OGH 8ObA131/98t

OGH8ObA131/98t12.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Arbeits- und Sozialgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik und Gerhard Gotschy als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Felix P*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei O*****gesellschaftmbH, *****, vertreten durch Dr. Martina Zadra, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 65.257,12 brutto abzüglich S 27.918,40 netto s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 1998, GZ 8 Ra 14/98g-24, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. September 1997, GZ 11 Cga 145/95p-20, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahingehend abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.750,-- (darin S 1.240,-- USt und S 3.310,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht sprach dem Kläger, der bei der beklagten Partei nicht ganz ein Jahr als Computergrafiker tätig war und das Dienstverhältnis seinerseits zum 30. 4. 1995 aufgekündigt hatte, aber am 3. 4. 1995 während der Kündigungsfrist zu Unrecht von der beklagten Partei entlassen worden war, unbekämpft S 64.347,26 brutto abzüglich S 27.918,40 netto zu.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist im Berufungs- und Revisionsverfahren nurmehr die Gegenforderung des ehemaligen Arbeitgebers in Höhe von S 50.000,-- aufgrund einer Konventionalstrafe wegen angeblicher Verletzung vertraglich vereinbarter Verschwiegenheitspflichten laut Punkt 5 des Dienstvertrages.

In diesem hatte sich der Kläger verpflichtet, alle geschäftsrelevanten Tatsachen des Dienstgebers und seiner Geschäftspartner, die ihm im Unternehmen des Dienstgebers bekannt würden, während des Dienstverhältnisses und auch noch innerhalb von fünf Jahren ab Beendigung geheimzuhalten. Für jeden Verstoß gegen diese Geheimhaltungsverpflichtung solle der Dienstgeber berechtigt sein, unabhängig vom Nachweis eines Schadenseintritts eine Konventionalstrafe in Höhe von S 50.000,-- als Mindestersatz zu fordern.

Nach der im Unfrieden erfolgten Beendigung des Dienstverhältnisses - die beklagte Partei beschuldigte den Kläger auch noch zu Unrecht, ihr gehörige Gegenstände mutwillig beschädigt zu haben - bot sich der Kläger im Verfahren 4 Cg 60/95p des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien der dort klagenden Partei als Zeuge zur Widerlegung des Vorbringens der (auch dort) beklagten Partei an, daß es zu einer Vereinbarung mit der (dort) klagenden Partei gekommen sei, die deren Herausgabeanspruch als ungerechtfertigt erscheinen ließe. Dementsprechend legte der Kläger auch seine Zeugenaussage ab, in welcher er bestätigte, daß eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen worden sei, er jedoch vom Geschäftsführer der beklagten Partei aufgefordert worden sei, einen gegenteiligen Zusatz auf dem von ihm unterzeichneten Lieferschein zu vermerken, was er abgelehnt habe. Da die beklagte Partei im Zuge jenes Verfahrens das streitgegenständliche Gerät, auf dessen Herausgabe geklagt worden war, herausgab, schränkte die (dort) klagende Partei das Klagebegehren auf Kosten ein und obsiegte. Daß die Aussage des Klägers nicht der Wahrheit entsprochen hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Gegenforderung der beklagten Partei auf Zuspruch einer Konventionalstrafe in Höhe von S 50.000,-- nicht zurecht bestehe, auch wenn sich der Kläger in dem genannten Verfahren als Zeuge zur Verfügung gestellt habe. Er sei mit seiner Aussage einer staatsbürgerlichen Pflicht nachgekommen, die nicht durch eine vertraglich normierte Verschwiegenheitspflicht außer Kraft gesetzt werden könne. Eine solche vereinbarte Verschwiegenheitspflicht, die auch noch nach Beendigung des Dienstverhältnis gelten solle, diene vorallem dazu, einen Dienstgeber vor Konkurrenten zu schützen. Im genannten Verfahren sei es jedoch darum gegangen, ob die beklagte Partei Verpflichtungen gegenüber einem Vertragspartner hatte, sohin um das unmittelbare Vertragsverhältnis zwischen dem ehemaligen Dienstgeber des Klägers und dessen Geschäftspartner. Dieses Vertragsverhältnis sei von der Geheimhaltungspflicht des Klägers nicht umfaßt. Anderenfalls könnte in solchen Fällen ein ehemaliger Dienstnehmer über Vorfälle bei einem früheren Dienstgeber nie als Zeuge vernommen werden.

