OGH 4Ob312/98f

OGH4Ob312/98f24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas E*****, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*****Verlagsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas & Dr. Georg Lugert Rechtsanwaltspartnerschaft in St. Pölten, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000.-), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 29. September 1998, GZ 1 R 157/98k-11, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen iS des § 78 UrhG verletzt wurden, ist nach stRsp auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (MR 1989, 54 - Frau des Skandalrichters mwN; MR 1993, 61 [Walter] = ÖBl 1993, 39 -

Austria-Boss; MR 1995, 143 - Haider-Fan; JBl 1998, 55 = MR 1997, 302

= ÖBl 1998, 88 - Ernestine K ua). Darüber hinaus sind bei Auslegung

des § 78 UrhG nach der jüngeren Rsp des erkennenden Senates auch die im MedG, insbesondere in dessen § 7a zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Danach sollte bei der Bildberichterstattung im Zusammenhang mit Kriminalfällen der jedenfalls geschützte Bereich auf solche strafbare Handlungen beschränkt werden, die als Vergehen iS des § 17 StGB zu beurteilen sind, während demgegenüber bei Verbrechen eine Interessenabwägung stattzufinden hat (JBl 1998, 55 = MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K; MR 1998, 126 - Ing.P. [Korn]; 4 Ob 95/98v; 4 Ob 127/98z ua).

Die Revisionsrekurswerberin vertritt im Anschluß an eine Entscheidungsbesprechung von Korn (MR 1998, 128f) den Standpunkt, auch beim Vorwurf des Verdachtes eines Vergehens (hier: nach dem Suchtgiftgesetz) wäre eine Interessenabwägung angebracht, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Bildberichterstattung über den Kläger deshalb ergäbe, weil der Kläger Spitzensportler, Mitglied der österreichischen Judo-Nationalmannschaft und Angehöriger der (ausschließlich aus Steuergeldern finanzierten) Heeressport- und Nahkampfschule sei und damit Verantwortung gegenüber seinem Heimatclub, dem Judoverband Österreich, dem österreichischen Bundesheer und als deren Vorbild auch gegenüber der Jugend trage. Selbst wenn man mit Korn und der Beklagten eine Interessenabwägung auch im Falle des Verdachtes eines Vergehens für erforderlich hielte, wäre aber damit für die Beklagte noch nichts gewonnen: Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit auf Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit der Information, der Kläger stehe (nur) im Verdacht, Kokain konsumiert zu haben und sei Gegenstand behördlicher Ermittlungen, wäre nämlich zu verneinen. Einerseits handelt es sich bloß um einen noch wenig konkreten Verdacht (daß ein Strafverfahren gegen den Kläger anhängig ist, wurde nicht einmal behauptet), andererseits ist das Vergehen, dessen der Kläger verdächtigt wird, für eine breite Öffentlichkeit auch nicht besonders spektakulär, sondern entspricht vielmehr einem heute in bestimmten Kreisen weitverbreiteten Modetrend. Auch irgendein (die Öffentlichkeit besonders interessierender) Zusammenhang zwischen dem Verdacht des Suchtgiftkonsums und der Tätigkeit des Klägers als Spitzensportler oder Soldat (wie etwa die Aufdeckung eines Rauschgiftringes in Judo- oder Bundesheerkreisen) wurde nicht einmal behauptet. Berücksichtigt man demgegenüber das jugendliche Alter des Klägers und die Beeinträchtigung seines weiteren beruflichen Fortkommens durch die Veröffentlichung des Lichtbildes als Identifikationsmöglichkeit, wäre eine Bildberichterstattung im gegebenen Zusammenhang auch bei Vornahme einer Interessenabwägung nicht gerechtfertigt.

Auch die weitere von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es für eine zulässige Bildnisveröffentlichung genügt, daß (objektiv) eine Verdachtslage gegen den Abgebildeten besteht, auch wenn dieser Verdacht im Hinblick auf ein bestimmtes Delikt vorliegt, das im Beitext zum Bild nicht genannt ist, ist rein theoretisch und hat auf das Ergebnis des Provisorialverfahrens keinen Einfluß: Die Beklagte hat zwar behauptet, gegen den Kläger läge eine konkrete Verdachtslage im Hinblick auf das Verbrechen des Kokaindealens gem. § 28 SMG vor, die ein Eintreten in eine Interessenabwägung zuließe. Die von ihr zu diesem Thema angebotenen Bescheinigungsmittel erschöpfen sich jedoch in einem Artikel des "Schwarzataler Bezirksboten", der folgende Textpassage enthält: "Darüber, wie tief E***** nun wirklich in die Drogenaffäre verwickelt sein soll, gibt es wilde Spekulationen. Angeblich soll der Judoka Suchtgift geschmuggelt, gedealt und auch konsumiert haben." Weder diese - offensichtlich durch nichts belegte - Zeitungsmeldung, die nach ihren eigenen Worten nur "wilde Spekulationen" wiedergibt, noch der Hinweis auf die erstgerichtliche Feststellung, der Obmann des W***** Judoclubs habe einem Mitarbeiter der Beklagten berichtet, nach Informationen des Salzburger Landes-Gendarmeriekommandos habe der Kläger auch Kokain gedealt (was bei einer Recherche der Beklagten bei der zuständigen Untersuchungsrichterin aber nicht bestätigt wurde), vermögen eine objektiv begründete Verdachtslage im aufgezeigten Sinn gegen den Kläger zu bescheinigen. Die Beklagte vermag sich deshalb auch nicht mit Erfolg auf einen (im Lichte des § 78 UrhG unbedenklichen) seriösen "Aufdeckungsjournalismus" zu berufen, dem es unbenommen ist, auch schon vor dem Einschreiten staatlicher Behörden fundierte und begründete Verdachtsmomente gegen Personen aufzuzeigen (vgl. MR 1998, 126 - Ing.P.).

Abgesehen davon, daß bei der Fassung des Unterlassungsgebotes immer auf die Umstände des einzelnen Falles abzustellen ist (4 Ob 58/98b; 4 Ob 87/98t), ist dem Rekursgericht auch in diesem Punkt kein im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtssicherheit wahrzunehmender Fehler unterlaufen. Entgegen der Argumentation der Beklagten wird nämlich im beanstandeten Begleittext mit der Formulierung "Untersuchungsrichter ... bestätigte die Ermittlungen gegen den [Kläger]" für den flüchtigen Leser sehr wohl der Eindruck erweckt, es bestünden bereits gerichtliche Ermittlungen gegen den Kläger, weshalb das Unterlassungsgebot zutreffend auch diese Behauptung mitumfaßt. Das Gericht darf auch dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im wesentlichen mit seinem Begehren deckt (stRsp ua ÖBl 1973, 56 - Linzer Hochhaus; ÖBl 1981, 159 [Schönherr] - Gae-Wolf-Jacken; SZ 65/49 = MR 1992, 238 [Walter] - Servus Du). Da sich das Vorbringen des Klägers auf einen bestimmten Zeitungsartikel bezog, in dem (nur) von einer Verdachtslage gegen ihn die Rede ist, hat sich das Rekursgericht bei der Neufassung des Urteilsspruches im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen gehalten (4 Ob 102/98y).

Mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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