OGH 7Ob197/97i

OGH7Ob197/97i5.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Manfred D*****, vertreten durch Dr.Johann Eder, Dr.Robert Kundmann und Dr.Stefan Knaus, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Österreichischer Tischtennisverband, Landesverband Salzburg, vertreten durch Johann W*****, dieser vertreten durch Dr.Manfred Engl, Rechtsanwalt in Neumarkt, wegen Feststellung (Streitwert S 25.000,-) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 6.März 1997, GZ 54 R 68/97g-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28. November 1996, GZ 22 C 652/96y-9, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird behoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Mitglied eines Tischtennisvereines in Salzburg, der seinerseits Mitglied bei der beklagten Partei ist.

Die beklagte Partei ist ein Verein zur gemeinnützigen Förderung des Tischtennissports.

Nach § 7 der Satzung muß der Vorstand des Vereines mindestens folgende Unterausschüsse bilden

a) Disziplinarausschuß

.....

Nach § 20 der Satzung obliegt dem Disziplinarausschuß das Untersuchungs- und Strafrecht. Er besteht aus dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Für den Fall der Verhinderung eines oder mehrerer Mitglieder hat der Vorstand Ersatzleute zu bestimmen.

Der Disziplinarausschuß hat die Pflicht jeden ihm zugewiesenen Fall binnen 14 Tagen zur Verhandlung zu bringen. Er darf keinen Beschuldigten ohne Einvernahme verurteilen, es sei denn, daß dieser auf zweimalige Vorladung (die zweite eingeschrieben) nicht erscheint.

Der Disziplinarausschuß fällt seine Urteile im eigenen Wirkungskreis und berichtet darüber dem Vorstand. Er hat über seine Sitzungen Protokolle zu führen und die Urteile samt Begründung dem Beschuldigten schriftlich bekannt zu geben. Die Strafen sind zu veröffentlichen. Der Disziplinarausschuß hat ein Strafregister zu führen.

Nach § 21 der Satzung kann der Disziplinarausschuß folgende Strafen verhängen:

a) Rüge,

b) strenge Rüge,

c) Geldstrafen (gegen Vereine),

d) Sperre eines Spielers.

Eine Berufung an den Gesamtvorstand ist nur bei einer Sperre und bei einem Ausschluß zulässig. Eine weitere Berufung ist ausgeschlossen. Die Berufungsgebühr wird vom Vorstand jährlich festgesetzt und verfällt bei Abweisung der Berufung. Die Berufung ist nur innerhalb von 8 Tagen nach Zustellung des Urteiles zulässig.

§ 31 der Satzung regelt die Einrichtung eines Schiedsgerichtes wie folgt:

Streitigkeiten, die nicht der Zuständigkeit der bestehenden Unterausschüsse unterliegen, gehören vor ein Schiedsgericht. Gegen diese Entscheidungen ist nur Berufung an den Österreichischen Tischtennisverband möglich.

In das Schiedsgericht entsenden beide Parteien je zwei Vertreter und diese haben den Landesbeirat des Sportausschusses als Vorsitzenden schriftlich einzuladen. Leistet dieser der Einladung nicht Folge, wählen beide Parteien einen Fünften als Vorsitzenden. Können sie sich über die Person desselben nicht einigen, so entscheidet unter den Vorgeschlagenen das Los. Das Schiedsgericht ist verpflichtet ehestens zusammenzutreten, und baldigst eine Entscheidung zu fällen.

In den Bestimmungen für Tischtenniswettbewerbe in Österreich (Regulativ) wird unter § 33 Abs 5 festgelegt:

"Allfällige Rechtsmittelgebühren sind bis spätestens zum Ablauf der Rechtsmittelfrist auf das Konto des Landesverbandes einzuzahlen, sonst gilt ein Rechtsmittel als nicht eingebracht. Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, dies wird ausdrücklich (im Regulativ oder in der Entscheidung) festgehalten. Die Rechtsmittelgebühr ist im Falle des Obsiegens ganz oder teilweise zu erstatten.

Ein von der beklagten Partei bestellter Disziplinarausschuß hat mit Entscheidung vom 20.Dezem- ber 1995 den Kläger "für die Teilnahme an allen offiziellen Veranstaltungen des Salzburger Tischtennisverbandes für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft dieser Disziplinarentscheidung gesperrt".

