Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs der Rosa K***** an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht nahm die von der erblasserischen Tochter Rosa K***** aufgrund des mündlichen Testaments vom 19. 7. 1996 mit Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars abgegebene Erbserklärung zu Gericht an (Punkt 1) und wies die erbserklärte Erbin Rosa K***** gemäß § 126 Abs 2 AußStrG zur Überreichung der Klage gegen die widerstreitende erbserklärte Erbin Barbara P***** binnen einer Frist von 6 Wochen an (Punkt 2). Letzteres begründete das Erstgericht im wesentlichen damit, daß gewichtige Bedenken gegen das jüngere Testament, auf welches sich Rosa K***** stütze, bestünden und ihr daher die Klägerrolle zuzuweisen wäre. Die von Rosa K***** behauptete Streitanhängigkeit gehe von der Annahme aus, daß ihre Erbserklärung bereits zu Gericht angenommen worden sei. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, daß der Beschluß über die Annahme der Erbserklärung als nichtig aufgehoben worden sei und die präzisierte Erbserklärung der Rosa K***** erst mit dem vorliegenden Beschluß angenommen worden wäre.
Das Rekursgericht behob aus Anlaß des gegen Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses erhobenen Rekurses der Rosa K***** diesen Teil der Entscheidung des Erstgerichts, verwies die Rekurswerberin auf diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es traf aus dem Akt folgende Feststellungen:
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 3. 7. 1997 wurde die Klägerrolle für den Erbrechtsstreit der erbserklärten Erbin Barbara P***** mit einer Frist von 6 Wochen zur Klagseinbringung zugewiesen (dieser Beschluß wurde ihrem Vertreter am 11. 7. 1997 zugestellt). Mit Schriftsatz vom 30. 7. 1997 beantragte sie unter Hinweis auf das von ihr gegen den Beschluß eingebrachte Rechtsmittel die Erstreckung dieser Frist. Mit Beschluß vom 5. 9. 1997 erstreckte das Erstgericht die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage auf 4 Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung über den Rekurs der Barbara P*****. Am 28. 10. 1997 hob das Rekursgericht unter anderem den Beschluß über die Zuteilung der Klägerrolle an die erbserklärte Erbin Barbara P***** auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf. Zwischenzeitig hat Barbara P***** am 22. 8. 1997 gegen Rosa K***** als Beklagte die Erbrechtsklage eingebracht. Diese hat sich im Erbrechtsstreit in die Verhandlung "eingelassen".
Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:
Mit ihrer am 22. 8. 1997 eingebrachten Klage stelle die Klägerin Barbara P***** gegenüber der Beklagten Rosa K***** das Begehren, es werde mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, daß das am 19. 7. 1996 errichtete schriftliche Testament der am 16. 11. 1996 verstorbenen Barbara R*****, welches mangels Einhaltung der Formvorschriften als mündliches Testament gelten solle, ungültig sei. Dabei handle es sich zweifellos um eine Erbrechtsklage, sohin um eine negative Feststellungsklage, die auf Feststellung des fehlenden Erbrechts der Beklagten gerichtet sei. Dem Erstgericht, das meine, die von Rosa K***** behauptete Streitanhängigkeit sei deshalb unbeachtlich, weil der Beschluß über die Annahme der Erbserklärung der Rosa K***** als nichtig behoben worden sei und deren präzisierte Erbserklärung erst mit dem angefochtenen Beschluß angenommen worden sei, sei nicht zu folgen. Die Präzisierung der Erbserklärung habe nur den Titel betroffen, welcher ohnehin austauschbar sei. Im übrigen sei die Annahme der (bereits zu Gericht abgegebenen) Erbserklärung keine Voraussetzung der Zulässigkeit der Erbrechtsklage.
