OGH 8ObA116/98m

OGH8ObA116/98m17.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Zeitler und Ignaz Gattringer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Jana P*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei W***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Hansjörg Pichler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 178.060,64 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 1998, GZ 15 Ra 6/98i-17, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. September 1997, GZ 46 Cga 127/97w-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem einen Betrag von S 44.515,16 brutto sA abweisenden Teil als unangefochten unberührt bleiben, werden darüber hinaus dahin abgeändert, daß sie einschließlich der unbekämpft gebliebenen Abweisung zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von S 89.030,32 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 14. 5. 1997 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, einen weiteren Betrag von S 89.030,32 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 14. 5. 1997 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.661,01 (darin S 187,95 USt und S 3.533,33 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit S 1.712,66 (Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 5. 3. 1990 bis 13. 5. 1997 bei der Beklagten als Sekretärin und Buchhalterin angestellt und verdiente zuletzt brutto S

22.535 monatlich.

Die Zusammenarbeit der Streitteile verlief vorerst reibungslos, wenngleich der Geschäftsführer entsprechend seinem aufbrausenden Temperament Anweisung gegenüber seinen Mitarbeitern manchmal lautstark, jedoch ohne Verwendung von Kraftausdrücken, äußerte. Unmittelbarer Vorgesetzter der Klägerin war ein für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlicher, mit Bankvollmacht ausgestatteter Mitarbeiter. Dieser, der Lagerleiter, der Geschäftsführer und die Klägerin verfügten jeweils über eigene Büros, welche unmittelbar aneinandergrenzten und durch stets offen gehaltene Türen in Verbindung standen.

Ende 1995 traten vermehrt Kundenbeschwerden dahingehend auf, daß sich die Klägerin am Telefon unhöflich und "ruppig" verhalte. Etwa zu dieser Zeit sprach der Geschäftsführer die Kündigung der Klägerin aus und erteilte zudem für die Dauer der Kündigungsfrist die Weisung, daß Telefonate von der Klägerin nur mehr in Abwesenheit der übrigen Mitarbeiter entgegengenommen werden dürften. Über Intervention des unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin, der auf deren Tüchtigkeit verwies, einigten sich der Geschäftsführer und die Klägerin kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist darauf, das Dienstverhältnis fortzusetzen, wofür die Klägerin eine einmalige Bonuszahlung von S 10.000 erhielt. Die vom Geschäftsführer erteilte Weisung, daß die Klägerin bei Anwesenheit der übrigen Mitarbeiter Telefonate nicht entgegennehmen dürfe, blieb aufrecht. War der Geschäftsführer anwesend, hielten sich die drei in den benachbarten Büros untergebrachten Dienstnehmer im wesentlichen an diese Weisung. Während seiner - häufigen - Abwesenheit wurden jedoch Anrufe im Beisein und mit dem Einverständnis der beiden Arbeitskollegen häufig von der Klägerin entgegengenommen. Dies blieb auch dem Geschäftsführer nicht verborgen. Er tolerierte diese Übung längere Zeit, bis er zufolge neuerlicher Kundenbeschwerden seine Weisung wiederholte.

Anfang Mai 1997 war der Geschäftsführer beruflich im Ausland und besprach sich mehrfach telefonisch mit dem unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin, wobei seine Anrufe von der Klägerin angenommen wurden. Der Geschäftsführer war darüber und über möglicherweise mißverstandene Äußerungen der Klägerin verärgert und kündigte eine Erörterung des Vorfalles nach seiner Rückkehr in den Betrieb an.

Der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin nützte die Rückkehr des Geschäftsführers am 12. 5. 1997, um ihn zugunsten der Klägerin auf eine seit längerem in Aussicht gestellte Gehaltserhöhung anzusprechen. Am Nachmittag des Tages kündigte er der Klägerin und dem Lagerleiter an, ihre Gehälter ab dem folgenden Monatsersten jeweils um S 500 netto zu erhöhen. Wegen der Vorkommnisse während seiner Abwesenheit wiederholte er, daß nur der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin und der Lagerleiter die einlangenden Telefonate anzunehmen hätten und der Klägerin dies nur in Abwesenheit der beiden Kollegen gestattet sei.

