OGH 2Ob91/98s

OGH2Ob91/98s20.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Rohrer und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernesto S*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Rudolf K*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Grosch & Partner in Kitzbühel, wegen S 811.118,12 sA und Feststellung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10.Dezember 1997, GZ 3 R 183/97d-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28.Juli 1997, GZ 8 Cg 1175/92-30, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

a) Das angefochtene Urteil wird, soweit darin über den mit Schriftsatz der klagenden Partei vom 27.5.1997 (ON 28) geltend gemachten Teil der Klagsforderung dem Grunde nach abgesprochen wird, aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.

Die diesbezüglichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

b) Im übrigen wird das angefochtene Urteil als Teil- und Zwischenurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 30.1.1992 ereignete sich im Gebiet der Gemeinde Ischgl im Bereich der Gampenbahn-Talstation auf einer sogenannten Schibrücke ein Schiunfall, an welchem die Streitteile - beide sind in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige - als Schifahrer beteiligt waren. Die Schibrücke ermöglicht Schifahrern ein Überwechseln von der Schipiste Nr 40 zur Schipiste Nr 38 und umgekehrt. Der Kläger hat sich vor dem Unfall der Schibrücke von der Schipiste Nr 38 genähert, während der Beklagte auf der Schipiste Nr 40 auf die Schibrücke zugefahren war. Auf dieser kam es zu einem Zusammenstoß der Streitteile, wodurch beide am Körper verletzt wurden.

Mit der am 2.10.1992 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von S 320.000 sA (hievon S 300.000 an Schmerzengeld und S 20.000 zur Abgeltung eines in dieser Höhe behaupteten Verdienstentganges) sowie die mit S 100.000 bewertete Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem vorgenannten Schiunfall. Mit einem dem Erstgericht am 28.5.1997 überreichten vorbereitenden Schriftsatz (ON 28), welcher in der Streitverhandlungstagsatzung vom 3.6.1997 vorgetragen wurde (AS 227), hat der Kläger das Schmerzengeldbegehren um S 300.000 und das Begehren auf Ersatz eines Verdienstentganges um S 83.248 ausgedehnt und überdies ein Begehren auf Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 107.870,12 erhoben, woraus sich eine Ausdehnung des Zahlungsbegehrens auf insgesamt S 811.118,12 sA ergab. Jener Teil des Klagebegehrens, um welchen mit dem vorerwähnten Schriftsatz ausgedehnt wurde, betraf - nach dem Vorbringen des Klägers - teilweise vor dem Tag der seinerzeitigen Klagseinbringung (2.10.1992) entstandene Schäden.

Zur Begründung des Klagebegehrens brachte der Kläger zusammengefaßt vor, er habe sich - von der Schipiste Nr 38 kommend - auf der Schibrücke - in seiner Gehrichtung gesehen - entlang des rechtsseitigen Brückengeländers langsam und mit den Schistöcken anschiebend bergwärts bewegt, als er von dem aus der Gegenrichtung mit hoher Geschwindigkeit herankommenden Beklagten, welcher wegen seiner hohen Fahrgeschwindigkeit nicht in der Lage gewesen sei, seine Fahrlinie zu kontrollieren, niedergestoßen worden sei, obwohl dem Beklagten eine Druchfahrtsbreite von etwa 7,5 m zur Verfügung gestanden wäre; der in diesem Rechtsstreit beigezogene Sachverständige habe den Unfallshergang im Sinne der von ihm dargelegten Variante 1 zutreffend rekonstruiert.

Der Beklagte wendete ein, ihn treffe kein Verschulden; der Unfall sei für ihn unvermeidbar gewesen. Während er mit angemessenem Tempo in beherrschter Fahrweise auf die Schibrücke zugefahren sei, sei der Kläger auf diese aus der Gegenrichtung kommend eingefahren, worauf es auf der Brücke aus nicht klärbarer Ursache zum Zusammenstoß gekommen sei; wegen der erlittenen Verletzungen habe er jede Erinnerung an den Unfall verloren; die Ursache des Zusammenstoßes könne darin gelegen gewesen sein, daß der Kläger sich unvorhersehbar in seine (des Beklagten) Fahrlinie bewegt oder daß er selbst verkantet oder daß sich seine Schibindung ungewollt geöffnet oder daß sich ein Hindernis (etwa ein Stein) auf der Piste befunden habe; es käme aber auch jede andere mögliche vergleichbare Ursache in Betracht; das Zahlungsbegehren sei jedenfalls im Umfang der Ausdehnung wegen Verjährung unbegründet.

