OGH 13Os124/98 (13Os143/98)

OGH13Os124/98 (13Os143/98)21.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian C***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz A***** und Christian W***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Christian C***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 12. Juni 1998, GZ 23 Vr 249/97-92, sowie über die Beschwerde nach §§ 494a Abs 4, 498 Abs 3 StPO des Angeklagten Franz A*****, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, der Angeklagten Franz A*****, Christian W***** und Christian C***** und der Verteidiger Dr. Mayerhofer, Mag. Mennel und Dr. Bertsch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten Christian C***** und Franz A***** sowie dessen Beschwerde wird nicht, jener des Angeklagten Christian W***** hingegen dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Strafe unter Anwendung von § 41 StGB auf vier Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz A***** und Christian W***** (sowie der in erster Instanz rechtskräftig schuldig erkannte Christian C*****) wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen (im zweiten Rechtsgang erneut) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie am 21. Februar 1997 in Hall in Tirol in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter versucht haben, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen, "indem sie sich, ausgerüstet mit einer abgesägten Schrotflinte und mit Klebeband, zur Stadtapotheke 'P*****' begaben, Handschuhe anzogen, sich zur Vorbereitung der Gesichtsmaskierung Masken auf den Kopf setzten und sämtliche Türklingeln der Eingangstür betätigten, um eingelassen zu werden, dies zur Verwirklichung des Vorhabens, einen Arzt, von dem sie glaubten, daß er dort seine Praxis betreibt und größere Geldmengen aufbewahrt, aufzusuchen, den Arzt, seine Angestellten und Patienten mittels der Schrotflinte in Schach zu halten, sie mit Klebeband an Händen und Füßen zu fesseln, ihnen den Mund zu verkleben und ihnen das gesamte Bargeld sowie sämtliche Schmuckstücke abzunehmen, wobei die Tatvollendung daran scheiterte, daß sie sich in der Straße und im Haus irrten, tatsächlich befand sich die Ordination des als Raubopfer ausersehenen Arztes in näherer Umgebung des Tatortes, ihnen auf ihr Läuten hin nicht sofort geöffnet wurde".

Die Geschworenen haben die getrennt für jeden Angeklagten gestellten anklagekonformen Hauptfragen (I bis III) jeweils stimmeneinhellig mit der Beschränkung (teilweise; § 330 Abs 2 StPO) bejaht, daß der Standort der Ordination des als Raubopfer ausersehenen Arztes unter Hinweis auf die Aktenseiten 99 und 101/II als in "näherer Umgebung" (statt in "unmittelbarer Nähe") des Tatortes befindlich angenommen wurde und der Passus, daß sich die Angeklagten "durch ein Vorbeifahren des Gendarmeriefahrzeugs schließlich entdeckt wähnten", zu entfallen hat, indem er gestrichen wurde (S 299, richtig: 207 ff/IV).

Zusatzfragen nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) wurden von den Geschworenen in Ansehung sämtlicher Angeklagten einstimmig verneint, weitere Fragen blieben folgerichtig unbeantwortet.

Der Umstand, daß in die Urteilsausfertigung anstelle der an die Geschworenen gestellten Fragen (§ 342 StPO) jene, die diese mit den dargestellten Einschränkungen bejahten, aufgenommen (vgl S 229 bis 239/IV mit US 2 bis 6) sowie die Aufnahme der Beantwortung der Hauptfrage III (betreffend Christian W***** US 4) unterlassen wurde, bietet keinen Anlaß für eine Maßnahme im Rechtsmittelverfahren.

Verstöße - gleich welcher Art auch immer - im Zusammenhang mit der Anordnung des § 342 StPO über die Aufnahme der an die Geschworenen gestellten Fragen (und ihre Beantwortung) in das schriftlich ausgefertigte Urteil sind nicht mit Nichtigkeit bedroht (10 Os 175/80, 10 Os 187/82), ist der Oberste Gerichtshof doch bei der Prüfung der von den Beschwerdeführern erhobenen Einwände an den dem Urteil zugrundeliegenden Wahrspruch der Geschworenen, so wie er sich bei den Akten befindet, gebunden (11 Os 124/93, 13 Os 5/96).

Die Schuldsprüche werden mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden von Franz A***** aus § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 11 lit a und 12 StPO, von Christian W***** aus Z 5, 6 und 12 leg. cit. bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführer sehen sich (in den Verfahrensrügen, Z 5) in der Abweisung ihres Antrages auf "Ortsaugenschein in Hall zum Beweis dafür, daß sich die Ordination des Arztes Dr.H***** nicht in unmittelbarer Nähe des Tatortes befindet, sondern in einem anderen Straßenzug und in einem anderen Haus und insbesondere auch der Eingang zur Ordination des Arztes wesentlich entfernt ist zum Tatort" (S 197, 199/IV) in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt.

Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Tatort wie auch dessen Umgebung einschließlich des Standortes der fraglichen Ordination in der Gendarmeriebeschreibung S 99/II und in der Übersichtsskizze S 101/II anschaulich dargestellt sind und von den Antragstellern nicht dargetan wurde, was dazu noch bei einem Lolkalaugenschein Entscheidendes zu sehen gewesen wäre. Ob sich die Ordination des als Opfer ausersehenen Arztes aber in "näherer Umgebung" oder in "wesentlicher Entfernung" zum Tatort befindet, ist eine Frage der Bewertung durch die Geschworenen.

Auch die Rüge der Fragestellung (Z 6) geht ins Leere.

Der vom Angeklagten A***** als wesentlich erachtete Umstand, daß der als Raubopfer ausersehene Arzt im Haus des Tatgeschehens gar keine Praxis hat "bzw daß sich die Angeklagten sowohl in der falschen Straße als auch beim falschen Haus befanden", ist in der Hauptfrage (II) enthalten. Ein in die Frage aufzunehmender Hinweis, daß den Angeklagten der tatsächliche Standort der Ordination nicht bekannt war, unterblieb zu Recht. Dieser Umstand betrtifft kein gesetzliches Merkmal. Im übrigen sind Hauptfragen anklagekonform zu stellen. Die deutliche Bezeichnung der Tat wird ohnehin nicht bezweifelt.

Ebensowenig konnte in die Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch die Wendung aufgenommen werden, daß "die Gendarmeriepatrouille kein Anlaß für den Versuchsrücktritt" gewesen sei, weil dies eine dem Schwurgerichtshof verwehrte vorgreifende Beweiswürdigung voraussetzt und auch nichts darüber aussagt, aus welchen Gründen die Tatvollendung unterblieb. Überdies haben die Geschworenen diese Sachverhaltsvariante bei Beantwortung der Hauptfragen in ihre Beurteilung einbezogen (siehe Streichung).

Die Rüge des Angeklagten W*****, in die Hauptfrage (III) wäre aufzunehmen gewesen, "ob die zeitliche oder räumliche Nähe zur Tat bereits gegeben war", entbehrt einer hinreichenden Substantiierung.

Eben solches trifft auf auch die Instruktionsrüge (Z 8) des Angeklagten A***** zu, die bei der Erläuterung der Rechtsbegriffe des absolut untauglichen Versuchs und des freiwilligen Rücktritts vom Versuch eine nach der gegebenen Fallgestaltung notwendige Bezugnahme auf in der Beschwerde näher angeführte Beweisergebnisse reklamiert. Die Beschwerde übersieht, daß das Zurückführen der für die Fragebeantwortung maßgeblichen gesetzlichen Merkmale auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt vom Vorsitzenden im Rahmen des gemäß § 323 Abs 2 StPO mit den Geschworenen zu führenden Rechtsgespräches zu erfolgen hat.

Beide Rechtsrügen (Z 11 lit a) vertreten die Ansicht, das dem Wahrspruch der Geschworenen zu entnehmende Tatsachensubstrat hätte zum Freispruch wegen absoluter Untauglichkeit der angelasteten Versuchshandlung führen müssen. Auch der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch liege vor. Sofern die Beschwerdeführer dabei auf von den Geschworenen nicht berücksichtigte Verfah- rensergebnisse verweisen, erübrigt sich im Hinblick auf die prozeßordnungswidrige Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes eine nähere Erörterung, ist doch diesfalls allein von dem im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt auszugehen. Gleiches gilt für den vom Angeklagten A***** im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 12) erhobene Vorwurf der in der verabsäumten Bejahung der Zusatzfrage nach § 277 Abs 2 StGB gelegenen "unrichtigen Gesetzesanwendung".

Letztlich muß den Erwägungen zur Untauglichkeit des Versuches der Angeklagten entgegengehalten werden, daß ein aus welchem Grund auch immer zurückzuführender Irrtum des Täters über den zwar tatsächlich nicht unmittelbar am Ort des Geschehens, wohl aber (wie im Wahrspruch festgestellt) in dessen näherer Umgebung befindlichen Aufenthaltsort einer real existierenden Person, auf die sich der räuberische Vorsatz erstreckte, eine Besonderheit der konkreten Fallgestaltung dargestellt, die (bei generalisierender Betrachtung) einer Annahme tatplangemäßer Raubvollendung nicht entgegensteht.

Den unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Das Geschworenengericht verurteilte die Angeklagten (unter Anrechnung der Vorhaft) für die ihnen durch die Schuldsprüche zur Last liegenden strafbaren Handlungen sowie die nach dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 4. März 1998, 13 Os 193/97-10, aufrecht gebliebenen Schuldsprüche des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch als Geschworenengericht vom 16. September 1997, GZ 22 Vr 249/97-62 (bei Christian C***** §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, dort A/II; Franz A***** §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, A/II, sowie § 36 Abs 1 Z 2 WaffG, C; Christian W***** § 277 StGB, B, sowie § 36 Abs 1 Z 2 WaffG, C), und zwar Christian C***** und Christian W***** zu je fünf Jahren, Franz A***** zu acht Jahren Freiheitsstrafe.

