OGH 13Os5/96

OGH13Os5/9624.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Mag. Strieder, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eckert-Szinegh als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard W***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13. Juli 1995, GZ 20 v Vr 3.187/95-52, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch 1 und in dem darauf beruhenden Teil des Wahrspruches unberührt bleibt, im übrigen Teil des Wahr- und Schuldspruches, sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung, jedoch ausgenommen den Einziehungsausspruch) aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die den Strafausspruch treffende kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Gerhard W***** in zwei Fällen (1 und 2 des Urteilsspruches) des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, am 13.März 1995 in Wien

(zu 1) seine geschiedene Gattin Karin W***** durch Versetzen von zumindest achtzehn Stichen mit einem Springmesser und einer Glasscherbe sowie durch Schläge gegen den Körper, die schwere Verletzungen und auffallende Entstellungen zur Folge hatten und

(zu 2) seinen Sohn Gerhard W***** jun durch das Versetzen eines Messerstiches in den Oberkörper, der zu einer 12 mm langen Stichverletzung im Bereich der linken oberen Brustkorbvorderseite und zwei kleinen arteriellen Blutungen im linken Brustmuskel führte,

zu töten versucht zu haben.

Die Geschworenen hatten die bezüglichen Hauptfragen 1 und 7 bejaht und folgerichtig die nach versuchtem Totschlag (2, 8), absichtlich schwerer (4) und schwerer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen

(5) bzw versuchter absichtlich schwerer (10) und schwerer Körperverletzung (11) gerichteten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.

Die jeweils gestellten Zusatzfragen in Richtung einer zur Tatzeit bestandenen Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (6, 12) und nach freiwilligem Rücktritt vom (Mord- bzw Totschlags)Versuch (3, 9) wurden verneint.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er zum Faktum 1 auf die Z 10 a, zum Faktum 2 auf die Z 4, 6, 7, 9, 10 a, 11 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO stützt.

Zum Urteilsfaktum 1 (versuchter Mord an Karin W*****):

Der Tatsachenrüge (Z 10 a), mit der der Beschwerdeführer sich gegen die Richtigkeit der (in der unbeantwortet gebliebenen Eventualfrage 2 enthaltenen und solcherart gar nicht festgestellten) Ablehnung der privilegierenden schuldmindernden Prämissen des § 76 StGB (im Wahrspruch) wendet, kommt keine Berechtigung zu.

Schon formell verfehlt ist jegliche rechtliche Argumentation, daß konkret die vom § 76 StGB geforderte besondere Gemütsbeschaffenheit des Täters vorgelegen sei. Denn, abgesehen davon, daß sich die rechtlichen Ausführungen keineswegs mit der herrschenden Rechtsprechung decken (siehe Mayerhofer/Rieder StGB4 § 76 E 20 a), können im Rahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 10 a) rechtliche (Subsumtions-)Fehler nicht releviert werden. Im übrigen geht aber die Beschwerde diesbezüglich von Tatsachen aus (zB der Angeklagte sei "ausgerastet"), die im Fragenschema zwar enthalten (s Frage 8), aber im Wahrspruch nicht festgestellt sind, was insoferne auch keinen erheblichen Bedenken begegnet, weil eine diesbezügliche bloße Schutzbehauptung des Angeklagten keineswegs realitätsfern ist (siehe S 87 f/II).

Zum Urteilsfaktum 2 (versuchter Mord an Gerhard W***** jun):

Mit dem Einwand mangelnder Konformität zwischen Anklage und Fragestellung (Z 6) ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 312 Abs 1 StPO muß die Hauptfrage nicht nur den in der Anklage angeführten gesetzlichen Tatbestand, sondern auch die dort bezeichneten näheren Umstände zur deutlichen Umschreibung der inkriminierten Tat zum Ausdruck bringen und daher auch hinsichtlich des konkreten Sachverhaltes mit der Anklage übereinstimmen. Darnach aber liegt dem Angeklagten zur Last, Gerhard W***** jun mit einem Messer eine (bloß) zwölf Millimeter lange Stichverletzung im Bereiche der linken oberen Brustkorbseite zugefügt zu haben, wohingegen in der betreffenden Hauptfrage (7) im Widerspruch nicht nur zum Anklagevorwurf, sondern auch zu den diesbezüglichen Verfahrensergebnissen (vgl S 251/I und 61/II) die Länge dieser Stichverletzung mit zwölf Zentimeter angegeben wurde. Solcherart wurde dem Angeklagten aber (unzutreffend) die Herbeiführung einer zehnmal (!) längeren Stichwunde und damit ein Umstand unterstellt, der geeignet war, die Geschworenen bei der Beantwortung des Tatvorsatzes zu seinem Nachteil irrezuleiten. Daß im Schuldspruch die Länge der Stichverletzung wieder anklagekonform mit zwölf Millimeter wiedergegeben wurde, vermag - der Beschwerdeauffassung zuwider - trotz der darin gelegenen Diskrepanz zum Wahrspruch, die mangels Relevanz für die rechtliche Beurteilung der Tat als Verbrechen des versuchten Mordes einen selbständigen Nichtigkeitsgrund jedoch nicht begründet (vgl hiezu Mayerhofer/Rieder StPO3 § 345 Z 4 E 2, EvBl 1956/295), nichts zu ändern.

Auch die von der Beschwerde reklamierte Anklageüberschreitung (Z 7) liegt nicht vor, wird doch durch den nur für die Lösung der subjektiven Tatseite, nicht aber für die Individualisierung des Anklagesachverhaltes bedeutsamen Begleitumstand die Identität der unter Anklage gestellten Tat nicht berührt.

Die durch die Divergenz zwischen Anklage und Fragestellung erfolgte Verletzung der Bestimmung des § 312 Abs 1 StPO bewirkt somit Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO des Wahrspruchs, der dem Schuldspruch zum Faktum 2 zugrundeliegt (Fragen 7 ff), welcher demzufolge in diesem Teil (§ 349 StPO) unter Anordnung einer Verfahrenserneuerung schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren war (§§ 285 e, 344 StPO).

Nur am Rande sei erwähnt, daß die Wiedergabe des Abstimmungsergebnisses der Geschworenen zur ersten Zusatzfrage (9) zur Hauptfrage 7 nach einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 16 StGB in der Urschrift des Urteils mit 5 Ja-Stimmen zu 3 Nein-Stimmen (US 3) nicht dem tatsächlichen Stimmverhalten entspricht, haben die Geschworenen doch nach der Aktenlage diese Frage einstimmig verneint. Daraus kann indes der vom Beschwerdeführer reklamierte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 12 Z 9 StPO schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil bei der Prüfung dieses Beschwerdeeinwandes von dem dem Urteil zugrunde liegenden Wahrspruch der Geschworenen, so wie er sich aus den bei den Akten befindlichen Aufzeichnungen über die den Laienrichtern gestellten Fragen und die darauf erteilten Antworten ergibt, nicht jedoch von deren - wie hier infolge eines Verstoßes gegen § 342 StPO fehlerhaften - Wiedergabe in der Urteilsausfertigung auszugehen ist (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 345 Z 9 E 8 a; 11 Os 124/93).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostententscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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