Nach Einschränkung der Verhandlung auf die Prüfung des Grundes des vom Kläger erhobenen Anspruches (AS 21) hat das Erstgericht - im zweiten Rechtsgang - zu Recht erkannt, daß "das ausgedehnte Zahlungsbegehren....dem Grunde mit 100 % zu Recht" bestehe. Zugleich entschied das Erstgericht über das Feststellungsbegehren im Sinne der Klage. Es ging hiebei - nach einer ausführlichen Beschreibung der örtlichen Verhältnisse - im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Für den auf der Piste 40 abfahrenden Beklagten war Sicht auf die eingangs erwähnte (ca 8 m breite) Schibrücke aus ca 150 m gegeben. Während die Abfahrt 38 in Fallinie von Ost nach West in die Abfahrt 40 einmündete, verlief die Abfahrt 40 von Süd nach Nord in diesem Einmündungsbereich richtungswahrend (T-Kreuzung). Die Abfahrt 40 verlief aber, bevor der Rechtsbogen auf die Schibrücke hin begann, auch in die Falllinie. Wurde dieser über 100 m lange Rechtsbogen auf die Schibrücke zu vom Beklagten in Schuß genommen, konnte er eingangs der Schibrücke Geschwindigkeiten von über 50 km/h erreichen. Eine ähnlich große Geschwindigkeit konnte der Kläger erreichen, wenn er im unteren Bereich der Abfahrt 38 im Schuß schräg nach unten über den dortigen freien Schiraum auf das nördliche Ende der Brücke zufuhr, um dann im Schwung über die Brücke und möglichst nahe - ohne mit den Stöcken schieben zu müssen - an sein Ziel heranzukommen. Der letzte Steilhang, den die Abfahrt 38 in Fallinie überwindet, hat nämlich ein Gefälle von ca 25 bis 27 Grad. Auch bei einer weniger steil angelegten Abfahrtslinie konnten auf das nördliche Brückenende zu Geschwindigkeiten von ca 40 bis 50 km/h erreicht werden. Tatsächlich stieß der Beklagte mit mindestens 40 km/h gegen den möglicherweise - wegen der Unfallsgefahr - gerade innehaltenden Kläger. Der Beklagte war ein ausgezeichneter Schifahrer. Wo er letztmalig vor dem Unfall anhielt, ist nicht erwiesen. Den vorgenannten Rechtsbogen auf die Schibrücke zu fuhr er großteils im Schuß. Der Kläger hatte die Abfahrt 38 zusammen mit einem Bekannten benutzt. Beide wollten mit einem Schidoo von der Talstation der Gampenbahn Richtung Heidelberger Hütte fahren. Entgegen ihrer Erwartung wartete aber der Schidoo mit dem Hüttenwirt auf einem anderen Platz, was der Bekannte des Klägers noch im letzten Steilhang vor der Einmündung der Abfahrt 38 in die Abfahrt 40 wahrnahm, weshalb er - in den freien Schiraum überwechselnd - zur Brücke hin abkürzte. Der Kläger folgte ihm. Sein Fahrkönnen war gut. Die Geländekupierung im Bereich zwischen Abfahrt 38 und 40 ist nicht erwiesen. Der Kläger fuhr in teilweise nicht angefahrenem Schnee zunächst in Bögen auf die Schibrücke zu. Dann wechselte er auf Schußfahrt schräg nach unten auf das nördliche Ende der Schibrücke zu. Welche genaue Fahrlinie er dabei einhielt, kann nicht festgestellt werden. Möglich ist, daß er aus der Schrägfahrt auf den letzten Metern vor der Brücke noch soviel Schwung hatte, daß er den kleinen Absatz nördlich der Brücke hinaufkam, ohne mit den Stöcken anzuschieben. Möglich ist aber auch, daß er im Grätschschritt auf die Schibrücke hochstieg. Die Kollision der Streitteile selbst ereignete sich in der Nähe der Südwestecke der Brücke. Der Kläger bewegte sich am dortigen talwärtigen Pistenrand der Abfahrt 40, indem er - nach wie vor auf den Schiern stehend - mit den Stöcken anschob. Sein Bekannter war im Zeitpunkt der Kollision ein paar Meter vor ihm schon südlich der Schibrücke. Unmittelbar vor dem Beklagten waren keine Schifahrer auf der Piste 40 talwärts Richtung Schibrücke gefahren. Wo sich genau der Kläger im Bereich der Schibrücke befand, als der Beklagte zu jener Fahrt, auf der dann der Unfall passierte, losfuhr, ist nicht erwiesen. Jedenfalls war der Kläger für den Beklagten als Hindernis im Brückenbereich erkennbar. Im Eingangsbereich der Schibrücke verlor der Beklagte aus nicht klärbarer Ursache die Herrschaft über seine Schier und stieß frontal gegen den Kläger, welcher keinerlei Abwehrchance hatte. Hätte der Beklagte seine ursprüngliche Fahrlinie beibehalten, hätte er die obere - östliche - Hälfte der durch die Schibücke gebildeten Engstelle befahren und es hätte dann keinerlei Kontakt zum Kläger, welcher nahe des - westlichen - Holzlattenzaunes war, ergeben. Die primäre Kollision der beiden Schifahrer erfolgte mit den Köpfen, wobei der Beklagte mitten in das Gesicht des Klägers prallte. Während der Beklagte eher leichte Verletzungen erlitt, wurde der Kläger schwer verletzt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, den Beklagten treffe das Alleinverschulden, weil er in die durch die Schibrücke bewirkte Engstelle der Schipiste mit überhöhter Fahrgeschwindigkeit eingefahren sei, obwohl sich auf der Schibrücke - wenn auch nahe dem talseitigen Brückengeländer stehend - der Kläger aufgehalten habe; wenn auch ein Verkanten des Beklagten als Ursache des Unfalles nicht ausgeschlossen werden könne, sei dem Beklagten jedenfalls die Wahl einer im Hinblick auf die Schibrücke überhöhten Fahrgeschwindigkeit als einleitende Fahrlässigkeit anzulasten, zumal er den ihm obliegenden Beweis, das durch seine überhöhte Fahrgeschwindigkeit geschaffene Risiko durch besondere Aufmerksamkeit ausgeglichen zu haben, nicht erbracht habe; den Kläger treffe kein Mitverschulden, weil er sich "ziemlich äußerst rechts im Bereich der Schibrücke" befunden habe; wegen des mit der Klage verbundenen Feststellungsbegehrens sei auch der vom Beklagten erhobene Verjährungseinwand unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es mit Teilurteil die Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Schiunfall feststellte und mit Zwischenurteil das Klagebegehren hinsichtlich des mit der Klage geltend gemachten Betrages von S 320.000 sA dem Grunde nach ebenso als zur Gänze zu Recht bestehend erkannte wie jene mit vorbereitendem Schriftsatz des Klägers vom 27.5.1997 (ON 28) überdies geltend gemachte Klagsforderung, diese jedoch nur insoweit, als sie nach dem 2.10.1992 (Tag der Klagseinbringung) entstandene sowie dem Kläger erst nach diesem Tag bekanntgewordene Schäden betrifft, während das auf S 811.118,12 sA ausgedehnte Klagebegehren im übrigen dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes auch hinsichtlich des mit Teilurteil erledigten Teiles des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es verwarf die Sachverhaltsrüge des Beklagten und führte zur Rechtsrüge nach Begründung der Anwendbarkeit österreichischen Rechts im wesentlichen folgendes aus:

