OGH 1Ob186/98d

OGH1Ob186/98d29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Prem, Mathes & Hauser, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard P*****, vertreten durch Kindel & Kindel, Rechtsanwälte in Wien, wegen 412.962,86 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 23. Februar 1998, GZ 14 R 159/97y-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 1998, GZ 4 Cg 216/95d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 18.315 S (darin 3.052,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Beklagte unterhielt bei der klagenden Partei ein (privates) Girokonto mit einem Überziehungsrahmen in wechselnder Höhe. Am 23. Juni 1994 betrug der Debetsaldo rund 266.000 S. Der Beklagte hatte sich zur Tilgung dieses Betrags in monatlichen Raten verpflichtet, er hielt diese Zusage jedoch nicht ein, sondern ersuchte die klagende Partei im Schreiben vom 17. Februar 1995, ihm die Rückzahlung des damals aushaftenden Betrags von rund 368.000 S bis Ende Juli 1995 zu stunden. Er zahlte jedoch auch bis zu diesem Zeitpunkt nichts. Daraufhin stellte die klagende Partei im Schreiben vom 21.Juli 1995 den nunmehrigen Debetsaldo in Höhe des Klageanspruchs fällig und gewährte ein Zahlungsziel bis zum 17. August 1995. Der Beklagte ließ auch diese Frist ohne Rückzahlungen verstreichen.

Die für die Kreditkündigung maßgeblichen Bestimmungen der in das Vertragsverhältnis der Streitteile einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Partei für Verbrauchergirokonten lauten:

"Punkt 36: Sowohl der Kunde als auch die Kreditunternehmung dürfen mangels anderweitiger Vereinbarung die Geschäftsverbindung nach freiem Ermessen jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen ... .

Punkt 37: Mit der Beendigung der Geschäftsverbindung wird der Saldo jedes für den Kunden geführten Kontos sofort fällig."

Der Beklagte war Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. & Co.KG, der ein Kreditverein gemäß § 39 SparkassenG im Juni 1993 einen Gewerbekredit gewährt hatte. Zur Kreditsicherung verpfändete der Beklagte dem Kreditgläubiger ein auf Überbringer lautendes Sparbuch der klagenden Partei. Nachdem der Beklagte als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen worden war, teilte er einem Mitarbeiter der klagenden Partei im Schreiben vom 7. April 1994 folgendes mit:

"Aufgrund der Abberufung meiner Person als Geschäftsführer der Firma ... kündige ich meine sämtlichen Haftungen und Bürgschaften der obgenannten Konten auf. Weiters gebe ich Ihnen die Anweisung, daß keine weiteren Überweisungen aus den Konten für die ich genannte Haftung übernommen habe, getätigt werden."

Die Komplementär- und die Kommanditgesellschaft befinden sich im Abwicklungsstadium. Die Forderungen ihres Kreditgläubigers, des Kreditvereins, waren bei Fälligstellung der Verbindlichkeiten höher als die verpfändete Spareinlage des Beklagten. Die Geschäfte des Kreditvereins besorgen ausschließlich Dienstnehmer der klagenden Partei.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 412.962.86 S sA und brachte vor, der Klagebetrag ergebe sich aus dem fälligen Debetsaldo auf dem Gehaltskonto des Beklagten. Gegen diese Verbindlichkeit könne - mangels Gegenseitigkeit - nicht mit der einem Dritten zur Kreditsicherung verpfändeten Spareinlage des Beklagten aufgerechnet werden.