Zu prüfen sei im vorliegenden Fall die Auswirkung einer vor Beschlußfassung über die Verteilung der Parteienrollen (§ 125 AußStrG) von einem der widerstreitenden Erbansprecher gegen den anderen bereits eingebrachten Erbrechtsklage. Die Motive für diese (vorzeitige) Klagsführung könnten dahingestellt bleiben, doch sei die Klage offensichtlich vorsichtsweise am letzten Tag der Frist des (noch nicht rechtskräftigen) Beschlusses eingebracht worden. Allerdings beginne die Frist zur Einbringung der Erbsrechtsklage erst mit Eintritt der Rechtskraft des Fristensetzungsbeschlusses zu laufen. Selbst das ungenützte Verstreichenlassen der Frist des (rechtskräftigen) Beschlusses habe keine materiell-rechtliche Wirkung, sodaß nur Unterliegen im Erbrechtsprozeß die spätere (nach Einantwortung) Erhebung der Erbschaftsklage ausschließe. Es könne sogar der auf den Prozeßweg Verwiesene nach Versäumung der Frist und bis zur Einantwortung noch immer die Erbrechtsklage erheben. Ziel des Erbrechtsstreits sei es, zwischen den Streitteilen zumindest für die Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens zu klären, wer Erbe und wem daher einzuantworten sei. Dem gleichen Ziel diene die abhandlungsgerichtliche Vorbereitung des Erbrechtsstreites, nämlich die Verteilung der Parteienrollen nach § 125 AußStrG. Zu klären sei daher neben der Zulässigkeit einer Klageerhebung vor rechtskräftiger Verteilung der Parteienrollen die Frage der Auswirkung auf ein folgendes Verfahren zur Verteilung der Parteienrollen nach § 125 AußStrG.
Unbestritten sei, daß ein Anerkenntnis des besseren Erbrechts des Gegners im Erbrechtsprozeß abgegeben werden könne. Nach einhelliger Judikatur und (fast) einhelliger Lehre sei eine abgegebene Erbserklärung ab Kenntnisnahme durch das Gericht und schon vor gerichtlicher Beschlußfassung unwiderruflich, ebenso daß ab diesem Zeitpunkt eine unbedingte nicht mehr in eine bedingte Erbserklärung umgewandelt werden könne. Klar sei, daß durch die Entscheidung im Erbrechtsprozeß eine der beiden abgegebenen Erbserklärungen "hinwegfalle", ebenso, daß im Erbrechtsprozeß das stärkere Erbrecht des Gegners anerkannt werden könne, wodurch wiederum die Erbserklärung des Anerkennenden (und damit die Haftungsfolgen) beseitigt sei. Lägen nun einander widersprechende Erbserklärungen vor und gelange einer der beiden streitenden Erbanwärter zur Ansicht, daß das Erbrecht des Gegners jedenfalls stärker sei als sein eigenes, so sei nicht einzusehen, daß der "Einsichtige" den im Erbrechtsprozeß durchaus möglichen Erfolg ohne weitere Kostenfolgen und ohne Zeitversäumnis für das Verlassenschaftsverfahren nicht schon früher dadurch eintreten lassen könne, daß er unter Anerkennung des stärkeren Erbrechtes des Gegners seine eigene Erbserklärung zurückziehe. Das Rekursgericht sei sich der Problematik dieser Rechtsansicht bewußt, insbesondere auch der gegenteiligen Judikatur, vermeine jedoch, daß unter dem oben umschriebenen eingeschränkten Aspekt es möglich sein müsse, unter gleichzeitiger Anerkennung des stärkeren Erbrechtes des Gegners die eigene Erbserklärung zurückzuziehen. Dies führe aber folgerichtig zum Entfall des Verfahrens nach § 125 AußStrG über die Verteilung der Parteienrollen. Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgte, sei die vorliegende Sache noch unter folgendem Aspekt zu betrachten:
Liege ein Übereinkommen der Widerstreiterben vor, so könne das Verfahren nach § 125 AußStrG entfallen. Zwar hätten die Parteien im vorliegenden Fall keine Vereinbarung dahin geschlossen, wer von ihnen alleine Erbe sein solle, doch sei die vorzeitige Einbringung der Erbrechtsklage durch Barbara P***** deshalb vergleichbar, weil Rosa K***** als Beklagte sich auf den Streit eingelassen, sich sohin mit der Übernahme der Klägerrolle durch Barbara P***** "abgefunden" habe.
Demnach habe ein Verfahren zur Zuteilung der Parteienrollen nach § 125 AußStrG dann nicht (mehr) stattzufinden, wenn 1) einer der widerstreitenden Erbanwärter unter gleichzeitiger Anerkennung des besseren Erbrechtes des Gegners seine eigene Erbserklärung zurückziehe, oder 2) die widerstreitenden Erbanwärter eine Vereinbarung dahin schlössen, wer von ihnen als Alleinerbe auftreten solle, aber auch 3) dann, wenn einer der beiden widerstreitenden Erbanwärter vorweg, vor Durchführung des Verfahrens zur Verteilung der Parteienrollen oder diesbezüglicher rechtskräftiger Beschlußfassung die Erbrechtsklage gegen den anderen einbringe und sich dieser in den Streit einlasse.
Aus Anlaß des zulässigen Rekurses sei somit Punkt 2) des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos zu beheben gewesen.