Auch wenn die sogenannten FIS-Regeln für Schifahrer nicht als Rechtsnormen zu beurteilen seien, seien sie doch als für die Ausübung des Schisportes maßgebliche Verhaltensregeln allgemein anerkannt und es entspräche insbesondere die FIS-Regel Nr 1, wonach sich jeder Schifahrer so verhalten müsse, daß er keinen anderen gefährde oder schädige, den sich aus den §§ 1295 ff ABGB ergebenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Hieraus folge auch die allgemeine Verpflichtung jedes Schifahrers, seine Fahrgeschwindigkeit nicht nur seinem Können, sondern auch den Pistenverhältnissen und dem Verhalten der übrigen Pistenbenutzer derart anzupassen, daß er vor solchen rechtzeitig anhalten oder vor ihnen ausweichen könne, um jegliche Gefährdung oder Schädigung anderer Pistenbenutzer zu vermeiden. Gerade eine den Pistenverhältnissen und dem Verhalten anderer Pistenbenutzer nicht angepaßte überhöhte Fahrgeschwindigkeit eines Schifahrers sei eine der häufigsten Ursachen von Zusammenstößen zweier Schifahrer. Hervorzuheben sei auch, daß jeder auf einer Schipiste abfahrende Schifahrer zur Vermeidung einer Gefährdung oder Schädigung vor ihm befindlicher Pistenbenützer auf Sicht fahren müsse. Hier habe der Brückenbereich eine Engstelle der vom Beklagten benützten Schiabfahrt 40 gebildet, weshalb der Beklagte bei Annäherung an den Brückenbereich zur Wahl einer Fahrgeschwindigkeit gehalten gewesen wäre, welche es ihm ermöglicht hätte, die Brücke ohne Gefährdung des ihm auf dieser entgegenkommenden Klägers zu passieren. Gegen dieses Gebot habe er durch die Wahl der festgestellten Annäherungsgeschwindigkeit von zumindest 40 km/h verstoßen, welche unter Bedachtnahme auf die erwähnte Engstelle und den darin entgegenkommenden Kläger als erheblich überhöht zu beurteilen sei. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß den Beklagten jedenfalls eine den Schiunfall einleitende Fahrlässigkeit aus der Wahl einer unangemessenen überhöhten Fahrgeschwindigkeit treffe. Dieses Fehlverhalten begründe auch einen ausreichenden Anschein der Kausalität, zumal der Beklagte, welcher den Kläger niedergestoßen habe, keinen konkreten Umstand habe darlegen können, welcher den aus dem festgestellten Unfallsverlauf und der vom Beklagten eingehaltenen überhöhten Fahrgeschwindigkeit naheliegenden Schluß, daß der Unfall Folge der überhöhten Fahrgeschwindigkeit des Beklagten und/oder eines Aufmerksamkeitsfehlers des Beklagten gewesen sei, entkräften habe können. Das Erstgericht habe seiner Entscheidung sohin zutreffend ein Verschulden des Beklagten - jedenfalls aus der Wahl einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit bei Annäherung an den Brückenbereich - unterstellt.

