OGH 1Nd504/98

OGH1Nd504/9819.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Florian H*****, vertreten durch Dr. Gottfried C. Thiery und Dr. Ernst W. Ortenburger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Mag. Birgit H*****, vertreten durch Dr. Maria-Christina Engelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über den Antrag der klagenden und widerbeklagten Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling wird abgewiesen.

Text

Begründung

Bereits mit Beschluß vom 3. 6. 1998, AZ 1 Nd 503/98, wies der Oberste Gerichtshof einen Antrag der Beklagten und Widerklägerin (in der Folge kurz Beklagte) auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling ab. Damals führte der erkennende Senat aus, daß eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden dürfe. Es seien sowohl Zeugen aus dem Raum Tirol wie auch solche aus dem Raum Wien bzw aus anderen Wohngegenden zu vernehmen. Allein deshalb erscheine es nicht zweckmäßiger, das Verfahren beim Bezirksgericht Meidling abzuführen. Gleiches gelte für den Wohnort der Parteien, der einerseits in St. Johann, andererseits in Wien liege. Der Umstand, daß sich das Bezirksgericht Kitzbühel bereits ausführlich mit dem Scheidungsstreit befaßt und - nach mehreren Tagsatzungen - auch schon eine einstweilige Verfügung erlasssen habe, spreche eher für eine Belassung des Rechtsstreits bei diesem Gericht; zumindest sei aber aus derzeitiger Sicht eine wesentliche Verkürzung oder Verbilligung des Verfahrens durch eine Delegierung nicht zu erwarten. Für eine Delegierung spräche, daß das Pflegschaftsverfahren der beiden ehelichen Kinder vor dem Bezirksgericht Meidling geführt werde und daher auch dieses Gerichts bereits mit der Problematik der Scheidungssache vertraut sei, und weiters, daß für die Beklagte angesichts ihrer Schwangerschaft die Hin- und Rückreise nach Tirol derzeit beschwerlich sei bzw nach der Geburt des Kindes Vorsorge für einen Säugling getroffen werden müsse. Diese Umstände seien aber nicht dermaßen gravierend, daß eine Delegierung aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des § 31 JN berechtigt wäre.

Am 6. 8. 1998 beantragte der Kläger und Widerbeklagte (in der Folge kurz Kläger) die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling. Seit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 3. 6. 1998 seien Änderungen eingetreten, die eine solche Delegierung rechtfertigten. Der Kläger werde nunmehr von Rechtsanwälten vertreten, die ihren Kanzleisitz in Wien hätten. Die ursprüngliche Ansicht des Klägers, der Delegierungsantrag der Beklagten diene der Verfahrensverschleppung, sei nicht aufrecht zu halten, weil der nächste Verhandlungstermin vor dem Bezirksgericht Kitzbühel (erst) für den 7. 10. 1998 anberaumt worden sei. Der Scheidungsakt sei nach wie vor leicht überschaubar; die aus dem Raum Kitzbühel kommenden Zeugen hätten sich bereit erklärt, zu Tagsatzungen nach Wien anzureisen. Das bereits abgeschlossene Provisorialverfahren stehe einem Delegierungsantrag nicht im Wege. Die Führung der Pflegschafts- und der Scheidungssache durch denselben Richter führe voraussichtlich zu einer Verfahrensvereinfachung und daher auch zu dessen Verkürzung. Bedeutsam sei auch, daß die Beklagte am 24. 7. 1998 ein Kind geboren habe, was nach den Ausführungen der Beklagten in deren Delegierungsantrag eine Erschwernis für die Anreise nach Kitzbühel darstelle. Vor allem aber sei bedeutsam, daß die Delegierung des Verfahrens nach Wien zu einer erheblichen Prozeßkostensenkung führen müsse, zumal die Rechtsvertreter beider Parteien ihren Kanzleisitz in Wien hätten. Ein allfälliger Einwand der Beklagten gegen die nunmehr vom Kläger beantragte Delegierung müßte sich als schikanös erweisen, zumal die Beklagte selbst bereits einmal die Delegierung beantragt habe.

Die Beklagte sprach sich gegen die Delegierung aus. Sie wendete ein, daß res iudicata vorliege, weil ihr Antrag auf Delegierung abgewiesen worden sei. Das Bezirksgericht Kitzbühel habe sich bereits eingehend mit der Scheidungssache befaßt, wogegen das Pflegschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht Meidling noch nicht weit gediehen sei. Der am 24. 7. 1998 geborene Sohn der Beklagten sei "pflegeleicht"; die Anreise nach Kitzbühel sei nunmehr kein Problem mehr. Der Delegierungsantrag des Klägers diene der Verfahrensverschleppung. Der Scheidungsakt sei bereits sehr unübersichtlich geworden; die weitaus überwiegende Zahl der Zeugen sei vor dem Bezirksgericht Kitzbühel zu vernehmen. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß der Kläger selbst erklärt habe, die Anreise nach Wien zu Verhandlungen würde ihn in seiner Berufsausübung stark behindern, und für seine Eltern wäre die Anreise nach Wien eine erhebliche Belastung.

