Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Beide Streitteile betreiben das Bäckereigewerbe und beliefern mit ihren Waren (neben rund 60 weiteren Backwarenerzeugern) auch dieselben Filialen von zwei Supermarktketten. Die dabei verwendeten Transportkisten stehen im Eigentum des jeweiligen Unternehmens und sind durch entsprechende Aufschriften mit den Firmennamen unterscheidbar gekennzeichnet. Die angelieferte Ware wird von den Fahrern der Streitteile samt den Transportkisten den Mitarbeitern der Supermarktfilialen übergeben und erst später in die Verkaufsregale eingeschlichtet. Zug um Zug gegen Ablieferung der Frischware nehmen die Fahrer bereitgestellte Retourware für ihr Unternehmen, das an der Verpackung erkennbar ist, wieder zurück. Diese Retourware wird von den Mitarbeitern der Filialen jedoch nicht nur in den entsprechenden Transportkisten des jeweiligen Lieferanten bereitgehalten, sondern auch in Transportkisten anderer Backwarenerzeuger. Da die Fahrer der Beklagten daran interessiert sind, die Retourware so schnell wie möglich aufzuladen, um die Auslieferungstour fortsetzen zu können, und in den Auffangräumen der Filialen auch beträchtlicher Andrang und Platznot bestehen, nehmen sie immer wieder (entgegen einer ausdrücklichen Anweisung der Beklagten, Retourware nur in eigenen Gebinden zurückzunehmen) Retourware auch in der Klägerin gehörenden Transportkisten zurück, ohne sie in Kisten des eigenen Unternehmens umzuschlichten, zumal sie leere eigene Kisten infolge des beschränkten Platzangebotes in den Lieferwägen nicht mitführen. Solche Fremdgebinde bringen die Fahrer sodann am nächsten Tag (gefüllt mit eigener frischer Ware) wieder in die entsprechende Filiale zurück. Die Klägerin erleidet einen jährlichen Kistenschwund von ca. 11 % ihres Bestandes, die Beklagte einen solchen von bis zu 20 %.
Zur Sicherung eines Unterlassungsanspruches des Inhalts, die Beklagte sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr die Verwendung von Transportbehältnissen der Klägerin zu unterlassen, begehrt die Klägerin die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung. Die Beklagte finde nichts daran, fremdes Eigentum für eigene Zwecke zu verwenden und fördere durch diesen "Gebrauchsdiebstahl" ihren Absatz auf Kosten der Klägerin; sie erspare sich nämlich die Anschaffung weiterer eigener Transportbehältnisse und schädige die Klägerin durch den Entzug deren Eigentums. Das Verhalten der Beklagten schaffe auch einen irreführenden Eindruck über die Herkunft der angelieferten Backwaren.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Provisorialantrages. Sie wendet ein, daß sich die Verwendung von Fremdkisten niemals mit Sicherheit ausschließen lasse; die Ursache hiefür liege jedoch beim Personal der Verkaufsmärkte. Die Landesinnung erachte daher die Mitverwendung von Fremdkisten als branchenüblich. Von einer "Aneignung" fremder Kisten könne keine Rede sein. Es sei für die Fahrer der Beklagten unzumutbar, Retourware in fremden Kisten vor der Mitnahme umzuladen, da sie pro Liefertag bis zu 40 Kunden zu beliefern hätten und andere eigene Kisten wegen des beschränkten Platzbedarfes in den Lieferwägen nicht vorhanden seien. Jede Irreführung über den jeweiligen Hersteller sei im Hinblick auf die Verpackung der Ware ausgeschlossen.
Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Die Fahrer der Beklagten verhielten sich im Rahmen einer Branchenübung der gesamten Bäckereibranche; der Beklagten erwachse daraus kein Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern. Eine Irreführung von Konsumenten sei nicht möglich, da die Ware nicht aus den Transportgebinden heraus verkauft werde und überdies auf der Verpackung nach dem Hersteller gekennzeichnet sei. Die Klägerin besitze damit keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch; die Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung gem. § 381 EO infolge eines Eingriffs in das Eigentumsrecht der Klägerin lägen nicht vor.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000.- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Konstellation nicht vorliege. Ein schuldhafter Eingriff in fremde Eigentumsrechte verletze jedenfalls dann § 1 UWG, wenn sich der Unternehmer dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffe, was hier deshalb der Fall sei, weil ein normgerechtes Verhalten nur durch einen größeren Zeit- bzw. Personalaufwand zu erreichen sei. Davon, daß die Beklagte nur in ganz seltenen Einzelfällen unter dem Zwang der Umstände Transportkisten der Klägerin mitnehme und sich unter dem Zwang der Umstände keine andere Lösung finden lasse, könne keine Rede sein. Die bloße Berufung der Beklagten auf eine angebliche Branchenübung ändere an dieser Beurteilung nichts, zumal auch die Innung den Standpunkt vertrete, daß die regelmäßige Verwendung fremder Kisten keine von der überwiegenden Anzahl ihrer Mitglieder gepflogene bzw. gebilligte Übung sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt zusammengefaßt den Standpunkt, keinen schuldhaften Eingriff in fremde Eigentumsrechte iS einer aktiven Handlung begangen zu haben, es liege vielmehr überwiegend passives Verhalten vor, das noch dazu unmittelbare Folge einer vom Personal der Verkaufsmärkte vorgenommenen Handlung (Einschlichten der Retourware in nicht hiefür bestimmte Fremdkisten) sei. Die Beklagte habe keinen subjektiv vorwerfbaren Gesetzesverstoß zu verantworten, der die Wettbewerbslage zu ihren Gunsten beeinflusse. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (abgedruckt bei Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 719 § 33 Rz 93 FN 282, 284; zuletzt 4 Ob 1059/95 und RdW 1997, 599) begründet jeder dem Beklagten subjektiv vorwerfbare Gesetzesverstoß unabhängig davon, ob die verletzte Norm wettbewerbsregelnden Charakter hat, dann auch einen Verstoß gegen § 1 UWG, wenn er in der Absicht begangen wurde, im Wettbewerb einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen; diese Absicht ist bei einer Wettbewerbshandlung zu vermuten. Die konkrete Normverletzung muß dabei objektiv geeignet sein, den freien Leistungswettbewerb zu beeinträchtigen (Koppensteiner aaO FN 287; MR 1991, 120 - Campingplatz). Diese Rechtsprechung wird von Teilen der Lehre (Koppensteiner aaO Rz 99 ff mwN in FN 308) dahin kritisiert, daß nur bei der Verletzung von Vorschriften, die keine wettbewerbsrechtlichen Ziele verfolgen, darauf abgestellt werden solle, ob das Verhalten geeignet sei, dem Handelnden einen rechtswidrigen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen bzw. die Wettbewerbslage zu seinen Gunsten irgendwie nennenswert zu beeinflussen (vgl. dazu auch Baumbach/Hefermehl19 Rz 655 zu § 1 UWG), in allen anderen Fällen sei hingegen die Sittenwidrigkeit iS von § 1 UWG ohne weiteres zu bejahen. Die Absicht des Beklagten spiele dabei für die Berechtigung des Unterlassungsanspruchs ebensowenig eine Rolle wie die Frage, ob er schuldhaft gehandelt habe. Auf diese Kritik braucht aber hier nicht weiter eingegangen zu werden, bildet doch das Verhalten der Beklagten sowohl nach den von den zitierten Lehrmeinungen aufgestellten Beurteilungskriterien als auch nach jenen der hRsp eine taugliche Grundlage des auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruches der Klägerin.
Nicht zu erkennen ist zunächst, weshalb - nach der Argumentation der Revisionsrekurswerberin - der beanstandete Sachverhalt nicht als aktive Handlung zu werten sein sollte: Transportkisten der Klägerin werden den Fahrern der Beklagten ja nicht aufgezwungen, sondern von diesen bewußt und in Kenntnis des Fremdeigentums mitgenommen. Der Verweis der Beklagten auf gleichartiges Verhalten Dritter geht schon deshalb ins Leere, weil sich eine Rechtfertigung ihres Verhaltens nicht mit Erfolg aus einer angeblichen Branchenübung ableiten läßt:
Mißbräuche können nämlich nicht als Maßstab des Zulässigen dienen (ÖBl 1977, 167 - Grabsteinwerbung mwN); ein Rechtsbruch ist auch dann sittenwidrig, wenn der überwiegende Teil der Mitbewerber dieselbe Vorschrift gleichfalls mißachtet (ÖBl 1991, 67 - Bankfeiertag).
