OGH 2Ob147/98a

OGH2Ob147/98a25.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin E*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Zink und andere Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagten Parteien 1. Horst Martin T*****, und 2. ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zahlung von S 2,570.336 sA und einer monatlichen Rente von S 12.723, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1997, GZ 4 R 173/97s-65, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.April 1997, GZ 15 Cg 400/93p-55, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die bezüglich des Zuspruchs eines Betrages von S 1,101.051,70 sA und der Abweisung eines Betrages von S 526.768,98 sA mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden im übrigen (also bezüglich des Zuspruchs eines Betrages von S 942.515,40 samt 4 % stufenweiser Zinsen und einer monatlichen Rente von S 12.723,-- sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung) aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Dem Kläger wurde bei einem vom Erstbeklagten allein verschuldeten Unfall am 5.5.1986 der linke Arm in der Mitte des Oberarmes abgetrennt. Das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug war bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversichert. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 30.6.1989 wurde die Haftung der beklagten Parteien für sämtliche Schadenersatzansprüche des Klägers aus diesem Unfall festgestellt, die Haftung der zweitbeklagten Versicherung allerdings beschränkt mit der am Unfallstag bestehenden Haftpflichtversicherung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Verdienstentgang für den Zeitraum ab 1.6.1986 in der Höhe von S 2,570.336 sA zuzüglich einer monatlichen Rente von S 12.723 ab 1.2.1997. Er brachte dazu vor, zum Unfallszeitpunkt als Bäckergeselle gearbeitet zu haben und kollektivvertraglich entlohnt worden zu sein. Aufgrund seiner Verletzungen habe er bei seinem früheren Arbeitgeber nicht mehr arbeiten können und habe auch sonst keine Arbeit als Bäcker gefunden. Da er gelernter Bäckermeister sei, könne von ihm nicht die Annahme jeder Tätigkeit verlangt werden, die ein Einhändiger an sich machen könne. So widerstrebe ihm jede Art von Bürotätigkeit, die in unglücklich mache. Er habe sich jahrelang um eine Beschäftigung, mit der er auch leben könne, bemüht und schließlich auch eine in der Landwirtschaft gefunden, wo er jedoch nur einen Teil der Arbeitsleistung eines Gesunden erbringen könne und daher entsprechend weniger verdiene.

Die beklagten Parteien wendeten ein, der Kläger sei seiner Verpflichtung zur Schadensminderung nicht nachgekommen. Unter Berücksichtigung seines Alters und der erlittenen Verletzung hätte er auf dem Arbeitsmarkt einen entsprechenden Posten finden können. Selbst wenn er seine bisherige Beschäftigung nicht mehr ausüben könne, wäre es ihm möglich, einer anderen angemessenen Beschäftigung nachzugehen, um jenen Betrag zu verdienen, der dem geltend gemachten Rentenbegehren entspreche. Es gebe eine Anzahl von Berufen, die er ausüben könne, es seien beim zuständigen Arbeitsamt im Zeitraum 1986 bis 1989 auch jeweils eine Stelle als Wachmann, Portier und Telefonist gesucht worden. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, den Beruf eines Umweltschutztechnikers bzw eines bautechnischen Zeichners zu erlernen. Es sei ihm vorzuhalten, daß er die ihm angebotene Ausbildung zu einem Umwelttechniker nicht abgeschlossen habe. Einen dadurch allenfalls versäumten Vorteil müsse er sich anrechnen lassen. Zu dem vom Kläger seit 1.9.1993 für seine Arbeit am Bauernhof seines Bruders erzielten Einkommen von 7.500 S netto sei noch als Naturallohn der Mietwert der von ihm im Zubau des Hofes kostenlos benutzten Wohnung hinzuzurechnen, eine Entlohnung von 7.500 S netto scheine für einen landwirtschaftlichen Arbeiter nicht angemessen. Sie hafteten auch nicht für die auf den gesamten erzielbaren Verdienst entfallende Steuer. Jene Verdienstentgangsansprüche, um die mehr als drei Jahre nach ihrer Entstehung ausgedehnt wurde, sowie der vom Kläger begehrte Ersatz an Einkommensteuer hinsichtlich des vor dem 7.7.1992 entstandenen Verdienstentganges seien verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens statt, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Zum Unfallszeitpunkt war der damals 20jährige Kläger als Bäckergeselle tätig. Während der Rehabilitationszeit legte er die Meisterprüfung ab. Aufgrund des Verlustes des linken Armes in der Mitte des Oberarms ist er nicht mehr in der Lage, diesen Beruf auszuüben. Er trägt zwar eine Armprothese, doch kann er der Belastung dieser Arbeit nicht mehr standhalten, er kann nur solche Arbeiten durchführen, bei denen primär seine rechte Hand zum Einsatz kommt und die linke nur zu allfälligen Hilfestellungen herangezogen werden muß. Er ist körperlich geeignet für die Tätigkeit als Aufsichtsorgan, Parkwächter, Portier, Arbeiter in einem Materiallager, sofern lediglich Aufzeichnungen zu machen sind, als leichte körperliche Arbeiten verrichtender Bürodiener, in einem größeren Betrieb tätiger Hauspostmann, Telefonist, Inkassant oder Platzanweiser in einem Veranstaltungszentrum.