Am Morgen des folgenden Tages befanden sich der Geschäftsführer und der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin im Büro des Geschäftsführers, um neben der üblichen Postbesprechung vorrangig über zu veranlassende Banküberweisungen zu beraten. Die finanzielle Lage des Unternehmens war zu dieser Zeit angespannt und es waren größere Zahlungen, unter anderem an das Finanzamt in der Höhe von S 380.000 fällig. Der Klägerin, die die Überweisungsunterlagen vorbereitet hatte, war das Thema der Besprechung bekannt. Gegen 8,45 Uhr trat sie durch die - wie üblich - offenstehende Tür in das Büro des Geschäftsführers und bat um ein Gespräch mit diesem. Nach ihrem Anliegen befragt, erklärte sie, eine schriftliche Bestätigung der Weisung vom Vortag über die Entgegennahme von Telefonaten zu verlangen. Der Geschäftsführer erachtete diesen Wunsch für nicht ausreichend wichtig, um seine Besprechung zu unterbrechen und forderte die Klägerin auf, sein Büro zu verlassen und an die Arbeit zurückzugehen. Die Klägerin blieb, da sie ihr Ersuchen sofort erledigt haben wollte. Die in ruhigem Ton vom Geschäftsführer wiederholte Anweisung, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, beantwortete sie sinngemäß mit der Bemerkung, daß sie die schriftliche Bestätigung der Dienstanweisung fordere, weil "man sich auf mündliche Anweisungen des Geschäftsführers nicht verlassen könne". Der beharrliche Verbleib der Klägerin in seinem Büro, insbesondere aber deren als Angriff auf seine Integrität aufgefaßte Bemerkung versetzten den Geschäftsführer nun derart in Wut, daß er die Klägerin anschrie, "ob er denn die Polizei holen müsse", damit sie sein Büro verlasse, sie solle endlich "verschwinden". Die Klägerin wendete sich nunmehr zum Gehen. Während sie die Bürotüre durchschritt, äußerte der nach wie vor sehr aufgebrachte Geschäftsführer sowohl für die Klägerin als auch deren unmittelbaren Vorgesetzten deutlich hörbar: "So eine blöde Kuh, Sie komische Tschechin Sie!". Die Klägerin, eine gebürtige Tschechin, fühlte sich durch diese Bemerkung aufs äußerste beleidigt, wandte sich um und sagte zum Geschäftsführer: "So, jetzt habe ich Sie!".

Die Klägerin begab sich anschließend in ihr Büro und erhielt über ihre telefonische Anfrage bei der Arbeiterkammer die Auskunft, daß sie wegen der Beleidigung zum sofortigen Austritt berechtigt sei. Sie verfaßte nun ein Austrittsschreiben und begab sich nach kurzer Zeit neuerlich in das Büro des Geschäftsführers, um ihm dieses zu übergeben.

Vor dem 13. 5. 1997 hatte der Geschäftsführer seine Mitarbeiter niemals beschimpft oder in der Ehre gekränkt. Es konnte nicht festgestellt werden, daß mündliche Dienstanweisungen des Geschäftsführers je zu Problemen oder Mißstimmungen zwischen ihm und seinen Dienstnehmern geführt hätten.

Der Austritt der Klägerin verursachte dem Betrieb erhebliche Probleme, da zum 30. 5. der Jahresgeschäftsabschluß sowie eine Vielzahl von dringenden Buchhaltungsarbeiten anstanden. Über Ersuchen ihres unmittelbaren Vorgesetzten begab sich die Klägerin in der Folge noch zweimal, jeweils in Abwesenheit des Geschäftsführers, in das Unternehmen, um Buchhaltungsunterlagen zu sichten und ihre mittlerweile eingestellte Nachfolgerin über einige Stunden hinweg einzuweisen.

