County, Florida, vom 7. Jänner 1998, Berichtsnummer der Behörde 97-14953, beschriebenen Straftaten, soweit sie sich als Raub eines Erwachsenen im Sinne des Art. II Abs 1 Z 16 des zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Republik Österreich geltenden Auslieferungsvertrages vom 31. Jänner 1930, BGBl 287, idF des Zusatzabkommens vom 19. Mai 1934, BGBl 1934 II Nr 257, darstellt, für zulässig. Dieser Beschluß wurde dem Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Dr. Lothar H*****, am 17. November 1998 rechtswirksam zugestellt (3 r verso/I des Antrags- und Verfügungsbogens).

Zu 2.: Am 22. Oktober 1998 gab das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht einer von der auszuliefernden Person gegen einen Beschluß der Untersuchungsrichterin, mit dem sie "auf Fortsetzung der Auslieferungshaft (§ 180 Abs 7 StPO) mit Wirksamkeit bis längstens 7. 12. 1998" erkannt hatte, erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe nicht Folge, daß die Auslieferungshaft gemäß § 29 Abs 1 ARHG aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 1 StPO fortzusetzen ist (ON 48). Eine Beschlußausfertigung wurde am 3. November 1998 in der Rechtsanwaltskanzlei des genannten Rechtsvertreters übernommen (3 s/I).

Am 24. November 1998 langte beim Erstgericht eine mit 23. November 1998 datierte (laut Vorlagebericht ersichtlich am 23. d.M. zur Post gegebene) "Grundrechtsbeschwerde" ein, mit der beide vorzitierten Beschlüsse des Gerichtshofes zweiter Instanz bekämpft werden und beantragt wird, "1) auszusprechen, daß eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit in der Auslieferungssache Anthony Eugene M*****, im besonderen im Zusammenhang mit der Zulässigerklärung der Auslieferung, stattgefunden hat, 2) den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Oktober 1998, zu GZ 22 Ns 14/98 aufzuheben, womit auch der Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Oktober 1998, zu GZ 22 Bs 363/98 abzuändern sein wird" (ON 54).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist zum einen Teil unzulässig, zum anderen verspätet.

Zu 1.:

Soweit sich die Beschwerde gegen die Zulässigkeitserklärung der Auslieferung (ON 46) richtet, verkennt sie, daß gemäß § 1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 GRBG eine Grundrechtsbeschwerde nur "wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit" (welches im wesentlichen durch das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit und durch Art 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert und näher geregelt wird) durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung unter den dort normierten weiteren Voraussetzungen insbesondere dann erhoben werden kann, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer einer Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft, wie Tatverdacht oder Haftgrund, unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei der Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde.

Schon daraus erhellt, daß bei der gegebenen Sachkonstellation keines dieser grundrechtsrelevanten Kriterien aktuell ist. Die Frage der Zulässigkeit einer Auslieferung zur Strafverfolgung ist nämlich im vorliegenden Verfahrensstadium eigenständig und losgelöst von einer allenfalls bestehenden Auslieferungshaft, die auch in einem Auslieferungsverfahren keinesfalls stets zwingend zu verhängen ist (vgl § 29 Abs 1 und 2 ARHG iVm § 180 Abs 1 und 5 StPO), ausschließlich nach den im ARHG normierten Vorschriften zu beantworten. Wurde daher - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - die Auslieferung einer Person zur Strafverfolgung durch den gemäß § 33 Abs 1 ARHG hiezu berufenen Gerichtshof zweiter Instanz unanfechtbar (Abs 5 leg cit) aus formellen und materiellen Gründen für zulässig erklärt, ist eine Überprüfung dieser Entscheidung - zum Unterschied vom Beschluß über Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft selbst (vgl Mayrhofer/E.Steininger GRBG 1992 E 18 zu § 1) - mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz (aaO E 25 f) im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen.

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde war demnach insoweit als unzulässig zurückzuweisen.

Anders verhielte es sich nur, wenn das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung noch nicht abschließend entschieden, sondern vorweg deren Voraussetzungen anläßlich einer Beschwerde gegen den Beschluß über die Verhängung oder Fortsetzung der Auslieferungshaft bejaht hätte. Diesfalls müßte der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren auch zu den formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Auslieferung als entscheidende Prämisse für die Haft Stellung beziehen (so geschehen in 11 Os 11/98, 14 Os 161,162/98).

Zu 2.:

Gemäß § 4 Abs 1 GRBG ist die Beschwerde binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem der Betroffene von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat, beim Gericht erster Instanz (bei einem im Instanzenzug befaßten Gericht oder beim Obersten Gerichtshof) einzubringen. Wird die Entscheidung - wie hier - schriftlich ausgefertigt und zugestellt, so endet die Frist nicht vor Ablauf von vierzehn Tagen ab dem Tag der Zustellung an den Betroffenen, wobei in der Regel - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - rechtswirksam nur an den Verteidiger zugestellt werden kann (Mayerhofer StPO4 § 79 E 1 ff).

Vorliegend wurde der Beschluß vom 22. Oktober 1998 (ON 48) dem ausgewiesenen Wahlverteidiger bereits am 3. November 1998 rechtswirksam zugestellt (RS auf S 3 s/I). Die Grundrechtsbeschwerde hätte demnach - entgegen dem in einer gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung vertretenen Standpunkt des Beschwerdeführers - spätestens vor Ablauf des 17. November 1998 zur Post gegeben werden müssen, um als rechtzeitig eingelangt zu gelten. Dies ist aber - wie dargelegt - erst nach Verstreichen der vierzehntägigen Beschwerdefrist am 23. November 1998, somit um sechs Tage zu spät, geschehen.

Daher war die Grundrechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. Oktober 1998 (ON 48) richtet, als verspätet zurückzuweisen.

Der Zuspruch von Beschwerdekosten wurde nicht begehrt.

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