Zugleich wurde bei Letzterem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die im Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Dezember 1996 zu 24 Vr 1329/96 gewährte bedingte Strafnachsicht (gemäß § 43a Abs 2 StGB Freiheitsstrafe von vier Monaten neben einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen wegen § 106 Abs 1 Z 1 StGB) widerrufen.

Bei der Strafbemessung wurden gewertet

bei Christian C***** erschwerend die Tatwiederholung und seine bei Begehung der Taten zu Tage getretene kriminelle Energie, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, der Umstand, daß es bei den Taten beim Versuch blieb sowie die Schadensgutmachung gegenüber zwei Opfern;

bei Franz A***** erschwerend zehn einschlägige Vorstrafen, die Tatwiederholung und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, mildernd das reumütige Geständnis und das Versuchsstadium beim Raub;

bei Christian W***** erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und der Versuch beim Raub.

Der Widerruf der bedingten Strafnachsicht beim Zweitangeklagten blieb unbegründet.

Gegen die Strafaussprüche richten sich Berufungen der Staatsanwaltschaft und der drei Angeklagten, jene von Franz A***** ist auch als Beschwerde gegen den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu betrachten (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO).

Die Staatsanwaltschaft strebt die Erhöhung der Strafen an, die Angeklagten deren Herabsetzung und die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist nicht im Recht. Das Erstgericht hat die Erschwerungsgründe ihrem Gewicht nach richtig gewürdigt. Die beabsichtigte größere Schädigung durch das Vorhaben, mehrere Personen zu berauben (vgl § 32 Abs 3 erster Satz StGB), fand in der Strafhöhe ihren Ausdruck. Der Angeklagte C***** hat sich ernstlich bemüht, den beim Raubversuch in Rankweil entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen (§ 33 Z 5 StGB) und ist deshalb zu Recht in den Vorteil dieses Milderungsgrundes gekommen.

Auch der Vergleich der über alle Angeklagten verhängten Strafen zueinander gibt keinen Anlaß zur Straferhöhung.

Ebensowenig können die Berufungen der Angeklagten C***** und A***** zum Ziel führen. In beiden Fällen entsprechen die verhängten Strafen der Schuld der Täter und dem Tatunrecht. Die Milderungsgründe wurden ausreichend berücksichtigt. Die vom Erstangeklagten in der Berufung ins Treffen geführten Milderungsgründe sind nicht gegeben bzw in Wahrheit bereits in dem vom Erstgericht gefundenen enthalten. Der ordentliche Lebenswandel, das Versuchsstadium bei den Raubverbrechen und die Schadensgutmachung wurden vom Erstgericht ausdrücklich herangezogen, eine besondere Einwirkung des Zweit- auf den Erstangeklagten im Sinn des § 34 Z 4 StGB ist nicht feststellbar. Der Milderungsgrund der Vermeidung weiteren Schadens kann nur bei Tatvollendung zum Tragen kommen (§ 34 Z 13 erster Fall StGB). Die Zufügung weiteren Schadens war den Tätern nach Lage des Falles gar nicht möglich. Umstände, die einem Strafaufhebungsgrund nahekommen, schlagen nicht mildernd zu Buche (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 34 Z 11 E 39d).

Soweit sich der Zweitangeklagte ebenfalls auf die nicht ausreichende Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Vermeidung weiteren Schadens bezieht, gilt das gleiche. Unbesonnenheit kann nach der reiflichen Tatplanung ebensowenig zum Tragen kommen wie eine schon aus der Berufung hervorgehende, ihm bekannte Neigung zu unbesonnenen und unüberlegten Angriffen im alkoholisierten Zustand.

Bei beiden Angeklagten ist aber zu berücksichtigen, daß durch ihr Vorgehen beim Raubversuch in Rankweil zwei Opfer Verletzungen erlitten (S 183 und 193/III), was das Geschworenengericht ebensowenig beachtete wie den Umstand, daß diese beiden Angeklagten den Tatbestand des die Strafhöhe bestimmenden Strafsatzes zweimal erfüllten. Beim Zweitangeklagten ist auch ein rascher Rückfall (siehe 24 Vr 1329/96 des Landesgerichtes Feldkirch) zu berücksichtigen. Strafherabsetzung kann daher für beide Angeklagte nicht in Frage kommen.

Einschlägige Vorbelastung und rascher Rückfall lassen beim Zweitangeklagten auch den Widerruf der bedingten Strafnachsicht angezeigt erscheinen.

Anders ist dies beim Drittangeklagten, dem nur ein bewaffneter Raubüberfallversuch zur Last liegt. Die vom Erstgericht gefundenen Strafzumessungsgründe zeigen insbesondere unter Berücksichtigung des bisher ordentlichen Lebenswandels und des reumütigen Geständnisses ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe, sodaß auch bei Unterschreiten des gesetzlichen Strafmindestmaßes für die Zukunft ein entsprechend abhaltende Wirkung zu erwarten ist und mit der aus dem Spruch ersichtlichen Strafe das Auslangen gefunden werden kann.

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