OGH 10ObS167/98a

OGH10ObS167/98a19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Georg Genser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Raimund Bröthaler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann L*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in Mauthausen, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozial- rechtssachen vom 27.Jänner 1998, GZ 2 Rs 217/97m-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12.Mai 1997, GZ 10 Cgs 56/97a-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Oberste Gerichtshof hat - worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - die grundsätzlich allen Versicherten eingeräumte Stichtagswahl samt damit ausgelöstem grundsätzlich unverrückbaren Stichtag als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (SSV-NF 6/58, 7/78). Die Bestimmung des § 223 Abs 2 ASVG entspricht insoweit auch den übrigen Sozialversicherungsgesetzen (§ 113 Abs 2 GSVG, § 104 Abs 2 BSVG). Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang einen Unterschied zur - bezogen auf die Neufassung des § 223 Abs 2 durch das SRÄG 1993/335 - "früheren" Regelung des § 223 Abs 1 Z 1 lit a ASVG erblickt, wonach der Versicherungsfall (der geminderten Arbeitsfähigkeit) als mit der Antragstellung eingetreten gelte, der Stichtag hingegen erst mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalles folgenden Monatsersten, wird übersehen, daß es sich beim Versicherungsfall um eine (primäre) Leistungsvoraussetzung der Pensionsversicherung handelt (SSV-NF 8/34, 10 ObS 251/97b, 10 ObS 298/97i; Brodil/Windisch-Graetz, Sozialversicherungsrecht in Grundzügen**2, 104), beim Stichtag hingegen um den Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der sog. sekundären Leistungsvoraussetzungen (Schrammel in Tomandl, SV-System, 142), wobei die Regelung des § 223 Abs 2 ASVG, daß sich der Stichtag, wenn der Antrag nicht auf einen Monatsersten fällt, auf den dem Eintritt des Versicherungsfalles folgenden Monatsersten verschiebt, bereits in der Stammfassung zum ASVG (BGBl 1955/189) unverändert so verankert war und - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - auch durch das SRÄG 1993 keine Änderung erfahren hat. Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung "im Zusammenhalt mit der Berechnung der Versicherungszeiten nach Kalendermonaten sicherstellen, daß bei der Leistungsfeststellung nur ganze Kalendermonate in die Rechnung eingehen, was auch verwaltungsvereinfachend wirkt", wobei dagegen, daß durch diese Verschiebung des Stichtages eine Schädigung des Versicherten eintreten kann, § 234 Abs 1 Z 1 ASVG (neutrale Versicherungszeiten) vorsorgt (RV 599 BlgNR 7. GP, 69).

Damit findet aber trotz Antragstellung des Klägers noch vor dem 1.9.1996 die ab eben diesem Datum vorgesehene Neugestaltung der Steigerungsbeträge in der gesetzlichen Pensionsversicherung - welche vom Novellengesetzgeber ua in § 261 ASVG idF Art 34 Z 101ff des Strukturanpassungsgesetzes 1996 BGBl 201 zum Zwecke des Anreizes, später in Pension zu gehen, vorgesehen wurde (RV 72 BlgNR 20. GP, 249) - auf den Kläger Anwendung (§ 563 Abs 1 Z 5 ASVG idF Art 35 Z 164 leg cit). Da im vorliegenden Fall (von der Beklagten - ausgehend von ihrem Zuerkennungsbescheid vom 5.12.1996 - unbestritten) vom Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit wegen Invalidität gemäß § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG beim Kläger bereits im Zeitpunkt seiner Antragstellung am 28.8.1996 (siehe Pensionsaktblatt 52) auszugehen ist, ist nur mehr die Feststellung, in welchem Ausmaß die beantragte Leistung gebührt (§ 223 Abs 2 erster Satz ASVG), als auf den Stichtag ausgerichtete sekundäre Anspruchsvoraussetzung nach der gemäß § 563 Abs 1 Z 5 ASVG zwingenden neuen Rechtslage zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Den Entscheidungen 10 ObS 251/97b, 10 ObS 298/97i und 10 ObS 328/97a lagen Fälle zugrunde, in denen die Versicherten das 55.Lebensjahr vor dem Inkrafttreten des StrukturanpassungsG 1996 BGBl 201 vollendet und im August 1996 den Antrag auf vorzeitige Alterspension (wegen Erwerbsunfähigkeit) gestellt hatten. Obwohl damit der Stichtag 1.9.1996 ausgelöst wurde (mit welchem Tag auch das StrukturanpassungsG in Kraft trat, das nunmehr die Vollendung des 57. Lebensjahres bei Männern als Anspruchsvoraussetzung für die begehrte Leistung normiert), wurde der Anspruch der dortigen Kläger nach der davor bestandenen Rechtslage beurteilt. Hieraus ist aber für den Kläger in der hier zur Beurteilung anstehenden Sozialrechtssache nichts zu gewinnen. Der erkennende Senat hat nämlich in diesen zitierten Entscheidungen den Eintritt des Versicherungsfalles (als primäre Leistungsvoraussetzung) deutlich von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen abgegrenzt; danach sind nur die primären Leistungsvoraussetzungen nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles zu beurteilen. Die Ermittlung der Höhe der gebührenden Leistung ist aber nach § 223 Abs 2 ASVG ausgehend von der Rechtslage am Stichtag vorzunehmen, daß der Versicherungsfall beim Kläger noch vor dem 1.9.1996 eingetreten ist und er auch noch vor diesem Zeitpunkt den Antrag auf Leistung stellte, ändert daher nichts daran, daß die Berechnung der Höhe der Leistung ausschließlich ausgehend von der Rechtslage nach den StrukturanpassungsG vorzunehmen ist.

Das vom Kläger in diesem Zusammenhang schließlich als Gleichheitsverstoß angesprochene Fehlen voller Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung im Sozialversicherungsrecht hat der Verfassungsgerichtshof stets als verfassungsrechtlich unbedenklich qualifiziert (jüngst etwa in seinem Erkenntnis vom 14.3.1997 RdW 1997, 245 = SozSi 1997, 492; 10 ObS 141/98b, 10 ObS 159/98z); auch auf wohlerworbene Rechte kann sich ein Versicherter in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht berufen, zumal es der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung auch für zulässig erachtet, daß bei der Beurteilung einer Norm unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes stets von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen sei, sodaß sogar vereinzelt möglich Härtefälle unberücksichtigt zu bleiben haben (ZAS 1998/29, Slg 7.891 uam).

Damit erweist sich aber die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, gegen welche ausschließlich verfassungsrechtlich argumentiert wird, als zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Der Revision ist damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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