OGH 1Nd503/98

OGH1Nd503/983.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Florian H*****, vertreten durch Dr.Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Mag.Birgit H*****, vertreten durch Dr.Maria-Christina Engelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über den Antrag der beklagten und widerklagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Meidling wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte und Widerklägerin (in der Folge kurz Beklagte) beantragte die Delegierung der wegen Ehescheidung beim Bezirksgericht Kitzbühel anhängigen Rechtsstreite an das Bezirksgericht Meidling. Sie wohne gemeinsam mit den beiden Kindern in Wien-Meidling, weil sie der Kläger aus der ehelichen Wohnung in St.Johann gewiesen habe. Das Scheidungsverfahren werde voraussichtlich noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Da die Klägerin hochschwanger sei, wäre sie bei den Reisen von Wien nach Kitzbühel großen Strapazen ausgesetzt. Nach der Geburt sei mit weiteren Beschwerden zu rechnen und müßte sie das neugeborene Kind jeweils zu Verhandlungen nach Kitzbühel mitnehmen, zumal sie das Kind stillen werde. Die gesamten von der Beklagten namhaft gemachten Zeugen befänden sich in Wien. Des weiteren müßten die in Wien lebenden beiden Kinder während der Abwesenheit der Beklagten von deren Mutter versorgt werden, was unzumutbar sei. Schließlich sei das Pflegschaftsverfahren der beiden Kinder bereits beim Bezirksgericht Meidling anhängig. Aus all diesen Gründen erscheine eine Delegierung auch des Scheidungsstreits an das Bezirksgericht Meidling zweckmäßig.

Der Kläger und Widerbeklagte (in der Folge kurz Kläger) sprach sich gegen die Delegierung aus. Vor dem Bezirksgericht Kitzbühel hätten bereits drei Streitverhandlungen stattgefunden. Der Delegierungsantrag diene der Verfahrensverschleppung. Bei einer Delegierung trete keine Verkürzung, vielmehr eine Verzögerung des Rechtsstreits ein. Die überwiegende Zahl der von beiden Parteien namhaft gemachten Zeugen stamme aus dem Einzugbereich des Bezirksgerichts Kitzbühel. Das den Unterhalt betreffende Provisorialverfahren sei in erster Instanz bereits abgeschlossen; allenfalls müßte dieses - für den Fall eines erfolgreichen Rechtsmittels - in Wien neu durchgeführt werden. Durch eine Zureise zu Verhandlungen nach Wien wäre der Kläger in seiner Berufsausübung stark behindert. Für die Eltern des Klägers, die sich in fortgeschrittenem Alter befänden, stelle eine Anreise nach Wien eine erhebliche Belastung dar. Für eine Versorgung der in Wien lebenden Kinder müßte auch dann Vorsorge getroffen werden, fänden die Tagsatzungen in Wien statt. Die Voraussetzungen für eine Delegierung lägen demnach nicht vor.

Das Bezirksgericht Kitzbühel äußerte sich dahin, daß es bereits ein aufwendiges Provisorialverfahren mit einer dieses abschließenden Entscheidung durchgeführt habe. Es seien etwa gleichviele Zeugen vor dem Bezirksgericht Kitzbühel einzuvernehmen wie allenfalls im Rechtshilfeweg vor einem Bezirksgericht in Wien. Aus derzeitiger Sicht sei eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens im Falle einer Delegierung der Rechtssache an ein Wiener Bezirksgericht nicht zu erwarten. Allenfalls könnte eine Erleichterung für die Parteien darin bestehen, daß das Ehescheidungsverfahren vor dem Gericht abgeführt werde, bei dem das Pflegschaftsverfahren anhängig sei. Die von der Beklagten als Delegierungsgrund genannte Schwangerschaft sei vorübergehender Natur.

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen läßt und eine Partei der Delegation widersprochen hat, dann ist die Delegierung abzulehnen (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 31 JN mwN). Zweckmäßigkeitsgründe bilden etwa der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage des Augenscheinsgegenstands. Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit (Mayr aaO mwN).

Im vorliegenden Fall sind sowohl Zeugen aus dem Raum Tirol wie auch solche aus dem Raum Wien bzw aus anderen Wohngegenden zu vernehmen. Allein deshalb erscheint es also nicht zweckmäßiger, das Verfahren statt vor dem Bezirksgericht Kitzbühel beim Bezirksgericht Meidling abzuführen. Gleiches gilt für den Wohnort der Parteien, der einerseits in St.Johann, andererseits in Wien liegt. Der Umstand, daß sich das Bezirksgericht Kitzbühel bereits ausführlich mit dem Scheidungsstreit befaßt und - nach mehreren Tagsatzungen - auch schon eine einstweilige Verfügung erlassen hat, spricht eher für eine Belassung des Rechtsstreits bei diesem Gericht; zumindest ist aber aus derzeitiger Sicht eine wesentliche Verkürzung oder Verbilligung des Verfahrens durch eine Delegierung nicht zu erwarten. Für eine Delegierung kann einerseits die Tatsache, daß das Pflegschaftsverfahren der beiden ehelichen Kinder vor dem Bezirksgericht Meidling geführt wird und daher auch dieses Gericht bereits mit der Problematik der Scheidungssache vertraut ist, und andererseits der Umstand, daß für die Beklagte angesichts ihrer Schwangerschaft die Hin- und Rückreise nach Tirol derzeit gewiß beschwerlich ist bzw nach der Geburt des Kindes Vorsorge für einen Säugling getroffen werden muß, ins Treffen geführt werden. Diese Umstände sind aber nicht dermaßen gravierend, daß eine Delegierung aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des § 31 JN berechtigt wäre. Die Frage der Zweckmäßigkeit läßt sich eben nicht eindeutig zugunsten der Beklagten lösen, weshalb es bei der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zu verbleiben hat.

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