OGH 1Ob125/98h

OGH1Ob125/98h27.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Dr. Herbert S*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Ing. Christine S*****, 2. Werner S*****-Gesellschaft mbH, 3. Werner S*****, Handelsgesellschaft mbH, 4. Werner S***** Warenvertriebsgesellschaft mbH, alle ***** vertreten durch Dr. Richard Köhler und Dr. Anton Draskovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 48.549,15 sA (Erstbeklagte), S 196.820,40 sA (Zweitbeklagte), S 427.647,40 sA (Drittbeklagte) und S 75.315,40 sA (Viertbeklagte), infolge außerordentlicher Revision der erst-, zweit- und viertbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 1997, GZ 1 R 282/97k-39, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 20. Jänner 1997, GZ 11 C 2693/92w-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der erst-, der zweit- und der viertbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 25. 8. 1992 beim Erstgericht eingebrachten Klage brachte die Klägerin vor, sie habe für die Beklagten, die insgesamt die "Firmengruppe S*****" darstellten, auftragsgemäß Steuerberatungsleistungen erbracht, die mit den nachstehend angeführten Honorarnoten in Rechnung gestellt worden seien, wobei die Fälligkeit vereinbarungsgemäß jeweils mit dem Rechnungsdatum eintreten sollte. Sodann schlüsselte die Klägerin für jede einzelne Beklagte unter Anführung der jeweiligen Fakturendaten die Rechnungsbeträge auf, die mit Ausnahme einer einzigen, der Drittbeklagten gelegten Rechnung vom 12. 7. 1991 im Gesamtbetrag von S 79.182 jeweils den Betrag von S 50.000 nicht überstiegen. Die Klägerin begehrte schließlich (nach Einschränkung), die einzelnen Beklagten zur Zahlung der auf sie entfallenden Fakturensummen, nämlich die Erstbeklagte zur Zahlung von S 48.549,15, die Zweitbeklagte von S 196.820,40, die Drittbeklagte von S 427.647,40 und die Viertbeklagte von S 75.315,40 schuldig zu erkennen.

Die Beklagten, die die einzelnen Honorarforderungen der Höhe nach außer Streit stellten (AS 67 = S 1 des Protokolls vom 17. 11. 1994), wendeten dagegen die Mangelhaftigkeit der erbrachten Steuerberatungsleistungen ein, die in einem Ausmaß gegeben sei, daß ein Honoraranspruch nicht zustehe. Aufgrund der im einzelnen angeführten Mängel sei den Beklagten ein Schaden von zumindest S 4,342.009 entstanden; diese Ersatzforderungen würden gegen die Klagsforderungen aufrechnungsweise geltend gemacht.

Des weiteren erhoben die Erst-, die Zweit- und die Drittbeklagte sowie der Geschäftsführer der Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagten Widerklage, mit der sie den durch die mangelhaften Steuerberatungsleistungen angeblich verursachten Schaden von S 4,342.009, der in unterschiedlicher Höhe den einzelnen Widerklägern zugeordnet wurde, geltend machten.

Die Widerbeklagte (hier: Klägerin) bestritt, mangelhafte Leistungen erbracht zu haben, behauptete, daß ein Schaden überhaupt nicht eingetreten sei, und wendete Verjährung ein.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ebenso wie das Widerklagebegehren ab. Die Steuerberatungsleistungen der Klägerin seien insoweit mangelhaft gewesen, als Verrechnungskonten zwischen den Beklagten nicht abgestimmt und von der Drittbeklagten geleistete Akonti nicht verrechnet worden seien. Zudem habe die Klägerin die Beklagten nicht über die Notwendigkeit der täglichen Aufzeichnung von Barerlösen, der Trennung der Aufzeichnungen nach Groß- und Einzelhandelsumsätzen, der Verbuchung von Vermittlungsprovisionen als Aufwand sowie darüber aufgeklärt, daß die Umsatzsteuer von ausländischen Unternehmern direkt an das Finanzamt zu bezahlen sei. Ein Honoraranspruch stehe der Klägerin daher nicht zu. Die Kausalität der festgestellten mangelhaften Beratungsleistungen für den in der Widerklage geltend gemachten Schaden habe allerdings nicht festgestellt werden können, sodaß auch die Widerklage abzuweisen sei.