Der Beklagte wendete bis zur Höhe des Klageanspruchs eine Gegenforderung von 1,5 Mio S aufrechnungsweise ein und brachte vor, er habe der klagenden Partei als Gläubigerin ein Sparbuch mit einer Einlage von etwa 1,5 Mio S für einen Kredit an eine Gesellschaft, deren Geschäftsführer er gewesen sei, verpfändet. Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer habe er alle für diesen Kredit persönlich bestellten Sicherheiten - so auch in Ansehung des verpfändeten Sparbuchs - aufgekündigt. Der Schuldenstand der Gesellschaft habe damals "maximal" 6 Mio S bei Sicherheiten von insgesamt etwa 8,5 Mio S betragen. Wegen seiner Kündigungserklärung hätte die klagende Partei das Gesellschaftskreditkonto abrechnen und ihm das verpfändete Sparbuch wieder ausfolgen müssen. Das habe die klagende Partei unterlassen. Sollte nicht die klagende Partei, sondern ein Kreditverein Kredit- und Pfandgläubiger geworden sein, hätte jene ihre "vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten bzw Aufklärungspflichten" verletzt, weil er "das Sparbuch - schon aus Bonitätsgründen - nur bei der klagenden Partei und nicht bei einem 'unbekannten Dritten' als Sicherheit hinterlegt" hätte. Den "Irrtum über den Vertragspartner" hätten Mitarbeiter der klagenden Partei, die auch die Geschäfte des Kreditvereins besorgten, veranlaßt.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung mit 412.962,86 S sA zu Recht, die Gegenforderung "in der Höhe von 1,5 Mio S" dagegen nicht zu Recht bestehe, und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 412.962,86 S sA. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die vom Beklagten angestrebte Aufrechnung scheitere schon an der mangelnden Gegenseitigkeit der maßgeblichen Forderungen. Nach der Urkunde über die Kreditgewährung an die Gesellschaft sei der Kreditverein "eindeutig" als Kreditgeber erkennbar gewesen. Der behaupteten Gegenforderung des Beklagten fehle es daher an einer "Rechtsgrundlage".

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Dem Beklagten sei der Kreditverein als Kreditgeber der Gesellschaft und Pfandgläubiger seiner Spareinlage "klar" gewesen, wie sich aus den Urkunden Beilagen ./F (Schreiben des Beklagten an den Kreditverein vom 7. Jänner 1995) und ./1 (Schreiben an die klagende Partei vom 17. Februar 1995) ergebe. Der Inhalt der Kredit- und Verpfändungsurkunde lasse auch keinen Zweifel über den Kreditgeber und Pfandgläubiger zu. Die klagende Partei habe daher keine Aufklärungspflicht verletzt. Der Beklagte habe die "Bonität" des Kreditvereins "nicht ernstlich in Zweifel" gezogen. Gegen letzteren seien allfällige Forderungen nach wie vor durchsetzbar. Die ordentliche Revision sei zulässig, "weil zur Frage, ob trotz der Verschiedenheit der juristischen Personen nicht wegen deren wirtschaftlichen Verknüpfung die klagende Partei für Forderungen gegen den Kreditverein einstehen" müsse, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs "vorgefunden" worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die mangelnde Rechtsfähigkeit eines Konzerns wurde in der Rechtsprechung bereits geklärt (SZ 56/101). Offenkundig deshalb stellt der Beklagte auch gar nicht in Frage, daß ein nach § 19 lit f des Sparkassenregulativs vom 26. September 1844, PGS Nr. 123, bei einer Sparkasse eingerichteter und gemäß § 39 Abs 1 SparkassenG weiterbestehender Kreditverein als juristische Person selbständig rechtsfähig ist. Er ist jedoch der Ansicht, er könne Einreden gegen den Kreditverein in analoger Anwendung des § 18 KSchG wegen der bestehenden "wirtschaftlichen Einheit" auch gegen die klagende Partei erheben. Er habe "nur im Vertrauen auf die erliegende Sicherheit des Sparbuchs ... das verfahrensgegenständliche Konto" überzogen. Das wäre unterblieben, hätte er gewußt, "daß diese Sicherheit (Sparbuchguthaben) nicht von der klagenden Partei bzw gegebenenfalls vom Kreditverein - Rechtsauffassung der klagenden Partei - freigegeben bzw nicht gegenverrechnet" werde. Er sei daher "im Vertrauen auf die wirtschaftliche Einheit und die aufrechnungsweise Gegenverrechnungsmöglichkeit durch die klagende Partei 'getäuscht'" worden. Die klagende Partei hätte ihn jedenfalls nach Zugang seines Schreibens vom 17. Februar 1995 (Beilagen ./A und ./1) dahin aufklären müssen, daß nicht sie, sondern der Kreditverein als Kredit- und Pfandgläubiger aufgetreten sei. Gerade in dieser Mitteilung erwähnt aber der Beklagte selbst, Verhandlungen mit dem Kreditverein über die "Freigabe" seiner "Sicherheiten" aufgenommen zu haben.

