OGH 4Ob269/98g

OGH4Ob269/98g20.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****-GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****-AG, *****, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren S 600.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27. August 1998, GZ 1 R 111/98w-21, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin stützt ihre Ansprüche (ua) auf die Verordnung (EWG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Art 85 Abs 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl Nr L 145 vom 29. Juni 1995 (Gruppenfreistellungsverordnung Kfz 1995; kurz GVO-Kfz 1995). Diese Verordnung ist jedoch, ebenso wie die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Art 85 Abs 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl Nr L 15 vom 18. 1. 1985 (Gruppenfreistellungsverordnung Kfz 1985; kurz GVO-Kfz 1985), eine kartellrechtliche Freistellungsnorm und keine zivilrechtliche Regelung. Gruppenfreistellungsverordnungen bestimmen nur, unter welchen Voraussetzungen das Kartellverbot des Art 85 Abs 1 EGV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen nicht anwendbar ist (RdW 1998, 269). Sie stellen keine zwingenden Vorschriften auf, die die Gültigkeit oder den Inhalt von Vertragsbestimmungen unmittelbar berühren oder die Vertragsparteien zur Anpassung des Vertragsinhalts verpflichten (EuGH ÖBl 1996, 206 [Wollmann] - Garage Marsal SARL).

Die Klägerin kann daher aus der GVO-Kfz 1995 keine Ansprüche ableiten. Aus der von ihr zitierten Entscheidung 9 Ob 2065/96h (= RdW 1998, 269) folgt nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat der Obersten Gerichtshof geprüft, ob die bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten werden kann, wonach Handelsvertreterrecht unter bestimmten Voraussetzungen analog auf Vertragshändler anzuwenden ist. Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage unter Hinweis auf die Händlerschutzbestimmungen der GVO-Kfz 1985 und 1995 bejaht. Soweit eine solche Analogie aus dem nationalen Recht allein zweifelhaft bliebe, könnte der gemeinschaftsrechtliche Händlerschutz durch die GVO-Kfz 1985 und 1995 als Ausdruck der natürlichen Rechtsgrundsätze iS des § 7 ABGB berücksichtigt werden.

Die Klägerin strebt nicht die analoge Anwendung einer Norm des nationalen Rechts an, sondern sie will ihre Ansprüche unmittelbar aus der GVO-Kfz 1995 ableiten. Dafür fehlt aber jede Grundlage. Die Frage, ob die GVO-Kfz 1995 als innerstaatliches Recht anwendbar ist, ist daher für die Entscheidung unerheblich. Im übrigen hat der OGH schon wiederholt ausgesprochen, daß die GVO-Kfz 1985 erst durch die VO BGBl 1995/148, die GVO-Kfz 1995 durch die VO BGBl 1995/868 im innerstaatlichen Bereich für anwendbar erklärt wurde (RdW 1998, 269; 1 Ob 342/97v).

Ob einzelne Kfz-Importeure und insbesondere die Beklagte den Markt beherrschen, ist für die Entscheidung unerheblich, weil die Klägerin nicht einmal schlüssig behauptet hat, daß die Beklagte ihre Marktmacht mißbraucht hätte. Die Klägerin hat insbesondere nicht vorgebracht, daß die Einsetzung eines weiteren Vertragshändlers durch einen Mangel an Wettbewerb ermöglicht worden wäre, wie ihn § 35 KartG ausgleichen will (s KOG ÖBl 1993, 271 - Fiat-Vertriebsbindung). Die Verpflichtung zu allseitiger rechtlicher Prüfung geht nicht so weit, daß sie unabhängig davon zu erfolgen hätte, welche Anspruchsgrundlagen der Kläger behauptet.

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