Der vom Beklagten aufrechterhaltene Mitverschuldenseinwand sei unberechtigt. Dem Beklagten sei zwar darin zuzustimmen, daß der Kläger wegen der Engstelle und aufgrund des Umstandes, daß er sich entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung der die Brücke benützenden Schifahrer bewegt habe, zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen sei. Dieser Verpflichtung habe er aber ausreichend dadurch Rechnung getragen, daß er eine Bewegungslinie nahe dem talseitigen Brückengeländer gewählt habe. Diese hätte es dem Beklagten bei angepaßter Fahrgeschwindigkeit und gehöriger Aufmerksamkeit leicht ermöglicht, die Brücke kollisionsfrei zu passieren.

Gemäß § 1489 ABGB sei jede Entschädigungsklage in drei Jahren vor der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt geworden seien. Nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beginne diese kurze Verjährung von Ersatzansprüchen nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Diese Entscheidung eines verstärkten Senates sei jedoch nur auf den Fall eines sogenannten Primärschadens uneingeschränkt anwendbar. Einer Verjährung des Anspruches auf Ersatz eines zeitlich gedehnt eintretenden Schadens sowie des Folgeschadens könne durch Klage auf Feststellung der Haftung des Schädigers für alle künftigen Schäden des Geschädigten vorgebeugt werden. Der der Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechts verbiete es, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dem Entstehen beginnen zu lassen; sei ein, wenngleich der Höhe nach noch nicht bezifferbarer, Schaden einmal eingetreten, so seien damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und sei dieser dem Grunde nach entstanden. Der Geschädigte habe daher der drohenden Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden dann, wenn ihm schon ein primärer Schaden entstanden sei, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen. In dieser Rechtsprechung sei die Meinung, der Schadenersatzanspruch werde wie jeder einzelne Folgeschaden erst mit dem Schadenseintritt existent und mittels Leistungsklage durchsetzbar, weshalb bei einem zeitlich gedehnten Schaden jeder Teilschade mit dessen Kenntnis durch den Geschädigten eine besondere Frist in Gang setze, abgelehnt worden. Aus dieser Rechtsprechung erscheine aber nicht ableitbar, daß eine Feststellungsklage im Fall mehrerer ihrer Art nach verschiedener Schäden aus einem Schadensereignis eine Verjährung des Ersatzanspruches auch für jene Schäden verhindere, welche bei Einbringung der Feststellungsklage bereits eingetreten und dem Geschädigten bekannt seien. Zur Durchsetzung seines Anspruches auf Ersatz derartiger Schäden stehe dem Geschädigten die Leistungsklage offen, so daß ein Begehren auf Feststellung der Haftung des Schädigers für derartige Schäden als unzulässig zu beurteilen wäre. Demgemäß umfasse eine zulässige Haftungsfeststellungsklage lediglich eine Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden des Geschädigten.

