Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Berufungsentscheidung dahingehend abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 206.164,94 (darin S 16.682,29 USt und S 106.070,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens den Beklagten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 11. 9. 1996 brannte eine dem Kläger gehörende Lagerhalle in St. G***** ab. Die beiden Beklagten sind die Feuerversicherer dieses Gebäudes. Der Kläger übt bzw übte den Beruf eines Frächters aus. Seit 1960 hat er Umgang mit Schweißgeräten und schweißte, wenn auch nicht allzu häufig, mit einem Autogen-Schweißgerät, welches mit Gas und Sauerstoff betrieben wird.
Am 11. 9. 1996 benötigte er zwei Eisenstücke in einer Länge von je ca 1 m, die in der (später abgebrannten) Lagerhalle (Stahl-Holz-Konstruktion, in welcher auf fast dem gesamten Beton- bzw Erdboden seit langem bis zu einer Höhe von 10 cm Sägemehl verstreut lag) seines Betriebes lagerten. Da diese Schienen unter diversem Altmaterial - von Sägemehl umgeben - gelagert waren, konnte der Kläger nur durch Abtrennen der Eisenstücke diese aus der Halle entfernen. Er begann um ca 7,30 Uhr mit den Schweißarbeiten, die ca 5 bis 10 Minuten dauerten. Unmittelbar nach dem Abschweißen der Stücke stellte der Kläger ein Glimmen des Sägemehls fest, weshalb er aus der nahe gelegenen Garage einen Feuerlöscher holte und mit diesem die glimmende Fläche im Ausmaß von ca 1 m2 solange mit Schaum besprühte, bis er kein Glimmen des Sägemehls mehr wahrnahm. Anschließend verließ der Kläger den Stadel und fuhr in der Folge mit seinem PKW nach T*****. Ob er vor der Abfahrt um ca 8 Uhr nochmals zur Lagerhalle kam, um die Türen zu schließen, kann nicht festgestellt werden. Ca eine Stunde nach dem Verlassen der Frächterei kehrte der Kläger nochmals zum Anwesen zurück, um einen vergessenen Winkel zu holen. Die Halle, in welchem er die Arbeiten zuvor ausgeführt hatte, betrat er nicht mehr. Einen Brand nahm er nicht wahr. Gegen 9,20 Uhr brach dann der Brand im östlichen Bereich der Lagerhalle nahe der Außenwand in einer dortigen Sägemehlablagerung, aus.
Der Kläger wurde wegen dieses Vorfalles mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Montafon vom 8. 1. 1997 zu 5 U 1036/96t-4 zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
Der Kläger begehrt von den beiden beklagten Versicherungen die Bezahlung von S 3,999.999,-- sA zur ungeteilten Hand.
Die beklagten Versicherungen beantragten die Abweisung der Klage und wendeten Leistungsfreiheit ein. Der Kläger habe den Brand grob fahrlässig herbeigeführt, er hätte nicht davon ausgehen dürfen, daß das einmalige Besprühen mit einem Feuerlöscher zum Ersticken des Brandes ausreiche. Er habe es außerdem nach dem Löschversuch unterlassen, den Brandherd zu kontrollieren.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und wies das Klagebegehren ab. Die Vorgangsweise des Klägers sei als grob fahrlässig zu qualifizieren, sodaß die beklagten Parteien gemäß § 61 VersVG (und Art 12 Abs 1 ABS) leistungsfrei seien.
Das Berufungsgericht änderte mit dem angefochtenen Zwischenurteil die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es die Klagsforderung als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Hätte der Kläger nicht schon von vornherein das Löschen eines allfällig beim Schweißen entstehenden Schwelbrandes vorbedacht gehabt, wäre sein Vorgehen als grob fahrlässig zu beurteilen gewesen. Wer grundsätzlich eine taugliche Methode, einen Glimmbrand zu bekämpfen, von allem Anfang an anzuwenden beabsichtige, handle nicht grob fahrlässig, weil die Erkennbarkeit der dennoch entstehenden Brandgefahr keineswegs so evident sei, daß der Ausbruch eines Brandes geradezu als wahrscheinlich vorherzusehen sein sollte. Der eigentliche Fehler des Klägers sei nur darin gelegen gewesen, daß der Löschvorgang nicht ausreichend gewesen sei, um den Glimmbrand zu ersticken. Im Verhalten des Klägers könne auch keine Gefahrenerhöhung erblickt werden, weil er keine dauernde Anhebung des Gefahrenpegels durch sein Vorhaben beabsichtigt habe. Bei § 1 der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung handle es sich um keine spezielle Sicherheitsvorschrift im Sinne des Art 3 der ABS, der Verstoß des Klägers dagegen sei nicht grob fahrlässig gewesen.