Darüber hinaus zeigt gerade das Beispiel der Klägerin, gegen die ein gleichlautender Vorwurf nicht erhoben worden ist, daß es weder unzumutbar, noch undurchführbar oder gar wirtschaftlich unmöglich wäre, die Auslieferungsorganisation eines Backwarenunternehmens derart zu gestalten, daß Eingriffe in fremde Eigentumsrechte an Transportgebinden unterbleiben. Das Rekursgericht und die Klägerin haben in diesem Zusammenhang zutreffend dargelegt, daß ja jeweils nur ein Bruchteil der am Vortag gelieferten Ware als Retourware wieder zurückgenommen wird, weshalb für die Rücknahme auch nur ein geringerer Raumbedarf erforderlich ist als für die Anlieferung. Damit kann ein Umfüllen unrichtig eingeordneter Retourware in leere eigene Transportgebinde (die ja in den Filialen infolge der Anlieferung vom Vortag zur Verfügung stehen müssen) nicht am Kistenmangel oder am nicht ausreichenden Transportraum scheitern, wie dies die Beklagte darzustellen versucht. Erfolgt allerdings - wie bei der Beklagten üblich - bereits die Anlieferung frischer Ware zu einem wesentlichen Teil (als "Kistenretourware") in fremden Transportkisten, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Filialmitarbeiter nicht ausreichend Transportgebinde der Beklagten zum Einschlichten der Retourware vorfinden.
In dem in EvBl 1989/100 entschiedenen Fall eignete sich ein Frächter Altpapier aus von einem Mitbewerber aufgestellten Sammelbehältern an; der die Bejahung eines Unterlassungsanspruches begründende Wettbewerbsvorteil wurde bei diesem Sachverhalt darin erblickt, daß sich der Beklagte gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern ersparte, eigene Behälter aufzustellen oder fremden Aufstellern ein Entgelt für die Entleerung deren Sammelbehälter zu zahlen. Im vorliegenden Fall ist der Beklagten zwar kein Diebstahl, aber eine vorübergehende Sachentziehung und damit ebenfalls ein Eingriff in fremde Eigentumsrechte vorzuwerfen; wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, erspart sich die Beklagte mit ihrer Vorgangsweise, eine entsprechende Anzahl von Transportbehältern selbst anzuschaffen bzw. einen erhöhten Manipulationsaufwand durch Umfüllen unrichtig sortierter Retourware zu tragen, wodurch sich jedenfalls die Kostenstruktur ihres Unternehmens zu Lasten der gesetzestreuen Mitbewerber verbessert.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Gesetzesverletzung gegen § 1 UWG verstößt, kommt es nach der Rechtsprechung vor allem darauf an, ob die Auffassung der Beklagten über den Umfang ihrer Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann; nur wenn das zutrifft, kann diese Auslegung der gesetzlichen Vorschrift und die darauf beruhende Tätigkeit der Beklagten nicht mehr als sittenwidrige Handlung angesehen werden (SZ 56/2 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1992, 268 - Naturfreunde - mwN; ÖBl 1995, 110 - Zukauf von Wein; ÖBl 1996, 118 - Gleitschirmschule; RdW 1997, 599). Daß die regelmäßige (wenn auch nur vorübergehende) Nutzung fremder Transportkisten ohne Einwilligung des Eigentümers zulässig sei, kann nun aber nicht ernsthaft als rechtmäßig vertreten werden und stellt damit eine nicht vertretbare Rechtsauslegung dar. Die auf einem Organisationsmangel beruhende Gesetzesverletzung, welche abzustellen die Beklagte offensichtlich mit den bisherigen (unzureichenden) Vorkehrungen nicht in der Lage war, ist ihr daher auch subjektiv vorwerfbar (vgl. ÖBl 1996, 88 - Knoblauchkapseln).
Dem Revisionsrekurs konnte deshalb kein Erfolg beschieden sein.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.
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