OGH 1Ob99/98k

OGH1Ob99/98k25.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Katrin B*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Herbert S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12.Jänner 1998, GZ 2 R 460/97z-100, womit dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5.November 1997, GZ 13 P 1764/95a-96, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurswerber ist seit 1.6.1994 verpflichtet, für seine außer der Ehe geborene Tochter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zu bezahlen. Seinen Antrag, den von ihm zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrag "auf der Basis der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse" herabzusetzen, wies das Erstgericht im wesentlichen mit der Begründung ab, dem Vater sei eine Erwerbstätigkeit in seinem erlernten Beruf zumutbar, das dann erzielbare Einkommen rechtfertige die Höhe des auferlegten Unterhalts.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. Es übernahm im wesentlichen die Begründung des Erstgerichtes.

Dagegen richtet sich der vom Erstgericht als "außerordentlicher Revisionsrekurs" gewertete Schriftsatz des Vaters, den das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Der zweitinstanzliche Beschluß wurde nach dem 31.12.1997 gefaßt, weshalb auf das Verfahren gemäß deren Art XXXIII Z 14 die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997, BGBl I 1997/140 (WGN 1997) anzuwenden ist. Gemäß § 14 Abs 3 AußStrG idF WGN 1997 ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 14a Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier - der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt S 260.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In einem derartigen Fall kann jedoch eine Partei nach § 14a Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung beim Erstgericht einzubringenden (§ 14a Abs 2 AußStrG) - Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, daß der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbinden ist, muß hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird (4 Ob 150/98g ua).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschluß des Rekursgerichtes dem Vater am 30.1.1998 zugestellt. Sein als "außerordentlicher Revisionsrekurs" gewerteter Schriftsatz trägt das Datum 20.2.1998 und langte am 6.3.1998 beim Erstgericht ein. Wenngleich das Postaufgabedatum nicht leserlich ist, wäre selbst, wenn man den 20.2.1998 als frühestmögliches Aufgabedatum gelten lassen wollte, die 14tägige Rekursfrist des § 11 Abs 1 AußStrG, die am 13.2.1998 geendet hätte bzw die Antragsfrist gemäß § 14a Abs 2 AußStrG bei weitem überschritten.

Wie bereits dargestellt, sind im Streitwertbereich des § 14a AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch gemäß § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 16 Abs 2 Z 2 AußStrG). Der Oberste Gerichtshof ist daher zumindest derzeit nicht zuständig, die Überschreitung der Rechtsmittel- bzw Antragsfrist wahrzunehmen.

Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG ist unter anderem ein Antrag nach § 14a Abs 1 AußStrG, mit dem ein ordentlicher Revisionsrekurs verbunden ist, vom Gericht erster Instanz, allenfalls vom Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen, wenn er aus einem anderen Grund als wegen des Fehlens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig ist. Gemäß § 16 Abs 2 AußStrG hat das Gericht erster Instanz unter anderem den Antrag nach § 14a Abs 1 AußStrG, mit dem ein ordentlicher Revisionsrekurs verbunden ist, in der dort beschriebenen Form vorzulegen, wenn es keinen Grund findet, den Antrag zurückzuweisen. Die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage (898 BlgNR 20.GP, 30) führen dazu aus, daß die Gerichte auch einen Antrag nach § 14a AußStrG (verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs) etwa dann zurückzuweisen haben, wenn dieser entweder verspätet ist oder der Antragsteller auf ein Rechtsmittel verzichtet hat. Damit kommt es aber zu einem - vom Gesetzgeber offenkundig nicht bedachten - Spannungsverhältnis zu § 11 Abs 2 AußStrG, wonach es dem Ermessen des Gerichtes überlassen bleibt, auch nach verstrichener Frist auf Rechtsmittel in denjenigen Fällen Rücksicht zu nehmen, wo sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt. Rekurse sind daher nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle in nichtstreitigen Rechtssachen auch nach Ablauf der Fristen von der ersten Instanz anzunehmen und der höheren Behörde vorzulegen. Zur Lösung dieser zumindest im Licht der Erläuternden Bemerkungen anzunehmenden Antinomie ist vorerst auf den im § 9 ABGB niedergelegten Grundsatz zurückzugreifen, daß das jüngere Gesetz dem älteren derogiert ("lex posterior derogat legi priori"). Allerdings kann nicht zweifelhaft sein, daß für die Behandlung verspäteter Rechtsmittel § 11 Abs 2 AußStrG gegenüber der Bestimmung des § 16 Abs 1 und Abs 2 AußStrG die speziellere Norm ist, weshalb es zu einer Kollision mit der weiteren Regel kommt, daß das speziellere Gesetz dem allgemeinen derogiere ("lex specialis derogat legi generali"). Hiezu ist vorerst darauf zu verweisen, daß das nachfolgende allgemeine Gesetz das ältere spezielle jedenfalls dann aufhebt, wenn das spätere Gesetz eine sogenannte Kodifikation ist, also eine beabsichtigte vollständige und abschließende Regelung eines ganzen Rechtsgebietes (SZ 52/186). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, weil es dem Gesetzgeber ausschließlich darum ging, durch teilweise Änderungen der Rechtsmittelzulässigkeit den Obersten Gerichtshof zu entlasten. Liegt aber eine Kodifikation nicht vor, ist die Frage der Weitergeltung der älteren speziellen Norm durch Auslegung zu lösen. Sinn der Bestimmung des § 11 Abs 2 AußStrG ist es, der Rechtsmittelinstanz die Möglichkeit zu eröffnen, in bestimmten Fällen, insbesondere wenn Dritte noch keine Rechte erworben haben (vgl 8 Ob 597/94; 1 Ob 553/88; 9 Ob 311/97v ua), auf verspätete Rechtsmittel Bedacht zu nehmen. Es kann dem Gesetzgeber der WGN nicht die Absicht unterstellt werden, diese eine Grundwertung des Außerstreitgesetzes wiederspiegelnde Bestimmung durch die Neufassung des § 16 AußStrG außer Kraft zu setzen oder dahin zu modifizieren, daß nunmehr das Erstgericht über die Berücksichtigung verspäteter Rechtsmittel zu entscheiden habe. Dem § 11 Abs 2 AußStrG ist daher durch die WGN 1997 auch dann nicht derogiert worden, wenn man im Sinne der Erläuternden Bemerkungen unter der in § 16 Abs 1 AußStrG genannten Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht nur dessen Statthaftigkeit, sondern auch die Rechtzeitigkeit (vgl Fasching LB2, Rz 1969 bis 1984) verstehen wollte.

Das Erstgericht wird daher den Akt dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen haben. Das Rekursgericht ist sodann zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß § 14a Abs 3 AußStrG berufen. Im Falle, daß es den Revisionsrekurs für zulässig erachtet, wird der Akt im vorgeschriebenen Weg an den Obersten Gerichtshof weiterzuleiten sein. Jedes andere Vorgehen würde einen Wertungswiderspruch zu jenen Fällen darstellen, in welchen bei einem S 260.000 übersteigenden Entscheidungsgegenstand oder, soweit dieser nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (§ 14 Abs 5 AußStrG), der außerordentliche Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorzulegen ist (§ 16 Abs 2 Z 3 AußStrG).

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