Hier habe der Kläger mit der am 2.10.1992 beim Erstgericht eingebrachten Klage Zahlung von S 320.000 sA (hievon S 300.000 an Schmerzengeld und S 20.000 zum Ersatz eines Verdienstentgangs) sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihm für alle Spät- und Dauerfolgen aus dem strittigen Schiunfall zu haften habe. Mit dem dem Erstgericht am 28.5.1997 überreichten vorbereitenden Schriftsatz habe der Kläger das Zahlungsbegehren um ein weiteres Schmerzengeldbegehren in der Höhe von S 300.000 und um das Begehren auf Ersatz eines Verdienstentgangs von S 83.248 ausgedehnt und überdies ein Begehren auf Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 107.870,12 erhoben, wobei jener Teil des Klagebegehrens, um welchen mit dem erwähnten Schriftsatz ausgedehnt worden sei, schon nach dem Vorbringen des Klägers teilweise vor dem Tag der seinerzeitigen Klagseinbringung (2.10.1992) entstandene und dem Kläger bekanntgewordene Schäden betroffen habe. Der Verjährungseinwand des Beklagten sei sohin hinsichtlich jener Schäden, welche bis zum 2.10.1992 eingetreten, bis zu dieser Zeit dem Kläger bekannt geworden und nicht vom Zahlungsbegehren der Beklagten umfaßt seien, berechtigt. Insoweit sei der gegen das Zwischenurteil ankämpfenden Berufung Folge zu geben. Eine Verjährung des Anspruchs des Klägers auf Ersatz jener Schäden, welche nach der Feststellungsklage eingetreten und ihm bekannt geworden seien, sei durch die Feststellungsklage verhindert worden, so daß der Verjährungseinwand des Beklagten insoweit nicht berechtigt sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob und inwieweit im Falle mehrerer ihrer Art nach verschiedener Schäden aus einem Schadensereignis sowie im Falle eines zeitlich gedehnten Schadensverlaufes eine nach Eintritt eines Primärschadens eingebrachte Klage auf Feststellung der Haftung des Schädigers für alle späteren Schäden und Dauerfolgen aus dem Schadensereignis den Eintritt der Verjährung auch hinsichtlich solcher Teilschäden verhindere, welche bereits vor Einbringung der Feststellungsklage entstanden und dem Geschädigten bekannt geworden seien.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers war als verspätet zurückzuweisen: Das Berufungsurteil wurde dem Klagevertreter am 30.12.1997 zugestellt. Unter Berücksichtigung der Gerichtsferien endete die Berufungsfrist am 3.2.1998 (Gitschthaler in Rechberger, § 126 ZPO Rz 9 mwN); die Revision wurde aber erst am 4.2.1998 zur Post gegeben.

Der Beklagte macht in seiner Revision Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.

Die im Zusammenhang mit Hergang und Ursachen des Unfalls geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was keiner Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

In seiner Rechtsrüge macht der Beklagte zusammengefaßt geltend, die erst mit Schriftsatz vom 27.5.1997 erhobenen Ansprüche des Klägers seien zur Gänze verjährt; das Erstgericht habe nicht festgestellt, wann diese Ansprüche entstanden und dem Kläger bekanntgeworden seien, weshalb eine exakte Beurteilung der Verjährungsfrage nicht möglich sei; der Kläger habe zum Zeitpunkt der Klagseinbringung von diesen Schäden Kenntnis gehabt. Der Anscheinsbeweis sei bei Kollisionsunfällen zwischen Schifahrern unzulässig; da das Erstgericht nicht habe feststellen können, warum der Beklagte die Herrschaft über seine Schier verloren habe, könne auf einen bestimmten Geschehensablauf nicht geschlossen werden; der Kläger habe nicht beweisen können, daß die Geschwindigkeit des Beklagten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich für den Unfall gewesen sei.