Mit Bescheid vom 16.11.1987 wurde sein Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt, seine Klage blieb erfolglos.

Vom 3.8.1987 bis 3.2.1991 erhielt er Pensionsvorschüsse, die nach Ablehnung seines Pensionsansuchens als Notstandshilfe gewidmet wurden. Vom 4.2.1991 bis 14.6.1992 bezog er Notstandshilfe, nunmehr wurde durch das Arbeitsmarktservice (gemeint wohl: Arbeitsamt), wenngleich vergeblich, versucht, ihm eine Beschäftigung zu vermitteln. Es wurde ihm geraten, sich in einer geschützten Werkstätte zu bewerben, was er jedoch ablehnte. Aufgrund seiner Eignung wäre es ihm freigestanden, eine Ausbildung zum bautechnischen Zeichner zu absolvieren, doch entschied er sich gegen die Umschulung, weil er keine sitzende Tätigkeit ausüben wollte. Eine Stelle als Garderobiere in einer Diskothek in Kitzbühel lehnte er ab, weil es sich um eine Saisonstelle handelte und er davon ausging, daß er nach Wegfall der Arbeitsmarktförderung ohnedies wieder gekündigt werde.

Das Arbeitsmarktservice veranlaßte mehrere Inserateneinschaltungen, doch meldeten sich hierauf nur Arbeitgeber, die freie Mitarbeiter oder selbständige Arbeiter suchten. Lediglich die zweitbeklagte Partei bot eine Stelle eines Außendienstmitarbeiters an, welche der Kläger aufgrund des gegenständlichen Prozesses jedoch ablehnte. Er interessierte sich vornehmlich für eine Anstellung in seinem erlernten Beruf, bewarb sich aber auch erfolglos bei Erzeugern von Bäckereimaschinen um eine Vertretertätigkeit. Er hoffte, eine Tätigkeit zu finden, die im Freien ausgeübt wird, wobei er insbesondere an landwirtschaftliche Arbeiten oder Tätigkeiten im Bereich des Umweltschutzes dachte.

Am 1.9.1993 nahm der Kläger die Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Arbeiters in den landwirtschaftlichen Betrieben seines Bruders auf. Er erhält dafür monatlich netto 7.500 S, daneben geringfügige Naturalleistungen. Er bewohnt einen von ihm mit eigenen Mitteln sanierten Wohntrakt am Hof seines Bruders, wofür er kein Entgelt entrichtet. Aufgrund seiner Behinderung ist er nicht in der Lage, die Arbeitsleistung eines gesunden landwirtschaftlichen Arbeiters zu erbringen, seine Leistung ist im Vergleich zu einer gesunden Arbeitskraft mit nur 59 % zu bemessen. Hiefür wäre unter Zugrundelegung des Kollektivvertrages für Landarbeiter ein Lohn von 8.134 S netto monatlich angemessen.

Wäre es nicht zur unfallsbedingten Behinderung des Klägers gekommen, wäre er höchstwahrscheinlich als Bäckermeister beschäftigt gewesen und hätte aufgrund dieser Beschäftigung in der Zeit vom 1.6.1986 bis 31.12.1996 netto 2,091.733 S verdient. Tatsächlich bezog er in dieser Zeit um S 1,337.494,76 netto weniger.

