OGH 4Ob262/98b

OGH4Ob262/98b20.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert H*****, vertreten durch Dr. Karl J. Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Fritz O*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Juni 1998, GZ 40 R 287/98x-14, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rsp die Auffassung, daß im bürgerlichen Recht nach wie vor der in § 354 ABGB verankerte Grundsatz der freien Verfügbarkeit über das Eigentum gilt, der nur dort nicht zum Tragen kommt, wo entgegenstehende Bestimmungen, wie etwa die Kündigungsbeschränkungen des MRG, eine Ausnahme verfügen. Auch wenn diese Bestimmungen die Eigenbedarfskündigung auf den Fall der unbedingten Notwendigkeit einschränken, kann daraus doch nicht abgeleitet werden, daß der Vermieter zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses grundsätzlich auf eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnmöglichkeit verwiesen werden müsse. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Eigentümer einer Wohnung in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses heranziehen wolle und dürfe. Gerade § 30 Abs 2 Z 8 lit b MRG läßt erkennen, daß der Gesetzgeber die Absicht einer Person, den Wohnbedarf in ihrer Eigentumswohnung zu befriedigen, dadurch privilegiert, daß er in solchen Fällen von einer Interessenabwägung absieht. Daraus folgt, daß der Vermieter, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt, im allgemeinen mit seiner Eigenbedarfskündigung nicht schon deshalb auf die Möglichkeit einer anderweitigen Wohnungsnahme verwiesen werden darf, weil eine solche Wohnmöglichkeit an sich gegeben wäre (WoBl 1993/7; MietSlg 45.430; 47.404; WoBl 1997/9); der Beurteilung, ob der Eigenbedarf durch vorhandene andere Wohnmöglichkeiten befriedigt werden kann, ist dabei nicht in kleinlicher Weise der Nachkriegsstandard zugrundezulegen (MietSlg 40.468; WoBl 1997/9).

Die Vorinstanzen wenden diesen von der jüngeren Rechtsprechung entwickelten großzügigeren Maßstab bei der Prüfung von dringendem Eigenbedarf im Falle von Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern richtig auf den Einzelfall an, wenn sie weder ein vom Kläger als Büro/Werkstätte angemietetes Bestandobjekt aus zwei Räumen, Dusche und WC ohne Küche und Schlafgelegenheit, noch eine von ihm in Unterpacht genommene Kleingartenparzelle mit einem nicht winterfesten Kleingartenhaus ohne Heizung, dessen ganzjähriges Bewohnen ihm vertraglich verboten und auch deshalb unzumutbar ist, weil die Anlage im Winter geschlossen und das Wasser gesperrt ist, als ausreichende Wohnmöglichkeit beurteilt haben (ähnlich schon EvBl 1998/155, wo der erkennende Senat bei Vorliegen einer befristeten Wohnmöglichkeit des aufkündigenden Klägers in einem Studentenheim in einem ca. 12 m**2 großes Zimmer, wobei Küche und WC mit anderen Mitbewohnern des Studentenheimes geteilt werden mußten, den Tatbestand des dringenden Eigenbedarfs verwirklicht sah).

Mit der gerügten Unterlassung eines Ortsaugenscheines macht der Beklagte nur einen Verfahrensmangel erster Instanz geltend, den das Berufungsgericht behandelt und verneint hat. Daran ist der Oberste Gerichtshof gebunden (SZ 62/157 uva). Der schon nach allgemeinen Grundsätzen dem Kläger obliegende Beweis für den als Kündigungsgrund geltend gemachten Eigenbedarf (SZ 48/92; ZVR 1989/114 uva) ist demnach als gelungen anzusehen, wenn der Kläger nach den Feststellungen außer der aufgekündigten Wohnung über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt, weil zum Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung die Lebensgemeinschaft, in der der Kläger bis dahin gelebt hat, schon aufgelöst war und seine ehemalige Lebensgefährtin ihn bereits mehrfach zum Verlassen ihrer Wohnung aufgefordert und in der Folge eine Räumungsklage gegen ihn eingebracht hat: Zwar ist grundsätzlich im Kündigungsstreit für die Wirksamkeit der Aufkündigung der Zeitpunkt ihrer Zustellung maßgebend; nur beim Kündigungsgrund des Eigenbedarfes oder solcher Kündigungsgründe, die eine Zukunftsprognose erfordern, ist aber wegen der Besonderheit dieser Kündigungsgründe nach der Rsp (MietSlg 26.270; 46.427) auch auf solche Umstände Bedacht zu nehmen, die erst nach Zustellung der Aufkündigung eingetreten sind (hier: Einleitung eines Räumungsprozesses gegen den Kläger durch dessen ehemalige Lebensgefährtin).

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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