Mit ihrer am 2. 7. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin zuletzt den Gesamtbetrag von S 178.060,64 brutto an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Die Klägerin sei berechtigt ausgetreten, weil sie am 13. 5. 1997 vom Geschäftsführer der Beklagten in unannehmbarer Weise beschimpft und beleidigt worden sei.

Die Beklagte wendete dagegen ein, die Klägerin habe den Geschäftsführer, obwohl sie von dessen cholerischem Temperament gewußt habe, bewußt provoziert, sodaß sich dieser zu einer Beleidigung habe hinreißen lassen. Seiner Äußerung sei aber keine Verletzungsabsicht zugrundegelegen und habe auch auf die Klägerin nicht beleidigend gewirkt. Das Verhalten der Klägerin stelle sich als untauglicher Versuch dar, das Arbeitsverhältnis unter Aufrechterhaltung ihres Abfertigungsanspruchs zu lösen. Jedenfalls müsse der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden an den zur Auflösung des Arbeitsverhältnissen führenden Vorfällen zur Last gelegt werden.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 133.545,48 brutto sA Folge und wies das Mehrbegehren von S 44.515,16 brutto sA ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten als erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 26 Z 4 AngG zu werten und daher der vorzeitige Austritt der Klägerin berechtigt gewesen sei. Allerdings habe die Klägerin den Geschäftsführer durch ihr der Beleidigung unmittelbar vorangehendes Verhalten provoziert und damit die austrittsbegründende Ehrverletzung schuldhaft mitbewirkt. Es liege daher ein Anwendungsfall des § 32 AngG vor. Die erhebliche Gewichtigkeit der vom Geschäftsführer geäußerten Beleidigungen und insbesondere der Umstand, daß sich die Klägerin im Zeitpunkt dieser Äußerungen endlich doch angeschickt habe, die Besprechung zu verlassen, rechtfertige es, das Mitverschulden der Klägerin mit 25 % angemessen zu berücksichtigen. Die Verschuldensaufteilung sei entsprechend Lehre und Rechtsprechung nicht nur hinsichtlich der Kündigungsentschädigung, sondern auch hinsichtlich Abfertigung und Urlaubsentschädigung vorzunehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Rechtsrüge der Beklagten aus, daß die Äußerungen des Geschäftsführers als Beleidigung und damit als Austrittsgrund zu werten wären. Es bestehe kein Zweifel daran, daß zwischen dem Verhalten der Klägerin und den beleidigenden Äußerungen des Geschäftsführers ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang bestanden habe. Die Provokation der Klägerin sei nicht nur darin gelegen, daß sie mit ihrem ungerechtfertigten Anliegen in einer wichtigen Besprechung gestört habe, sondern daß sie trotz zunächst mehrfacher höflicher Aufforderung nicht bereit gewesen sei, das Büro des Vorgesetzten zu verlassen und zudem diesem gegenüber ungerechtfertigte Vorwürfe erhob. Allerdings sei dem Erstgericht darin beizupflichten, daß aufgrund der Schwere der Beleidigung und des Umstandes, daß die Klägerin in diesem Zeitpunkt bereits im Gehen begriffen war, das Verschulden des Geschäftsführers überwogen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist teilweise berechtigt.

Die von der Revisionswerberin gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens zweiter Instanz liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Dem Gericht zweiter Instanz ist darin zu folgen, daß es für die rechtliche Beurteilung unerheblich ist, ob die Klägerin vom Geschäftsführer der Beklagten wiederholt oder - wie die Revisionswerberin meint - mehrfach zum Verlassen des Büros aufgefordert wurde, weil beide Vorinstanzen ohnedies von beharrlicher

Widersetzlichkeit (S 16 der Ausfertigung des Ersturteils = AS 121; S

16 der Ausfertigung des Berufungsurteils = AS 180) der Klägerin

ausgegangen sind. Auch die Feststellung einer mehr als zweimaligen Aufforderung könnte unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Beteiligten keinen meßbaren Einfluß auf die Verschuldensabwägung haben.