Im Falle der Auszahlung eines Schadenersatzbetrages an den Kläger unterliegt der ausgezahlte Betrag der Einkommensteuerpflicht. Bei einem Betrag von 1,337.494,76 S entstünde eine Gesamtbesteuerung von S 1,397.349. Ein Anteil von 38.352 S pro Jahr entfiele auf die Lohnsteuer, welche insgesamt 115.056 S für drei Jahre ausmachte. Der Verdienstentgang von S 1,337.495 errechnet sich ausgehend von einem tatsächlichen Einkommen des Klägers als Landarbeiter in der Höhe von

7.500 S. Unter Hinzuzählung des genannten Steuerbetrages von S 1,397.349 und abzüglich der Lohnsteuer für die laufenden Bezüge in der Höhe von S 115.056 ergibt sich ein Betrag von S 2,619.788. Unter Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens als Landarbeiter in der Höhe von S 8.134 vermindert sich der Gesamtbetrag an Verdienstentgang und Besteuerung per 31.12.1996 um 49.452 S auf 2,570.336 S.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe gemäß § 1325 ABGB Anspruch auf den Ersatz des entgangenen und auch des künftig entgehenden Verdienstes. Bei der Berechnung des Verdienstentganges sei vom Nettoschaden auszugehen, Steuern und Abgaben, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen, seien erneut zu berücksichtigen; dann sei die Schadenersatzleistung so zu bemessen, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstandenen Abzüge dem Nettoschaden entspreche.

Der Beschädigte müsse nicht jeden beliebigen Erwerb ergreifen, er verletze seine Schadensminderungspflicht nur dann, wenn er schuldhaft einen ihm zumutbaren Erwerb ausschlage. Als gelernter Bäckergeselle mit Meisterprüfung könne er nicht zur Ausübung einer ohne weitere Vorkenntnisse durchzuführenden Tätigkeit verhalten werden. Ausgehend von den berechtigten Vorstellungen des Klägers, wonach er einen Beruf finden wolle, wo er sich im Freien aufhalten könne und keine sitzende Tätigkeit ausüben müsse, sei eine Umschulung zum Umwelttechniker nicht als zumutbar anzusehen. Bei der Berechnung des Verdienstentganges sei jener Gehalt heranzuziehen, den er als Bäckermeister verdient hätte. Davon sei jenes Einkommen abzuziehen, das seinem neuen Beruf als Landarbeiter angemessen sei, sohin S 8.134 netto pro Monat. Ausgehend davon sei dem Kläger ein Verdienstentgang bis 31.12.1996 von S 2,570.336 entstanden. Der Verjährungseinwand der beklagten Parteien sei unberechtigt, weil der Kläger ein Feststellungsbegehren gestellt habe.

Während der klagsabweisende Teil und der Zuspruch eines Betrages von S 1,101.051,70 (ohne Zinsen) in Rechtskraft erwuchsen, erhoben im übrigen die beklagten Parteien Berufung. Das Berufungsgericht gab diesem Rechtsmittel teilweise Folge und verurteilte die beklagten Parteien insgesamt zur Zahlung von S 2,043.567,02 samt Zinsen und einer monatlichen Rente von S 12.723,-- ab 1.2.1997, das Mehrbegehren auf Zahlung von S 526.768,98 sA wurde abgewiesen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für nicht zulässig.