Da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu der hier zu lösenden Rechtsfrage bisher nicht vorliege, sei auszusprechen gewesen, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin Barbara P***** wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß Punkt 2 der erstgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werde.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, anders als bei Vorliegen eines Anerkenntnisses oder eines Übereinkommens der widerstreitenden Parteien fehle hier eine Einigung über deren Rechtspositionen. Die Einbringung einer Erbrechtsklage mache deutlich, daß sie das Erbrecht der gegnerischen Partei gerade bekämpfe. Da die von den erblasserischen Töchtern abgegebenen und zu Gericht angenommenen Erbserklärungen miteinander im Widerstreit lägen und sich aus dem Gesetz kein Ausnahmetatbestand ableiten lasse, habe das Abhandlungsgericht über die Zuteilung der Klägerrolle zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Das Verfahren bei einander widersprechenden Erbserklärungen ist in den §§ 125 ff AußStrG zwingend geregelt. Das Gericht hat alle formgerechten Erklärungen anzunehmen und nach Vernehmung der Parteien zu entscheiden, welcher Erbansprecher gegen den anderen als Erbrechtskläger aufzutreten hat; für die Klagsführung ist eine angemessene Frist zu bestimmen. Auf das Einverständnis eines Erbansprechers mit der Zuteilung der Klägerrolle an ihn kommt es hiebei nicht an (SZ 23/341). Die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage beginnt erst mit der Rechtskraft des Beschlusses zu laufen (SZ 32/23 = JBl 1959, 636).
Grundsätzlich steht den Beteiligten im Verlassenschaftsverfahren die Beschreitung des Rechtsweges nur zu, wenn sie vom Verlassenschaftsgericht - etwa gemäß den §§ 125 ff AußStrG - beschlußmäßig auf den Rechtsweg verwiesen werden (SZ 44/82 = RZ 1971, 195; Eccher in Schwimann2 § 799 ABGB Rz 30). Auch ein erbserklärter Erbe kann daher nicht willkürlich von sich aus einen Erbrechtsstreit einleiten. Tut er dies dennoch, liegt das amtswegig wahrzunehmende Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, was die Zurückweisung der Erbrechtsklage zur Folge hat (vgl SZ 44/82). Zwar wurde auch schon ausgesprochen, die Klagslegitimation sei aufgrund der vom Erbrechtskläger abgegebenen Erbserklärung gegeben, obwohl diese vom Gericht (scheinbar versehentlich) noch nicht angenommen worden war; dies allerdings nur im Zusammenhang mit der vom Abhandlungsgericht ausgesprochenen Verweisung auf den Rechtsweg (SZ 27/132).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus folgendes: Ausgehend von der irrigen Rechtsansicht, die vom Erstgericht gesetzte sechswöchige Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage beginne mit der Zustellung des Fristsetzungsbeschlusses (und nicht mit dessen Rechtskraft) zu laufen, hat die Rechtsmittelwerberin trotz Rekurserhebung zunächst einen entbehrlichen Fristerstreckungantrag gestellt und sodann mangels rechtskräftiger Zuweisung der Klägerrolle verfrüht die Erbrechtsklage eingebracht (inzwischen ist nach dem Vorbringen AS 113 Ruhen des Verfahrens eingetreten). Hiefür fehlt es aber an der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges. Dieses Prozeßhindernis ist vom Streitrichter amtswegig wahrzunehmen; ob sich die Beklagte in den Rechtsstreit "eingelassen" oder die prozessuale Zulässigkeit bekämpft hat, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 727, 1278). Da der Rechtsmittelwerberin bisher auch nachträglich die Klägerrolle vom Verlassenschaftsgericht nicht rechtskräftig zugewiesen wurde, ist derzeit auch eine Heilung des bei Klagseinbringung gegebenen Prozeßhindernisses nicht in Betracht zu ziehen (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 730). Ungeachtet der vorzeitigen Klagsführung der Rechtsmittelwerberin bedarf es daher - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - nach wie vor einer, den Rechtsweg erst eröffnenden (rechtskräftigen) Zuteilung der Parteirollen für den Erbrechtsstreit durch das Verlassenschaftsgericht, weshalb der Rekurs gegen die vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang vorgenommene Verteilung vom Rekursgericht meritorisch erledigt werden muß.
Dem Rekursgericht war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses eine neuerliche Entscheidung über diesen Rekurs aufzutragen. Einer Auseinandersetzung mit den weiteren, für die Entscheidung nicht wesentlichen Rechtsansichten des Rekursgerichts bedurfte es nicht mehr.
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