OGH 15Os159/98

OGH15Os159/9815.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilhelm S***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 30. April 1998, GZ 9 Vr 1173/97-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Hofer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelm S***** des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 22. September 1997 in Buchschachen Emmerich R***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich dadurch zugefügt, daß er ihn mit einem kleinen Kochtopf mindestens zehnmal auf den Kopf schlug, wodurch Emmerich R***** zahlreiche Rißquetschwunden erlitt. wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 9 lit a (der Sache nach Z 10), "hilfsweise" auch auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen dem Einwand in der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe Ausführungen des Sachverständigen für gerichtliche Medizin zur Bedeutung einer Vorschädigung des Opfers für dessen Tod übergangen, fanden die vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Gutachtensergebnisse in der Feststellung, daß ohne die Lebererkrankung des Emmerich R***** dessen Tod durch Verbluten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, ihren Niederschlag (US 5), sodaß der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

Auch die gegen die Annahme der Erfolgsqualifikation nach § 87 Abs 2 zweiter Fall StGB (nominell verfehlt unter Z 9 lit a) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) versagt.

Hinweise auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten können die rechtliche Beurteilung des festgestellten Tatgeschehens durch das Erstgericht (über die folgenbezogene Sorgfaltswidrigkeit des Täterverhaltens und den Adäquanzzusammenhang) nicht prozeßordnungsgemäß in Frage stellen.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen war ex-ante betrachtet eine erfolgsspezifische Sorgfaltswidrigkeit in bezug auf die in Rede stehende, bei Verwirklichung des Grunddeliktes entsprechend einem möglichen Kausalverlauf zu erwartende Folge gegeben (Kienapfel AT6 Z 27 RN 33, BT4 § 87 RN 17). Bei den festgestellten Tatmodalitäten des von der Absicht, schwer zu verletzen, getragenen Zufügens zahlreicher, zum Teil bis an den Schädelknochen reichender, stark blutender Rißquetschwunden im Gesichts- und Kopfbereich durch Versetzen von zumindest zehn kräftigen Schlägen mit einem (wenn auch kleinen) emaillierten Gefäß, die Blutspritzer bis zu einer Höhe von 240 cm verursachten, kann von atypischer Ungefährlichkeit der konkreten Begehungsweise des Grunddeliktes (§ 87 Abs 1 StGB) in Ansehung der Todesfolge keine Rede sein (Burgstaller in Pallin-FS [1988] 57 f und in WK § 7 Rz 20; Leukauf/Steininger Komm3 § 7 RN 33).

Unter Zugrundelegung der maßgeblichen Urteilskonstatierungen schloß das Erstgericht auch einen atypischen Kausalverlauf zu Recht aus, weil der - hier durch Verminderung blutgerinnungsfördernder Faktoren auf Grund einer Leberzirrhose begünstigte - Tod infolge der erwähnten Tatbegehungsweise nicht völlig außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Erfahrung liegt und es einer objektiven Voraussehbarkeit des Geschehensablaufes in allen Einzelheiten nicht bedarf (12 Os 29/95, JBl 1989, 395 [396]). Genug daran, daß angesichts der konstatierten massiven Gewalteinwirkung auf den Schädelbereich des Tatopfers keineswegs davon ausgegangen werden kann, es sei so gut wie ausgeschlossen, daß derartige Angriffe unter den konketen Umständen schon zum Tod führen (erneut JBl 1989,395).

Einer Unkenntnis des Angeklagten von der Blutgerinnungsstörung des Opfers kommt keine Bedeutung zu, weil die Vorhersehbarkeit des konkreten Kausalverlaufes nicht entscheidend ist. Der Täter muß lediglich allgemein die Erfolgsverwirklichung in einer Weise voraussehen können, welche den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhanges genügt. Umstände, wonach der Beschwerdeführer infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Möglichkeit zu erkennen, daß seine Tat den Tod des Opfers nach sich ziehen könnte, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen (Burgstaller in WK § 6 Rz 94, § 7 Rz 22; Kienapfel AT6 Z 25 RN 22 f, 32 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 87 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das erhöhte Aggressionspotential des Angeklagten, "welches auch zu zwei einschlägigen Vorstrafen führte", als mildernd das gestörte soziale Umfeld, in dem sich die Tat ereignete.

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß begehrt.

Auch die Berufung ist nicht im Recht, vermag sie doch weder zusätzliche Umstände mildernder Natur noch eine unrichtige Gewichtung der Strafzumessungstatsachen aufzuzeigen.

Mit dem Einwand, "die Qualifikation liege doch im Grenzbereich zwischen einfacher und mit tödlichem Ausgang qualifizierter absichtlicher schwerer Körperverletzung", ist der Berufungswerber zum einen auf die Argumentation in Erledigung der Rechtsrüge, zum anderen auf seine - sich hier im mehrfachen Zuschlagen (und in seinem Vorleben) manifestierende - Aggressionstendenz zu verweisen, sodaß von einer "im Grenzbereich liegenden Handlung" nicht gesprochen werden kann.

Dem Berufungsvorbringen zuwider hat das Erstgericht die gegebenen Strafzumessungsgründe nicht nur richtig und vollständig erfaßt, sondern über den Angeklagten auch eine Sanktion verhängt, die angesichts der personalen Täterschuld und des Unrechtsgehaltes der Straftat der beantragten Reduktion unzugänglich ist.

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