Zur Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger führte das Berufungsgericht aus, eine solche sei anzunehmen, wenn der Schädiger den ihm obliegenden Beweis erbracht habe, daß der Geschädigte eine konkrete Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen habe, der Nachweis einer bloß abstrakten Möglichkeit, durch eine anderweitige Beschäftigung den Verdienstausfall zu verringern oder auszugleichen, reiche nicht aus. Der Geschädigte müsse nicht jede beliebige Erwerbsmöglichkeit ergreifen; nur wenn er einen ihm zumutbaren Erwerb ausschlage, müsse er sich das Entgangene anrechnen lassen. Nach diesen Grundsätzen sei auch zu beurteilen, ob dem Geschädigten eine Umschulung zuzumuten sei. Danach müsse ein in seinem erlernten Beruf arbeitsunfähig gewordener Verletzter eine zur Schadensminderung erforderliche Umschulung beginnen, wenn sie im Einzelfall zumutbar sei. Der Schädiger müsse also behaupten und beweisen, daß der Geschädigte seinen Verdienstentgang durch eine zu einer konkreten Erwerbsmöglichkeit führende Umschulung verringern hätte können. Dieser Behauptungs- und Beweispflicht seien die beklagten Parteien aber nicht nachgekommen. Sie hätten lediglich vorgebracht, es sei dem Kläger anzulasten, daß er die ihm gebotene Ausbildung zu einem Umwelttechniker nicht abgeschlossen habe, sie hätten aber keine konkrete Erwerbsmöglichkeit, die zu einer Verringerung oder einem Ausgleich des Verdienstausfalles geführt hätte, behauptet.

Das Bewohnen eines Wohntraktes durch den Kläger am Hof seines Bruders stelle sich als Ausfluß seines Miteigentumsrechtes an diesem Hof dar und nicht als unentgeltlicher Sachbezug, weshalb Naturalentgelt im Rahmen der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Helfer nicht angerechnet werden könne.

Zutreffend habe das Erstgericht auch ausgeführt, daß dem Verletzten soviel zu ersetzen sei, daß ihm jener Nettobetrag verbleibe, der ihm bei Weiterausübung der Beschäftigung verblieben wäre, insbesondere seien die vom Entschädigungsbetrag zu entrichtenden Steuern und Abgaben zu berücksichtigen. Das Begehren auf Ersatz eines Verdienstentganges von S 526.768,98 samt Zinsen erachtete das Berufungsgericht als verjährt.

Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig angesehen, weil die Entscheidung der gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche.

Dagegen (soweit der Berufung nicht zur Gänze Folge gegeben wurde) richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die zweite, allenfalls an die erste Instanz zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß sie (Beklagten) für schuldig erkannt werden, dem Kläger den Betrag von S 1,074.109,52 samt Anhang zu bezahlen und das Mehrbegehren von S 641.824,48 samt Zinsen abgewiesen wird; im übrigen, nämlich hinsichtlich der Zuerkennung einer monatlichen Rente von S 12.723, solle der Revision keine Folge gegeben, sondern das angefochtene Urteil bestätigt werden (?).

Der Kläger hat in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es keine Rechtsprechung zu der Frage gibt, ob der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er es ohne Begründung unterläßt, einer ihm vom Prozegegner angebotenen Beschäftigung nachzugehen; sie ist im Sinne ihres Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, der Kläger hätte sich das als Angestellter der zweitbeklagten Partei erzielbare Einkommen, das zu erhalten er schuldhaft abgelehnt habe, anrechnen lassen müssen. Damit wäre sowohl der Betrag des Verdienstentganges zu verringern als auch die Höhe der monatlichen Rente herabzusetzen gewesen.

Weiters hätte das Berufungsgericht die Steuerlast unrichtig berechnet. Schließlich sei es auch unrichtig, Zinsen vom Gesamtbetrag ab 21.2.1997 zuzusprechen, weil der zu bezahlende Steuerbetrag erst ab Veranlagung fällig werde.

Hiezu wurde erwogen:

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, muß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Verdienstentganges zwischen dem Fall der verbliebenen teilweisen Erwerbsunfähigkeit und dem der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im früheren Ausmaße unterschieden werden. Im ersten Fall müßte, um eine Verletzung der Schadensminderungspflicht annehmen zu können, der Schädiger den Nachweis erbringen, daß der Geschädigte eine konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ohne zureichende Gründe ausgeschlagen habe. Im zweiten Fall hingegen ist dem wiederhergestellten Verletzten zuzumuten, daß er sich um die Wiedererlangung des früheren oder eines gleichwertigen zumutbaren Arbeitsplatzes bemüht. Im Fall der Wiedererlangung der früheren Erwerbsfähigkeit wäre es unbillig, vom Schädiger zu verlangen, daß er den Geschädigten auf die allfällige Möglichkeit der Wiedererlangung des entsprechenden Arbeitsplatzes besonders hinweist (ZVR 1995/91; 2 Ob 77/95; 2 Ob 2285/96k ua; vgl Apathy, EKHG, Rz 22 zu § 13 mwN). Die Erwerbsfähigkeit ist beeinträchtigt, wenn der Verletzte (vorübergehend oder dauernd) in geringerem Ausmaß als vor dem Unfall oder gar nicht in der Lage ist, in einer seiner Ausbildung, seinen Anlagen und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen (Apathy, EKHG, Rz 9 zu § 13 mwN).