Auch insoweit die Revisionswerberin einen Mangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung darin erblickt, daß die Vorinstanzen nicht festgestellt hätten, im Zeitpunkt der Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten habe sich dieser bereits wieder seinem Schreibtisch zugewandt und die Klägerin das Büro verlassen gehabt, kann ihr nicht gefolgt werden. Die eine subjektive Voraussetzung für das Vorliegen einer im Sinne des § 26 Z 4 AngG relevanten erheblichen Ehrverletzung bildende Verletzungsabsicht kann nämlich auch in Form des bedingten Vorsatzes vorliegen (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2, 72). Selbst wenn sich der Geschäftsführer im Zeitpunkt der beleidigenden Äußerungen bereits wieder seinem Schreibtisch zugewandt haben sollte, nahm er doch zumindest billigend in Kauf, daß die Klägerin, die gerade die Bürotüre durchschritt, seine Äußerungen hören könne.

Daß die Äußerung des Geschäftsführers "So eine blöde Kuh, Sie komische Tschechin Sie!" eine erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 26 Z 4 AngG darstellt, haben die Vorinstanzen ausführlich begründet. Die Beklagte wendet dagegen in ihrer Revision auch nichts Substantiiertes ein, sodaß es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Beurteilung im angefochtenen Urteil zu verweisen.

Strittig bleibt somit lediglich die Frage des Vorliegens von Mitverschulden der Klägerin im Sinne einer Provokation des Geschäftsführers. Diesen Mitverschuldenseinwand hat die Beklagte bereits in erster Instanz in ausreichender Form (9 ObA 22/89; 9 ObA 39/91) erhoben. Gemäß § 32 AngG hat dann, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses trifft, der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Diese Bestimmung ist dann anzuwenden, wenn zum Verschulden des Empfängers der Auflösungserklärung ein Verschulden des anderen Teiles hinzutritt, das ersteres in einem anderen Licht erscheinen, aber immerhin noch bestehen läßt. Wenngleich die Anwendbarkeit des § 32 AngG voraussetzt, daß der Erklärungsempfänger für die Auflösungserklärung einen ausreichenden Grund gesetzt hat, so muß doch das mitwirkende Verschulden des die Auflösung erklärenden Teiles nicht so weit gehen, daß es selbst einen Auflösungsgrund bildet. Die Rechtsfigur des Mitverschuldens eröffnet dem Gericht im Wege des Verschuldensausgleichs die Möglichkeit, alle Nuancen der zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Geschehnisse nach Maßgabe der beiderseitigen Verschuldensanteile zu berücksichtigen. Allerdings setzt die Vornahme des Verschuldensausgleichs voraus, daß ein mit der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im kausalen Zusammenhang stehendes schuldhaftes Verhalten beider Vertragsparteien vorliegt. Es muß ein die Bedingung für die Vertragsauflösung bildendes schuldhaftes Verhalten des einen Teiles zu einem solchen Verhalten des anderen Teiles hinzutreten (RdA 1979/6 [Kramer] mit Glosse von Hoyer in ZAS 1981, 17; RdW 1996, 276; Kuderna aaO, 75).