Hiezu wurde erwogen:

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes fuhr der Beklagte vor der Schibrücke großteils im Schuß mit mindestens 40 km/h, verlor "aus nicht klärbarer Ursache" die Herrschaft über seine Schier und stieß frontal gegen den für ihn als Hindernis im Brückenbereich erkennbaren Kläger, der keinerlei Abwehrchance hatte. Selbst wenn man angesichts dieser Feststellungen nicht schon den (vollen) Beweis des Verschuldens des Beklagten als erbracht ansieht, ist jedenfalls der Anscheinsbeweis zulässig, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, daß ein Schifahrer sich schuldhaft verhalten hat, wenn er die Herrschaft über seine Schier verliert (vgl Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 596). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht, allerdings unrichtig zur - hier schon nach den Feststellungen gegebenen - Kausalität zwischen der Fahrt des Beklagten und dem eingetretenen Schaden, der Sache nach aber ohnedies zur Frage seines Verschuldens, die Regeln für den Anscheinsbeweis angewendet, wobei das Ergebnis vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (vgl Fasching, ZPR2 Rz 897; Rechberger in Rechberger, vor § 266 ZPO Rz 22). Eine überraschende Rechtsansicht liegt darin entgegen der in der Revision des Beklagten vertretenen Meinung nicht, zumal er selbst im Verfahren erster Instanz vorgebracht hat, daß die Ursache nicht aufklärbar sei, und damit zu erkennen gab, den Gegenbeweis nicht antreten zu wollen.

Da das Verfahren somit das Alleinverschulden des Beklagten am Unfall - ein Mitverschulden des Klägers ist nach der zutreffenden Begründung der Vorinstanzen nicht anzunehmen - ergeben hat, war das Teilurteil über das Feststellungsbegehren des Klägers und das Zwischenurteil über den Grund des in der Klage geltend gemachten Anspruches zu bestätigen.

Was die Fällung eines Zwischenurteils über die im Schriftsatz ON 28 geltend gemachten Forderungen anlangt, so hat das Berufungsgericht deren Berechtigung dem Grunde nach im Spruch seiner Entscheidung von bestimmten, die Verjährung betreffenden Voraussetzungen abhängig gemacht. Ohne die vom Rechtsmittelwerber vermißte exakte Beurteilung der Verjährungsfrage hätte ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruches aber nicht gefällt werden dürfen. Die Verjährungsfrage müßte nämlich schon in einem solchen Urteil - vollständig - erledigt werden (Rechberger in Rechberger, § 393 ZPO Rz 9 mwN). Es ist nicht möglich, in diesem Urteil nur die Voraussetzungen für die Verjährung zu nennen und die genaue Klärung, welcher Anspruch im einzelnen verjährt ist und welcher nicht, mangels ausreichender Tatsachengrundlage dem weiteren Verfahren zu überlassen, wie offenbar der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung meint. Im Verfahren über die Höhe des Anspruchs ist nämlich grundsätzlich kein Raum mehr für die Behandlung des Verjährungseinwandes (RIS-Justiz RS0034934). Im übrigen hätte das Berufungsgericht, wenn es Teile des Klagebegehrens dem Grunde nach für nicht zu Recht bestehend beurteilen wollte, insoweit mit Klagsabweisung vorgehen müssen (Rechberger aaO Rz 6 mwN).

Das angefochtene Zwischenurteil war daher im genannten Umfang aus dem Rechtsbestand zu entfernen.

Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Einbringung einer Feststellungsklage die Verjährung der in diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen, also zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen; das Begehren auf Ersatz künftiger Schäden unterbricht aber nicht die Verjährung bereits fälliger Ansprüche, die mit Leistungsklage geltend gemacht werden könnten (ZVR 1991/33; Mader in Schwimann2 § 1497 ABGB Rz 21 mwN; Schubert in Rummel2 § 1497 ABGB Rz 7 mwN). Die Ausdehnung eines Schmerzengeldbegehrens läßt die Rechtsprechung aber ohne weiteres zu, wenn der Geschädigte nur innerhalb der Verjährungszeit auf Feststellung der Haftung des Schädigers für zukünftige Schäden geklagt hat (RIS-Justiz RS0031702; Schubert aaO; vgl Mader aaO). Eine vollständige Beurteilung der Verjährung der im Schriftsatz ON 28 geltend gemachten Forderungen nach diesen Kriterien ist mangels entsprechender Feststellungen noch nicht möglich, weshalb die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Ob diese Frage neuerlich in einem Zwischenurteil oder - nach nunmehriger Klärung der Verschuldensfrage - in der Endentscheidung zu behandeln ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts überlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50, 52 ZPO.

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