Das Bezirksgericht Kitzbühel äußerte sich dahin, für eine Delegierung an das Bezirksgericht Meidling sprächen nunmehr mehrere Gründe: Beide Parteienvertreter seien in Wien ansässig, sodaß durch eine Verhandlung vor dem Bezirksgericht Kitzbühel ein größerer Verfahrensaufwand zu erwarten sei. Der Scheidungsstreit befinde sich noch in seiner Anfangsphase, weshalb eine Verzögerung des Verfahrens durch die beantragte Delegierung nicht zu erwarten sei. Das Bezirksgericht Meidling sei infolge des Umstands, daß das Pflegschaftsverfahren für beide Kinder von ihm geführt werde, mit dem Inhalt der Ehescheidungssache vertraut.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Einwand der Beklagten, es liege res iudicata vor, weil ihr Delegierungsantrag abgewiesen worden sei, ist allerdings nicht stichhältig, weil mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 3. 6. 1998 nicht über die - unstrittige - Zuständigkeit des Bezirksgerichts Kitzbühel entschieden, sondern ein Delegierungsantrag der Beklagten abgewiesen wurde. Der nunmehrige Delegierungsantrag des Klägers ist aber zweifellos mit dem der Beklagten nicht identisch.

Wie der Oberste Gerichtshof schon im Beschluß vom 3. 6. 1998 ausgeführt hat, soll eine Delegierung nur Ausnahmsfall sein und darf keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen läßt und eine Partei der Delegierung widersprochen hat, ist die Delegierung abzulehnen (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 31 JN mwN). Zweckmäßigkeitsgründe bilden etwa der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage des Augenscheinsgegenstands. Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit (Mayr aaO mwN).

Seit der Vorentscheidung vom 3. 6. 1998 sind keine gravierenden Änderungen eingetreten, die eine Delegierung nunmehr als zweckmäßig erscheinen ließen. Nach wie vor sind sowohl Zeugen aus dem Raum Tirol wie auch solche aus dem Raum Wien bzw aus anderen Wohngegenden zu vernehmen. Der Wohnort der Parteien erfuhr keine Änderung. Der Umstand, daß sich das Bezirksgericht Kitzbühel bereits mit dem Scheidungsstreit befaßte, spricht nach wie vor eher für eine Belassung des Rechtsstreits bei diesem Gericht; aus derzeitiger Sicht ist nach wie vor eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens durch eine Delegierung nicht zu erwarten. Der Umstand, daß die Beklagte nunmehr ein Kleinkind zu versorgen hat, kann keinen ausreichenden Grund für eine Delegierung bilden, zumal schon in der Vorentscheidung ausgeführt wurde, daß gewisse Beschwerlichkeiten von der Beklagten in Kauf genommen werden müßten und diese selbst in ihrer Äußerung die Versorgung ihres Kleinkindes sogar bei mehrfacher Anreise zum Bezirksgericht Kitzbühel nicht mehr als problematisch erachtet. Bemerkenswert ist auch, daß der Kläger entgegen dem Inhalt seiner Äußerung zum Delegierungsantrag der Beklagten in seinem Delegierungsantrag nicht mehr darauf zurückkommt, er wäre durch eine Zureise zu Verhandlungen nach Wien in seiner Berufsausübung stark behindert und die Anreise nach Wien wäre für seine Eltern eine erhebliche Belastung. Es mag durchaus sein, daß dem Kläger und allenfalls auch der Beklagten dadurch, daß sie Rechtsanwälte mit dem Kanzleisitz in Wien mit ihrer Vertretung betraut haben, höhere Verfahrenskosten erwachsen werden, beläßt man die Rechtssache vor dem Bezirksgericht Kitzbühel. Dieser Umstand kann aber eine Delegierung keinesfalls rechtfertigen, kommt doch dem Kanzleisitz eines Parteienvertreters im Delegierungsverfahren zumindest keine wesentliche Bedeutung zu (EFSlg 46.596). Demnach könnte für eine Delegierung nur die Tatsache, daß das Pflegschaftsverfahren der beiden ehelichen Kinder vor dem Bezirksgericht Meidling geführt wird und daher auch dieses Gericht bereits mit der Problematik der Scheidungssache vertraut ist, ins Treffen geführt werden. Dieser Umstand ist aber nicht dermaßen gravierend, daß eine Delegierung aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des § 31 JN berechtigt wäre. Die Frage der Zweckmäßigkeit läßt sich eben nicht eindeutig zugunsten des Klägers lösen, weshalb es bei der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zu verbleiben hat.

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