OGH 8ObA151/98h

OGH8ObA151/98h25.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Johann Siebenhandl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Gerhard S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH (vormals W***** GmbH), ***** vertreten durch Dr.Peter Kisler und DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert nach RAT S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.März 1998, GZ 8 Ra 35/98w-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.November 1997, GZ 8 Cga 298/95s-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1957 geborene Kläger war ab 1.8.1991 bei der beklagten Partei als Angebotsingenieur beschäftigt und wurde mit Schreiben vom 13.12.1995 zum 15.2.1996 gekündigt. Er hat drei Kinder, seine Ehefrau verdient monatlich S 15.000,-- netto. Bei der beklagten Partei verdiente der Kläger monatlich S 41.790,-- brutto. Seine monatliche Rückzahlungsrate für Hausbau beträgt rund S 18.800,--, die Versicherung des Hauses kostet monatlich S 2.400,--. Die monatlichen Lebenserhaltungskosten für die fünfköpfige Familie betragen rund S 27.000,--. Der Kläger hat seit Mai 1996 einen neuen Arbeitsplatz als Angebotsingenieur in Stockerau; er verdient monatlich S 36.734 brutto und ein Überstundenpauschale von S 3.266,-- monatlich. Die beklagte Partei zahlte einen Mittagsessenszuschuß in der Höhe von S 20,-- pro Anwesenheitstag, diese Sonderleistung gibt es bei dem neuen Arbeitgeber des Klägers nicht. Der Betriebsort des neuen Arbeitgebers ist vom Wohnort des Klägers 69 km entfernt, die Wegstrecke zur beklagten Partei betrug 16 km. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde der Kläger 2 Stunden Fahrtzeit zum neuen Arbeitgeber und ebenso lange für den Rückweg benötigen. Durch die Anschaffung eines PKW könnte diese Fahrtzeit annähernd halbiert werden.

Der Kläger focht die Kündigung mit der Begründung an, sie sei sozialwidrig.

Die im ersten Rechtsgang erfolgte und vom Berufungsgericht bestätigte Abweisung des Klagebegehrens wurde über Revision des Klägers aufgehoben. Im vom Erstgericht fortzusetzenden Verfahren sei die von der beklagten Partei behauptete betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung des Klägers gegenüber der sich durch das "Pendeln" ergebenden Beeinträchtigung seiner Interessen abzuwägen (8 ObA 153/97a).

Im zweiten Rechtsgang wurde ergänzend festgestellt, daß die durch die "Ostöffnung" (1989) erwartete Umsatzsteigerung, die unter anderem zur Einstellung des Klägers im Jahre 1991 führte, nicht eingetreten ist, weshalb dem durch die erhöhten Verkaufskosten bedingten Gewinnrückgang (von 8,5 Mio S im Jahr 1992 auf 0,5 Mio S im Jahr 1995) durch Personalreduktion in der Verkaufsabteilung für Osteuropa Rechnung getragen wurde.

Auf die insofern zutreffende Begründung der Berufungsentscheidung, die im Zuge dieser Personalreduktion erfolgte Kündigung des Klägers wiege durch ihre betriebswirtschaftliche Notwendigkeit die persönlichen Nachteile des Klägers auf, kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Allein die Redimensionierung der Verkaufsabteilung Osteuropa, für die der Kläger in Erwartung eines sich nach der Ostöffnung ergebenden gesteigerten Umsatzes aufgenommen worden war, ist ein erheblicher Kündigungsrechtfertigungsgrund, dem gegenüber die persönlichen Nachteile des Klägers durch das Pendeln bei im übrigen nahezu unverändertem Einkommen in den Hintergrund treten. Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung des Klägers wird gerade dadurch deutlich, daß die erwartete Ausweitung des Ostgeschäftes, die zur Einstellung des Klägers 1991 führte, enttäuscht wurde und zu einem erheblichen Rückgang des Gewinns führte, sodaß unter anderem die Kündigung des Klägers sich als taugliche Abhilfe anbot. Da die Personalreduktion bei der beklagten Partei nur im Bereich der Verkaufsabteilung für das Ostgeschäft erfolgte, ist ein anderer Arbeitsplatz im übrigen Bereich mit unveränderten Personalstand für den Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Im Fall des Klägers, der einen von seinem Wohnort entfernteren neuen Arbeitsplatz gefunden hat, ist unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ASVG nicht zu fordern, daß die beklagte Partei wirtschaftlich schädliche und gewinnmindernde Aufwendungen nur vornimmt, um dem Kläger die mit dem "Pendeln" verbundenen Nachteile (Freitzeitschmälerung und erhöhte Fahrtaufwendungen) zu ersparen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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