OGH 6Ob200/98z

OGH6Ob200/98z10.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Susanne B*****, vertreten durch Dr. Peter Knirsch und Dr. Johannes Gschaider, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,063.962,84 S (Revisionsinteresse 845.124,90 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. April 1998, GZ 16 R 172/97z-76, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte war Alleingesellschafterin einer überschuldeten GesellschaftmbH. Sie trat mit Abtretungsvertrag vom 28. 5. 1990 ihre Geschäftsanteile an die Rechtsvorgängerin der Klägerin ab. Als Entgelt wurde ein Betrag von 10 Mio S vereinbart, womit die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft abgedeckt und weiters die Hauptmietrechte am Geschäftslokal abgelöst werden sollten. Der Beklagten sollte nur der verbleibende Rest ausgezahlt werden. Die Parteien gingen von einer maximalen Überschuldung der Gesellschaft von 6 Mio S aus. Die Beklagte übernahm die Haftung (bei sonstiger Schad- und Klagloshaltung) dafür, daß die Schuldenlast der Gesellschaft nicht höher als 6 Mio S sei. Die Überschuldung sollte in "einer nach steuerlichen Grundsätzen buchmäßig zum 30. 6. 1990" zu erstellenden Bilanz festgestellt werden. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der Gesellschaft am 18. 6. 1990 ein Gesellschafterdarlehen von einer Mio S.

Die Klägerin stützt ihr Zahlungsbegehren auf die Abtretungsvereinbarung mit der verbundenen Haftungserklärung der Beklagten über die Schulden der Gesellschaft. Entgegen den Erwartungen habe sich eine bilanzmäßige Überschuldung von mehr als 13 Mio S ergeben.

Die Vorinstanzen gaben der Klage im Umfang von 845.124,90 S statt. Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob das von der Klägerin der Gesellschaft gegebene Darlehen in der Bilanz auf der Passivseite aufzuscheinen habe und ob es (daher) "überschuldungserhöhend" wirke. Die Beklagte releviert in ihrer außerordentlichen Revision, daß das Darlehen der klagenden Alleingesellschafterin eigenkapitalersetzenden Charakter habe, keine Verbindlichkeit der Gesellschaft darstelle und daher nicht in die Übernahmebilanz auf der Passivseite einzureihen sei. Das Berufungsgericht hätte nicht eine die Überschuldung erhöhende Rückzahlungsverpflichtung der Gesellschaft annehmen dürfen. Es habe zu diesem Thema auch die Beweislastregeln verletzt.

Die relevierten Rechtsfragen zur eigenkapitalersetzenden Gesellschafterfinanzierung sind im Ergebnis nicht entscheidungswesentlich und daher auch nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO:

Rechtliche Beurteilung

Nach den unstrittigen Feststellungen über die massive Überschuldung der Gesellschaft und den Grund der Darlehensgewährung (zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses) kann der Revisionswerberin durchaus zugestimmt werden, daß das in der Krise gewährte Darlehen der Alleingesellschafterin als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren ist, was nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (seit der Entscheidung SZ 64/53) zur Folge hat, daß das Darlehen im Insolvenzfall der Gesellschaft vom Gesellschafter nicht zurückverlangt werden kann, weil es in analoger Anwendung des § 74 GmbHG wie ein Gesellschafternachschuß zu behandeln ist (SZ 69/208 uva; vgl die Rechtsprechungsübersicht in Reich Rohrwig GmbHRecht2 Rz 2/329). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich aber auch, daß das Darlehen, das zunächst wie Eigenkapital einer Gesellschaft zu behandeln ist, nach Überwindung der Krise an den Gesellschafter zurückzuzahlen ist, es sei denn, der Gesellschafter hätte auf diese Zurückzahlung verzichtet. Auf welcher Seite der Bilanz ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen einzureihen ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Die Frage ist in der Lehre strittig (vgl die bei Reich Rohrwig aaO in Anm 251 zu Rz 2/373 angeführten widersprüchlichen Lehrmeinungen). Oberstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage fehlt. Für die Passivierungspflicht spricht die in Zukunft doch denkmögliche Rückzahlungspflicht der Gesellschaft, andererseits stellt das Darlehen auch Eigenkapital der Gesellschaft dar. Die Bilanzierungsfrage ist jedoch hier nicht entscheidend, weil es nicht um die Frage der Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft zur Klärung des status cridae und die Behandlung der Darlehungsforderung im Insolvenzfall geht, sondern um die Feststellung der Höhe der Überschuldung zu einem im Abtretungsvertrag bestimmten Zeitpunkt. Entscheidungswesentlich ist somit der nach den Umständen des Einzelfalls auszulegende Vertragswille der Parteien des Abtretungsvertrages. Das von den Vorinstanzen gefundene Auslegungsergebnis ist nicht zu beanstanden. Auch die Revisionswerberin bezweifelt nicht, daß das von der Klägerin gewährte Darlehen dann als "überschuldungserhöhend" zu werten wäre, wenn damit schon bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft bezahlt worden sein sollten. Die Klägerin hatte keinen Grund, ab Wirksamkeit der Abtretung und vor dem vereinbarten Stichtag für die Feststellung der Überschuldung durch Zahlungen die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten zu reduzieren und solcherart den Kaufpreis zu erhöhen. Aus dem vereinbarten Stichtag und mangels gegenteiliger Prozeßbehauptungen ist zu folgern, daß auch die im Juni 1990 aus der laufenden Geschäftstätigkeit der Gesellschaft sich ergebenden Verbindlichkeiten in die Überschuldungsbilanz aufzunehmen sind. Die Beklagte hatte die Haftung für den Stand der Überschuldung per 30. 6. 1990 in unbedingter Weise übernommen und keinerlei Vorbehalt gemacht. Auch wenn keine ausreichenden Feststellungen über die Verwendung des Darlehens getroffen wurden, ist die Sache spruchreif. Sollten Verbindlichkeiten bezahlt worden sein, müssen diese - auch nach Ansicht der Revisionswerberin - den zum Stichtag festgestellten Schulden zugerechnet werden. Sollte das Darlehen erst nach dem 30. 6. 1990 zur Schuldentilgung verwendet worden sein, hätte es bis dahin Eingang in die Bilanz auf der Aktivseite finden müssen (als Kassastand oder Guthaben bei der Bank), sodaß die von der Beklagten bekämpfte Aufnahme der Darlehenssumme in die Bilanz auf der Passivseite für die Ermittlung der Überschuldung völlig wertneutral wäre. Schon aufgrund dieser einfachen Überlegung erweist sich die Klagestattgebung als frei von Rechtsirrtum.

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