Da die Erwerbsfähigkeit des Klägers im vorliegenden Fall ohne Zweifel durch den Unfall beeinträchtigt wurde und es nach wie vor ist, müßten - wie schon oben ausgeführt - die Beklagten, um eine Verletzung der Schadensminderungspflicht annehmen zu können, den Nachweis erbringen, daß der Kläger eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ohne zureichende Gründe ausgeschlagen habe. Der Geschädigte, der den früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, ist aber nicht verpflichtet, jeden beliebigen Erwerb zu ergreifen, maßgebend ist, ob ihm die Ersatzbeschäftigung zugemutet werden kann (Harrer in Schwimann2, ABGB Rz 37 zu § 1325 mwN). Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (SZ 62/185; SZ 55/104; SZ 53/148 ua). Ist die konkret vom Schädiger angebotene Beschäftigung nicht offensichtlich unzumutbar, hat der Geschädigte darzutun, weshalb dies der Fall sein soll. Ob es a priori unter allen Umständen unzumutbar ist, eine Beschäftigung beim Schädiger anzunehmen, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls kann dies für den Haftpflichtversicherer des Halters nicht gesagt werden. Hier hat der Geschädigte konkrete Umstände darzutun, die es ihm unzumutbar machten, bei diesem eine Beschäftigung anzunehmen. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt nun eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger, weil ihm die zweitbeklagte Haftpflichtversicherung konkret die Stelle eines Außendienstmitarbeiters anbot, er sie jedoch lediglich aufgrund des gegenständlichen Prozesses (also wohl um den Verdienstentgang in voller Höhe weiterhin geltend zu machen), ablehnte.

Die beklagten Parteien haben zwar im Verfahren erster Instanz nicht ausdrücklich behauptet, daß die zweitbeklagte Partei dem Kläger eine Stelle als Außendienstmitarbeiter angeboten und er diese grundlos abgelehnt habe, doch finden die entsprechenden "überschießenden" Feststellungen im Rahmen der von ihr erhobenen Einwendungen der Verletzung der Schadensminderungspflicht Deckung und sind daher zu berücksichtigen (SZ 61/135; 1 Ob 2297/96t; RIS-Justiz RS004318; Rechberger in Rechberger, vor § 266 ZPO Rz 32 mwN). Diese Feststellungen wurden vom Kläger in der Berufungsbeantwortung auch nicht bekämpft, wozu er aber, wollte er sie nicht gegen sich gelten lassen, im Hinblick darauf, daß die Rechtslage vor der WGN 1997 maßgebend ist (Art XXXII Z 13 WGN 1997), verpflichtet gewesen wäre (EvBl 1997/80).

Im fortgesetzten Verfahren werden daher Feststellungen darüber zu treffen sein, welches Einkommen der Kläger als Außendienstmitarbeiter der zweitbeklagten Partei verdient hätte. Zur Frage der Berechnung des Verdienstentganges haben die Vorinstanzen bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß die Schadenersatzleistung so zu bemessen ist, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wiederentstehenden gesetzlichen Abzüge dem Nettoschaden entspricht (Apathy, EKHG Rz 11 zu § 13; Harrer in Schwimann2, ABGB Rz 59 zu § 1325; 2 Ob 68/95 mwN). Die vom Anspruchsberechtigten zu zahlenden Steuern stellen einen erstattungspflichtigen Teil des zu leistenden Schadenersatzes dar, die Fälligkeit dieser Steuern ist nicht Voraussetzung ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung des Schadenersatzanspruches (SZ 60/67; ZVR 1987/66; 2 Ob 68/95), weshalb die in der Revision vertretene Ansicht, Zinsen könnten erst ab Entrichtung der Steuer verlangt werden, nicht zutrifft.

Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfange der Anfechtung durch die beklagten Parteien aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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