Die hier gegebene Konstellation, bei der die vorzeitige Auflösung zwar an sich berechtigt ist, jedoch auch den Erklärenden ein Verschulden daran trifft, steht in ihrer Beurteilung in Lehre und Rechtsprechung weitgehend außer Streit (Pfeil, Die Mitverschuldensregel bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, WBl 1987, 175). Strittig ist die Behandlung anderer von Pfeil aaO dargestellter Fallkonstellationen, unter welchen insbesondere jene der begründeten jedoch vom Dienstgeber mitverschuldeten Entlassung zu nennen ist. Hier erhebt sich nämlich unter anderem die Frage, ob ein von vornherein gar nicht bestehender Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung durch die Berücksichtigung des Mitverschuldens entstehen kann, ob somit die Bestimmungen über den Verschuldensausgleich grundsätzlich anspruchsbegründende Wirkung haben. Diese Frage wurde vom Obersten Gerichtshof bereits im Jud 28 verneint, jedoch der Weg offengelassen, den aus Verschulden des Arbeitgebers verursachten Verlust des Abfertigungsanspruches über die Bestimmungen des Schadenersatzes auszugleichen. Jabornegg kritisiert in seiner Glosse zur Entscheidung ZAS 1989/25 heftig ein dem Berufungsgericht unterlaufenes offenkundiges Fehlverständnis des § 32 AngG, daß auch ein Teil der Abfertigung zugesprochen werden könne, weil es aufgrund Mitverschuldenseinwandes stets nur zu einer Minderung eines an sich gegebenen Anspruches kommen, niemals aber ein Anspruch begründet werden könne, dessen grundsätzliche Voraussetzungen von vornherein nicht erfüllt seien. Auch Pfeil aaO vertritt diesen Standpunkt, während Kuderna aaO 75 im Falle der gerechtfertigten Entlassung alle jene Ansprüche, deren Bestehen von der Art der Vertragsauflösung unabhängig sind, somit Ansprüche auf Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung als dem Verschuldensausgleich zugänglich erachtet. Soweit überblickbar, scheint bisher lediglich Pfeil, losgelöst von der speziellen Problematik der Begründung eines sonst verwirkten Anspruches durch den Mitschuldeinwand, allgemein die Ansicht zu vertreten, die Abfertigung sei keinesfalls nach der Bestimmung des § 32 AngG aufzuteilen, weil sie ebenso wie die Urlaubsentschädigung nicht zu den in den §§ 1162a und 1162b ABGB aufgezählten Ansprüchen gehöre. Allerdings räumt er in der Folge ein, daß die Abfertigung - trotz aller Schwierigkeiten einer umfassenden Funktionsbestimmung - letztlich Entgeltcharakter habe, welches Argument Kuderna aaO FN 4 als Begründung dafür anführt, daß in die Gesamtbemessung der dem Arbeitnehmer nach dem Verschuldensausgleich zuzusprechenden Beträge auch die Abfertigung einzubeziehen sei. Der Oberste Gerichtshof hat in seinen Entscheidungen ArbSlg 7952 und RdW 1996, 276 Abfertigung und Kündigungsentschädigung im Falle vom Dienstgeber mitverschuldeter Entlassung ohne weitere dogmatische Begründung entsprechend den festgestellten Mitverschuldensquoten zugesprochen.

Die oben dargestellte Problematik braucht hier jedoch nicht abschließend behandelt zu werden, weil im Falle berechtigter Austrittserklärung die Ansprüche auf Abfertigung und Kündigungssowie Urlaubsentschädigung jedenfalls entstanden sind. Bedenkt man, daß gerade die Abfertigung im Zusammenhang mit der Beendigung von Dienstverhältnissen zu den wesentlichsten und oftmals wirtschaftlich auch bedeutendsten Streitpunkten zählt, würde man § 32 AngG eines ganz wesentlichen Anwendungsgebietes berauben, wollte man gerade die Abfertigung von einer möglichen Aliquotierung ausnehmen. Dies kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, zumal § 23 Abs 7 AngG die Frage des - vorangehenden - Verschuldens des anderen Teils bei der Regelung des Verlustes des Abfertigungsanspruchs nicht berührt und somit in dieser Bestimmung kein Hindernis für die Anwendbarkeit des § 32 AngG gesehen werden kann. Es ist daher entgegen der bereits referierten Ansicht Pfeils der Meinung Kudernas beizutreten, daß zumindest im Fall des vorzeitigen Austritts auch die Abfertigung dem Verschuldensausgleich unterliegt. Ähnliche Erwägungen gelten bezüglich der im § 9 UrlG verankerten Urlaubsentschädigung (vgl Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 § 32 Erl 4). Gerade das Argument Pfeils, der Angestellte habe es im Falle berechtigten Austritts nicht zu verantworten, daß die Konsumierung des Urlaubs in natura unmöglich geworden sei, weist den Weg zu § 32 AngG, weil in den danach zu beurteilenden Fällen die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumindest zum Teil vom Arbeitnehmer verursacht wurde.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß sämtliche von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche dem Verschuldensausgleich gemäß § 32 AngG unterliegen.