Die Abweisung der Widerklage erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es die Klagsforderungen gegen sämtliche Beklagten als zu Recht bestehend erkannte, die Aufrechnungseinreden der Erst-, der Zweit- und der Drittbeklagten zurückwies, die von der Viertbeklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und somit die Beklagten zur Zahlung der jeweils ihnen zugeordneten Fakturenbeträge samt gestaffelten Zinsen schuldig erkannte. Es sprach aus, daß im Verfahren gegen die Drittbeklagte (Faktura über S 79.182) die ordentliche Revision nicht zulässig und im übrigen die Revision jedenfalls unzulässig sei. In Ermangelung einer substantiierten Bestreitung des den Rechnungen zu entnehmenden Leistungsinhalts habe dieser als zugestanden zu gelten. Diese Fakturen betreffen fast ausschließlich Leistungen der Jahre 1990 und 1991, während die Beklagten lediglich Mängel der Steuerberatungsleistungen für den Prüfungszeitraum der Jahre 1986 bis 1988 geltend gemacht hätten. Das Klagebegehren sei daher bei allen Rechnungen, die sich nicht auf Leistungen im Prüfungszeitraum beziehen, jedenfalls gerechtfertigt. Auch bei den in den Prüfungszeitraum fallenden Leistungen stelle sich das Wandlungsbegehren der Beklagten als unberechtigt dar, weil die Betriebsprüfung auf den Leistungen der Klägerin aufgebaut habe, sodaß deren Werkleistung nicht als unbrauchbar angesehen werden könne. Auch das Unterbleiben der vom Erstgericht festgestellten Aufklärungen könne nicht als wesentlicher Mangel klassifiziert werden. Das Wandlungsbegehren sei somit nicht gerechtfertigt, Preisminderung sei nicht geltend gemacht worden. Daß Schäden aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Leistungen der Klägerin entstanden wären, habe das Erstgericht nicht feststellen können. Das Klagebegehren bestehe daher zu Recht. Die Aufrechnungseinrede der Erst-, der Zweit- und der Drittbeklagten sei unter Bedachtnahme auf § 240 Abs 3 und auf § 411 ZPO deshalb zurückzuweisen, weil die die identische Forderung betreffende Widerklage zwischenzeitig rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Erst-, der Zweit- und der Viertbeklagten ist unzulässig.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinne des § 55 Abs 1 JN in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen, weil diese Bestimmung gemäß § 55 Abs 5 JN auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgeblich ist (SZ 63/188; 1 Ob 2295/96y ua). Mehrere Ansprüche stehen im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN im tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann. In einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen; dann findet keine Zusammenrechnung statt (SZ 63/188; SZ 65/157; RZ 1995/31; EvBl 1997/111 uva).

Ein weiterer Fall der Zusammenrechnung von Ansprüchen ist gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN dann gegeben, wenn die geltend gemachten Ansprüche von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind, somit in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind.

In beiden Fällen des § 55 Abs 1 JN hat die Beurteilung der Frage, ob der dort beschriebene Zusammenhang mehrerer Ansprüche besteht, ausschließlich (arg. "geltend gemachte Ansprüche" im § 55 Abs 1 JN) aufgrund des Vorbringens des Klägers zu erfolgen. Ob dieses durch die Feststellungen des Erstgerichts gedeckt ist oder nicht, ist für die Beurteilung dieser Frage unerheblich (EvBl 1997/111; 1 Ob 202/97f).

Dem Vorbringen des Klägers im Verfahren ist keinerlei Hinweis zu entnehmen, daß die einzeln aufgelisteten Forderungen gegen die jeweiligen Beklagten voneinander derart abhängig wären, daß sie aus dem gleichen Klagssachverhalt abgeleitet werden könnten. Der Hinweis auf auftragsgemäß erbrachte Steuerberatungsleistungen indiziert einen derartigen Zusammenhang nicht, weil es sich dabei auch um Einzelaufträge gehandelt haben kann. Gleichartige Geschäfte stehen aber, selbst wenn sie unter Zugrundelegung gleicher Vertragsbestimmungen geschlossen wurden, untereinander nur in einem wirtschaftlichen, aber deshalb noch nicht in einem rechtlichen Zusammenhang (SZ 61/70) und resultieren auch nicht aus einer gemeinsamen Tatsache. Mag es auch eine Erfahrungstatsache darstellen, daß Steuerberatungsleistungen aufgrund eines einheitlichen Auftrags erbracht werden, schließt dies im Einzelfall eine andere rechtliche Ausgestaltung durch die Parteien nicht aus. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ergibt sich auch aus der in der Klage gebrauchten Wendung, die Leistungen seien für die "Firmengruppe Schleinzer" erbracht worden, nicht das Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft im Sinn des § 11 Z 1 ZPO, weil damit keineswegs das Bestehen einer Rechtsgemeinschaft zwischen den Beklagten in Ansehung des Streitgegenstands dargetan wird. Ebensowenig ist dem Vorbringen derselbe tatsächliche Anspruchsgrund zu entnehmen.

Liegt aber keine Streitgenossenschaft vor, ergibt sich, daß der Kläger selbst nicht von einer Zusammenrechnung der geltend gemachten Ansprüche ausgegangen ist, weil er die Klage beim Bezirksgericht einbrachte, dessen sachliche Zuständigkeit gemäß § 49 Abs 1 JN zu diesem Zeitpunkt durch den Streitwert von S 50.000 begrenzt war.

Sämtlichen gegen die Revisionswerber geltend gemachten Einzelansprüchen mangelt es daher an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 2 ZPO, weil der Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht zu befinden hatte, jeweils S 50.000 nicht überstieg. Lediglich die den Drittbeklagten betreffende Rechnung vom 12. 7. 1991 über S 79.182 lag über dieser Schwelle, was jedoch schon deshalb nicht zu einer meritorischen Erledigung führen kann, weil die Drittbeklagte keine Revision erhoben hat.

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