OGH 15Os111/98

OGH15Os111/982.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juli 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Köberl als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 3 b Vr 10783/96 anhängigen Strafsache gegen Elfriede A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 25. Mai 1998, AZ 23 Bs 181/98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Elfriede A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Elfriede A***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.März 1998, GZ 3 b Vr 10.783/96-103, des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB sowie der Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien

A/ am 21.Februar 1997 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Erich K***** die Barbara Z***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafes mit Erich K***** genötigt, indem sie Barbara Z***** mit ihren Händen im Rückenbereich niederdrückte, während Erich K*****, der sein Opfer zuvor durch Schläge und Tritte gegen den Körper bereits schwer verletzt, dann auf eine Couch geworfen und gewaltsam mit den Händen niedergedrückt hatte, mit Z***** von hinten einen Geschlechtsverkehr vollzog;

B/ versucht, fremde bewegliche Sachen Verfügungsberechtigten der Fa B***** mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

a) am 27.Juni 1992 zehn Paar Socken im Wert von 399 S und

b) am 28.März 1995 zwei Flaschen Whisky im Wert von 378 S;

C/ am 29.November 1993 eine fremde Sache, nämlich eine Flasche Inländerrum im Wert von 110 S des Edmund H***** zerstört, indem sie diese zu Boden warf;

D/ ab September 1992 betreffend ihre Kinder Manuela (geboren 23. August 1983) und Stefan (geboren 14.Juli 1985) M*****, nunmehr L*****, sowie ab November 1993 bezüglich Birgit M***** (geboren 9. April 1982) ihre im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der Erziehungsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem sie keine ausreichende Unterhaltszahlungen leistete und es unterließ, einem Erwerb nachzugehen, der er die Erfüllung dieser Unterhaltspflichten ermöglicht hätte.

Das Schöffengericht verhängte über sie unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem § 201 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.

Dieses Urteil ist im Strafausspruch nicht rechtskräftig, weil die Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben hat. Über die Nichtigkeitsbeschwerde wurde in einer Sitzung vom heutigen Tag entschieden.

Zu diesem Strafverfahren befindet sich die Beschwerdeführerin seit 22. November 1997 in Haft.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Oberlandesgericht Wien einer Haftbeschwerde der Elfriede A***** nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO an.

In der dagegen erhobenen Grundrechts- beschwerde wird behauptet, der dringende Tatverdacht zum Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB liege nicht mehr vor. Die Verurteilte habe einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung gestellt, daß die Hauptbelastungszeugin Barbara Z***** in der Hauptverhandlung eine falsche Aussage abgelegt habe. Dies ergebe sich daraus, daß die Zeugin Erika S*****, die Mutter der Angeklagten, vor dem Verhandlungssaal ein Gespräch der Zeugin Z***** hätte mithören können, wonach sich diese infolge der Schläge des gesondert verfolgten Erich K***** in Wahrheit an die danach stattgefundenen Vorfälle (Vergewaltigung) nicht mehr erinnern könne. Dessen ungeachtet habe sie als Zeugin die unter der Mittäterschaft der Angeklagten begangene Vergewaltigung geschildert. Da somit die Verurteilung Folge einer falschen Zeugenaussage gewesen sei, liege ein Wiederaufnahmegrund vor, es bestehe auch kein dringender Tatverdacht mehr zum Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB. Hinsichtlich der übrigen ihr angelasteten Vergehen sei eine länger als sechs Monate dauernde Untersuchungshaft nicht zulässig. Auf diese Umstände seien weder das Erst- noch das Beschwerdegericht eingegangen, hätten den dringenden Tatverdacht ausschließlich auf den Schuldspruch des Schöffengerichtes gestützt und seien deshalb zu einer falschen Lösung der Haftfrage gekommen. Dadurch sei die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit beeinträchtigt worden.

Diesem Vorbringen ist indes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Durch die Tatsache, daß ein Erkenntnisgericht einen Schuldspruch gefällt hat (der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Grundrechtsbeschwerde rechtskräftig ist), wird der dringende Tatverdacht ausreichend indiziert. Der hier von einem Schöffengericht zu einem Schuldspruch verdichtete Verdacht entspricht jedenfalls der vom Gesetz geforderten Dringlichkeit (Mayrhofer/E.Steininger GRBG § 2 Rz 39). Ob einer Aussage der Zeugin S***** im Sinne des Antragsvorbringens überhaupt und in welcher Intensität Beweiswert zukommen wird, hat das Erstgericht zunächst im Wiederaufnahmeverfahren, das nach dem Wortlaut des § 353 StPO erst nach Rechtskraft des betroffenen Urteils eingeleitet werden darf, und sodann allenfalls in einem zu erneuernden Verfahren zu prüfen. Im übrigen wäre es der Angeklagten durch Rückziehung ihrer Rechtsmittel möglich gewesen, eine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens sofort herbeizuführen. Solange aber eine Prüfung der bisher durch nichts verifizierten Antragsbehauptung nicht erfolgt ist, ist von dem auf dem Schuldspruch beruhenden dringenden Tatverdacht auszugehen.

Die Haftentscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz entspricht daher dem Gesetz und wurde Elfriede A***** hiedurch in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war demnach ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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