Bei der vorzunehmenden Verschuldensabwägung wurde von den Vorinstanzen nach Ansicht des erkennenden Senats das Verhalten der Klägerin nicht ausreichend gewichtet. Beachtet man, daß der Geschäftsführer der Beklagten ihr gegenüber trotz mehrfacher Kundenbeschwerden in hohem Maße entgegenkommend war (Zurücknahme der Kündigung gegen Zahlung eines Bonus von S 10.000, Gehaltserhöhung am Tage vor dem Vorfall), muß das von der Klägerin an den Tag gelegte Verhalten schlechthin unverständlich erscheinen. Dies umso mehr, als die Gegenstand ihrer Vorsprache bildende Weisung nach den Feststellungen immerhin schon seit dem Jahre 1995 bestand und zumindest in Anwesenheit des Geschäftsführers überwiegend eingehalten worden war. Die Behauptung der Klägerin, sie habe eine schriftliche Ausfertigung der Weisung benötigt, weil diese äußerst kompliziert und nur schwer vollziehbar gewesen sei, ist daher kaum nachvollziehbar und konnte jedenfalls keine Begründung für die besondere Dringlichkeit ihres Anliegens auf schriftliche Ausfertigung bilden. Die Tatsache, daß der Klägerin die besondere Bedeutung der Besprechung bekannt war und sie dennoch beharrlich auf einem Gespräch wegen ihres vergleichsweise völlig unbedeutenden Anliegens bestand, zeigt, daß die Klägerin nicht nur einfachste Umgangsformen, sondern darüber hinaus offenkundig die Autorität ihres Vorgesetzten in provokanter Weise mißachtete. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist dieses Verhalten der Klägerin auch nicht deshalb milder zu beurteilen, weil sie sich als die beleidigenden Äußerungen fielen, gerade anschickte, das Büro des Geschäftsführers zu verlassen. Beachtet man nämlich noch den weiteren Umstand, daß sie dem Geschäftsführer unterstellte, man könne sich auf seine mündlichen Anweisungen nicht verlassen, zeigt sich, daß sein Erregungszustand in einem Ausmaß provoziert wurde, das nicht erwarten ließ, es werde schlagartig mit der Kehrtwendung der Klägerin auch wieder der Ärger abklingen. Allerdings wäre nicht nur nach der Rechtsprechung, sondern nach allgemeinen Überlegungen zur Unternehmensführung von leitenden Angestellten zu verlangen, ihrer Vorbildwirkung gerade in derartigen Situationen gerecht zu werden und kühlen Kopf zu bewahren, dies ungeachtet des jeweiligen Temperaments oder der momentanten Gefühlslage.

Bei Gegenüberstellung all dieser Kriterien erachtet der erkennende Senat eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 für gerechtfertigt, weshalb in teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten die Urteile der Vorinstanzen in diesem Sinne abzuändern sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 ZPO. Da der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses, welcher im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Erfüllung durch die Beklagte fallengelassen wurde, als verhältnismäßig geringfügig keinen besonderen Verfahrensaufwand verursacht hat, waren die Kosten des Verfahrens erster Instanz gegeneinander aufzuheben. Gleiches galt für die Kosten der Berufungsverhandlung. Der Beklagten waren die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung (die Klägerin blieb mit ihrer Berufung im Ergebnis erfolglos) sowie gemäß § 43 Abs 1 ZPO entsprechend der Obsiegensquote ein Drittel der für ihre Berufung entrichteten Pauschalgebühr zuzusprechen. Demgegenüber drang die Klägerin mit ihrer Berufungsbeantwortung mit zwei Drittel durch, sodaß ihr ein Drittel ihrer Kosten zuzusprechen waren. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin ebenfalls mit zwei Drittel den Anspruch der Beklagten auf vollständige Klagsabweisung abwehren können, sodaß auch hier die Klägerin Anspruch auf Ersatz eines Drittels ihrer Kosten hat, der Beklagten jedoch ein Drittel ihrer Barauslagen zuzusprechen waren.

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