Die gegen diese Entscheidung von den beklagten Parteien erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie das Berufungsgericht bei Begründung der Zulässigkeit der Revision richtig erkannte, ist das Verhalten des Klägers nicht nach § 61, sondern nach § 62 VersVG zu beurteilen. Danach ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, beim Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Hat der Versicherungsnehmer diese Pflicht verletzt, so ist der Versicherer leistungsfrei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grobe Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtung nicht geringer gewesen sei.
Soweit der Revisionsgegner in Zweifel zieht, daß der unmittelbar beim Schweißen aufgetretene Glimmbrand als Brand im Sinne des Art 1 AFB zu qualifizieren sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß das unkontrollierbare Ausbreiten der Glut inmitten der 10 cm dicken Sägemehlschicht vorerst vom Kläger nur durch Einsatz eines Feuerlöschers eingedämmt werden konnte und daß der Begriff Brand keineswegs auf einen solchen mit lodernden Flammen eingeschränkt ist. Daß ein Glimmbrand inmitten einer ca 10 cm hohen Sägemehlschicht sich jederzeit unkontrollierbar ausbreiten kann, entspricht der auch beim Kläger zu voraussetzenden Lebenserfahrung. Der Versicherungsfall ist daher schon bei den Schweißarbeiten eingetreten bzw stand unmittelbar bevor (vgl dazu Bruck-Möller-Sieg VVG8 II § 62 Rz 28, Prölss-Martin VVG26 § 62 Rz 5 ff). Dementsprechend war der Kläger verpflichtet, alle zur Abwehr oder zur Verringerung des Schadens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, soweit sie ihm möglich und zumutbar waren; dabei wäre die verkehrsübliche Sorgfaltspflicht einzuhalten gewesen (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 320, Bruck-Möller-Sieg aaO Anm 16 ff und zur Frage der Zumutbarkeit im allgemeinen Sinn 7 Ob 14/95). Neben dem (nicht ausreichenden) Löschversuch wäre der Kläger nach der Auffassung des erkennenden Senates aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles auch zu einer Kontrolle, ob der Löschversuch tatsächlich das gewünschte Ergebnis bewirkt hat, verpflichtet gewesen. Es ist gerichtsbekannt und entspricht der Lebenserfahrung, daß eine in einem Lagerraum über Jahre hindurch (und daher trockene) über den gesamten Fußboden aufgebrachte ca 10 cm hohe Sägemehlschicht sehr leicht brennbar ist und daß bei Hinzutritt von Luft ein Schwelbrand zur Feuersbrunst führen kann. In diesem Zusammenhang kann die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das Verhalten des Klägers deshalb noch nicht als grob fahrlässig zu beurteilen sei, weil es dem Kläger im Sinne seines Gesamtkonzeptes gelungen sei, auf den ausgelösten Glosbrand hin noch rechtzeitig das Feuer mit einem aus der Garage geholten Feuerlöscher zu löschen, nicht geteilt werden, hing doch dieses Konzept von einer Reihe ungewisser Faktoren ab, deren rechtzeitige und sichere Erfüllung keineswegs feststand. Von einer verkehrsüblichen sicheren Brandverhütung kann beim Vorgehen des Klägers daher keine Rede sein. Wie in der Lehre betont wird, besteht zwischen den Sachverhalten nach § 61 und § 62 VersVG ein systematischer Zusammenhang. Die Abgrenzung zwischen der Schadensverhütungspflicht im Sinne des § 61 VersVG zur Schadensabwendungspflicht im Sinne des § 62 VersVG ist eine rein zeitliche, d.h. daß ab Eintritt des Versicherungsfalles nur mehr die Schadensabwendungspflicht in Frage kommt (vgl Wussow, Feuerversicherung2, 561).
Geht man davon aus, daß es nach der Verkehrsauffassung geboten und dem Kläger nach der Lage der Dinge durchaus zumutbar gewesen wäre, angemessene Zeit nach seinem Löschversuch den Erfolg dieser Maßnahme zu kontrollieren, so hätte ihm dabei das nicht vollständige Ersticken des Schwelbrandes auffallen müssen und wäre ihm zweifellos durch ein nochmaliges Löschen das Abwenden des Brandes möglich gewesen. Die beklagten Versicherungen haben sohin dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 61 Abs 1 VersVG nachweisen können. Es wäre demnach Sache des Klägers gewesen, nach Abs 2 leg cit nachzuweisen, daß ihm dies nicht grob fahrlässig anzulasten ist (vgl Prölss-Martin VVG26 § 62 Rz 6). Dieser Beweis ist ihm jedoch mißlungen, weil die Negativfeststellung, daß nicht festgestellt werden kann, daß er bei seinem ca eine Stunde nach dem Löschversuch erfolgten Wiedereintreffen in seinem Anwesen die Brandstelle kontrolliert gehabt hätte, zu seinem Nachteil heranzuziehen ist.
Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Entscheidungen über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründen sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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