Das Berufungsgericht gab der ausschließlich wegen des Nichtzurechtbestehens der Gegenforderung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, stellte fest, daß die Gegenforderung zurecht bestehe und wies das Klagebegehren infolgedessen ab. Zusammengefaßt meinte es, auch Geheimhaltungsklauseln unterlägen grundsätzlich den für Konkurrenzklauseln geltenden Beschränkungen. Gehe es jedoch wie hier um die Geheimhaltung betriebsinterner Vorgänge, an deren Verwendung oder Verbreitung dem Kläger überhaupt kein Interesse, insbesondere keines im Hinblick auf eine berufliche Entfaltung zustehe, seien die für Konkurrenzklauseln geltenden Einschränkungen nicht anwendbar. Da es nicht um die Verletzung von Kunst- oder Geschäftsgeheimnissen, sondern lediglich um betriebsinterne Vorgänge ginge, sei der Kläger zwar zur Aussage vor dem Zivilgericht verpflichtet gewesen; der entscheidende Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht sei jedoch bereits früher dadurch erfolgt, daß sich der Kläger (aus eigener Initiative und aus fragwürdigen Motiven) dem Geschäftspartner der beklagten Partei als Zeuge dafür angeboten habe, das Vorbringen der beklagten Partei zu entkräften. Daß der Kläger ohne seine Initiative niemals als Zeuge geladen worden wäre und der Prozeßgegner nur aus der Indiskretion des Klägers sein entsprechendes Prozeßvorbringen gewonnen habe, sei für die Annahme des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich. Eine Mäßigung der Konventionalstrafe komme nicht in Betracht, weil der Kläger aus eigenem Antrieb und ohne eigene berufliche Zwecke damit zu verfolgen, einen Geschäftspartner seiner ehemaligen Dienstgeberin über interne Vorkommnisse bei dieser unterrichtet habe, wodurch er in besonders krasser Weise gegen die auch nach der Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund der vertraglichen Vereinbarung fortwirkende Treuepflicht verstoßen habe. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil "die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG nicht erfüllt" seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei hat trotz Freistellung einer Revisionsbeantwortung keine solche erstattet.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Zurecht macht der Kläger geltend, daß neuere oberstgerichtliche Rechtsprechung - die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung (Arb 4.158) betreffe einen nicht genau vergleichbaren Sachverhalt und stamme bereits aus dem Jahr 1931 - zur Frage fehle, wie weit eine vertraglich vereinbarte Geheimhaltungspflicht Wahrnehmungen über unredliches Verhalten des Dienstgebers (und deren Offenlegung gegenüber Dritten) umfasse. Sei die Erstattung einer Strafanzeige kein Entlassungsgrund, könne er durch seine Aussage vor dem Zivilgericht über die versuchte Urkundenfälschung nicht gegen seine Geheimhaltungspflicht verstoßen haben.

Unter Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (zum Begriff Honsell in Ruppe, Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben 45 ff, und Marhold, aaO 93 ff; Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel [1997], 61 f), hinsichtlich derer eine Geheimhaltungsvereinbarung keiner Beschränkung unterliegt, weil sie keine Konkurrenzklausel iSd § 36 AngG ist (SZ 68/87; 69/270; zur nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers vgl auch Krejci, ÖZW 1975, 1 ff), werden Umstände verstanden, die nicht allgemein bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein objektiv berechtigtes Interesse hat; unlautere Geschäftspraktiken oder gesetzwidriges Verhalten zählen aber nicht dazu (so ausdrücklich Kuderna, Entlassungsrecht**2, 134).

Dieser Ansicht ist jedenfalls soweit zufolgen, als es um die Aufdeckung strafrechtlich relevanter Tatbestände geht. Auch das Berufungsgericht bezweifelt nicht, daß ein (ehemaliger) Dienstnehmer im Interesse der Allgemeinheit zur Erstattung einer Strafanzeige berechtigt ist, wobei er allerdings in einer für seinen (ehemaligen) Dienstgeber möglichst schonender Form vorzugehen hat (Arb 6.771; in diesem Sinn grundsätzlich auch 9 ObA 2165/96i, infas 1997 A 47, und 8 ObA 277/97m; Krejci in Rummel ABGB**2 § 1162 Rz 130; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 27 Erl 9 lit e ua). Bejaht man das Recht zur Strafanzeige, ist daraus zu folgern, daß ein (ehemaliger) Dienstnehmer auch berechtigt sein muß, einen Geschäftspartner seines (ehemaligen) Dienstgebers über strafrechtlich relevante Verhaltensweisen seines (ehemaligen) Dienstgebers zu informieren, wodurch dieser vor Schaden bewahrt wird, mag dies auch die Konsequenz haben, daß der (ehemalige) Dienstnehmer in der Folge gegen seinen (ehemaligen) Dienstgeber auszusagen hat, wozu er - wie auch das Berufungsgericht an sich richtig erkannt hat - verpflichtet ist. Eine solche Information an den Geschäftspartner seines (ehemaligen) Dienstgebers ist nämlich zweifellos ein schonenderes und gelinderes Mittel als eine Strafanzeige.

Der Kläger war daher, ohne daß er sich einer Verletzung der von ihm im Dienstvertrag übernommenen Geheimhaltungspflicht schuldig gemacht hätte, berechtigt, von sich aus den Prozeßgegner seines (ehemaligen) Dienstgebers über dessen vergeblichen Versuch, ihn zu einer Urkundenfälschung zu bestimmen, zu informieren, mag er sich dazu auch nicht aus "edlen Motiven", wie um der Gerechtigkeit Durchbruch zu verschaffen, sondern aus Verärgerung gegen seinen (ehemaligen) Dienstgeber, der ihn zu Unrecht entlassen und strafbarer Handlungen, nämlich der boshaften Sachbeschädigung, beschuldigt hatte, dazu veranlaßt gesehen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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