Diese Rechtsmittelausführungen sind verfehlt.

Wie der einleitenden Darstellung des Verfahrensgangs zu entnehmen ist, traf das Berufungsgericht aus den Urkunden Beilagen ./F und ./1 unter Mitberücksichtigung des Inhalts des Kredit- und Verpfändungsvertrags die ergänzende Feststellung, daß dem Beklagten die Tatsache der Stellung des Kreditvereins als Kredit- und Pfandgläubigers "klar" - demnach also bewußt - war. Zu dieser Feststellung rügt der Beklagte keinen Mangel des Berufungsverfahrens. Demzufolge hat der Oberste Gerichtshof seiner rechtlichen Beurteilung auch diesen weiteren Sachverhalt zugrundezulegen. Danach ist die Behauptung des Beklagten widerlegt, Mitarbeiter der klagenden Partei hätten einen Irrtum über die Person des Kredit- und Pfandgläubigers veranlaßt. Wußte aber der Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über den Kreditverein als Partner des Kredit- und Verpfändungsvertrags ohnehin Bescheid, ist ein Irrtum über dessen Person als Vertragspartner ausgeschlossen. Zu diesem Prozeßthema stellen sich somit keine Rechtsfragen, deren Lösung für die Sachentscheidung von Bedeutung wären.

Der Beklagte brachte im Verfahren erster Instanz nicht vor, er hätte "niemals sein Privatkonto in der Höhe des Klagebetrags" überzogen, wenn ihm bewußt gewesen wäre, daß er seine Sparbucheinlage für Gesellschaftsschulden nicht der klagenden Partei, sondern dem Kreditverein verpfändet habe. Soweit der Revisionswerber solche Behauptungen erst im Rechtsmittelverfahren nachzutragen versucht, sind sie als unzulässige Neuerungen unbeachtlich. Sie wären aber auch durch die Tatsache widerlegt, daß der Beklagte über die Person des Kredit- und Pfandgläubigers in Wahrheit nicht irrte. Es ist daher auch nicht mehr zu der aus dem Prozeßvorbringen des Beklagten offenkundig abzuleitenden Ansicht, ein Pfandvertrag lasse sich mittels eines einseitigen Widerrufs des Pfandschuldners auflösen, Stellung zu nehmen.

Der Oberste Gerichtshof vermag ferner keinen Sachverhalt zu erkennen, der einer analogen Anwendung des § 18 letzter Satz KSchG als Grundlage dienen könnte. Zwischen der Überziehung eines Privatkontos des Geschäftsführers einer Gesellschaft einerseits und einer Kreditgewährung an letztere samt Verpfändung einer Spareinlage des Geschäftsführers zur Kreditsicherung besteht keine wirtschaftliche Einheit, die Ähnlichkeiten mit dem Tatbestand des § 18 KSchG aufwiese. Demzufolge hat aber die klagende Partei jedenfalls nicht für allfällige Ansprüche einzustehen, die dem Beklagten gegen den Kreditverein als Pfandgläubiger zustehen mögen.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Das Rechtsmittel des Beklagten ist demnach wegen der dargestellten Gründe mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Danach sind der klagenden Partei, die auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies, die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzuerkennen.

Stichworte