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die von der beklagten Partei über ihn verhängte dreijährige Sperre unwirksam sei. Er macht dazu geltend, daß die Entscheidung unrichtig sei, weil er sich weder ungebührlich noch unsportlich verhalten habe, andererseits, daß das vereins- interne Verfahren mangelhaft gewesen sei. Der Disziplinarausschuß, der die Sperre ausgesprochen habe, sei statutenwidrig erst für die Verhandlung gebildet worden. Der Kläger habe gegen diese Entscheidung fristgerecht ein Rechtsmittel an den Vorstand der beklagten Partei einge- bracht. Daraufhin sei er vom Vorsitzenden des Disziplinar- ausschusses ersucht worden, eine Rechtsmittelgebühr von S 600,-, die nach § 33 Abs 3 des Regulativs spätestens zum Ablauf der Rechtsmittelfrist einzuzahlen gewesen wäre, umgehend einzuzahlen; ansonsten gelte das Rechtsmittel als nicht eingebracht. Er habe die Rechtsmittelgebühr nicht einbezahlt, weil in der Regulativbestimmung nur von allfälligen Rechtsmittelgebühren gesprochen werde, eine solche aber betraglich nicht festgesetzt worden sei. Am 7.1.1996 (wohl richtig 7.2.1996) habe der Vorstand der beklagten Partei ausgesprochen, daß das Rechtsmittel des Klägers wegen der Nichtbezahlung der Rechtsmittelgebühr nicht behandelt und abgelehnt werde. Ein dagegen erhobener Devolutivantrag an den Vorstand des Österreichischen Tischtennisverbandes sei mit der selben Begründung (Nichtbezahlung der Rechtsmittelgebühr) abgelehnt worden.

Der vereinsinterne Instanzenzug sei sohin ausgeschöpft worden.

Die beklagte Partei wendete die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und machte insbesondere geltend, daß der Kläger den Instanzenzug nicht ausgeschöpft habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es machte die Entscheidung des Disziplinarausschusses der beklagten Partei vom 20. Dezember 1995 zu einem integrierenden Bestandteil seines Urteils und traf nachstehende weitere Feststellungen:

Das Rechtsmittel des Klägers gegen die Entscheidung des Disziplinarausschusses wurde am 7.Februar 1996 vom Vorstand der beklagten Partei wegen Nichteinbringung der Rechtsmittelgebühr nicht behandelt und abgelehnt. Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses hatte den Kläger mit Schreiben vom 11.Jänner 1996 aufgefordert, umgehend die Rechtsmittelgebühr von S 600,- zu bezahlen. Am 14.März 1996 lehnte der Österreichische Tischtennisverband den Antrag des Klägers vom 21.Februar 1996 auf Übernahme des Verfahrens wegen Nichtentscheidung der beklagten Partei ab. Die Berufung des Klägers sei nicht als Rechtsmittel anzusehen, weil er nicht innerhalb der festgesetzten Frist die vorgesehene Berufungsgebühr bezahlt habe. Gegen diese Entscheidung sei ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß auch die Verhängung von Vereinsstrafen der gerichtlichen Überprüfung unterlägen, wobei sich diese auf die Tatsachenfeststellungen, auf die Schuldfragen und auf die Angemessenheit der Sanktionen in der Richtung erstrecke, ob die Disziplinargewalt nach billigem Ermessen im Rahmen des für die ideale Zweckverfolgung Erforderlichen ausgeübt worden sei. Eine Unangemessenheit der Vereinsstrafe führe nur zur gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit, es sei aber nicht möglich, daß das Gericht die schärfere durch eine angemessene mildere Vereinsstrafe ersetze. Weitere Voraussetzung für die Anrufung des Gerichtes sei die Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzuges durch die anspruchstellende Partei. Der Kläger habe sämtliche ihm zur Verfügung stehende Rechtsmittel ausgenützt. Das Gericht müsse auch die Frage beurteilen, ob die Entscheidung des Vorstandes, wegen Nichteinzahlung der Rechtsmittelgebühr das Rechtsmittel nicht zu behandeln, ebenso wie die damit im Zusammenhang stehende Entscheidung des Dachverbandes, richtig sei. Dies ändere nichts daran, daß der Rechtszug ausgeschöpft worden sei.

Dem Kläger werde zusammengefaßt ein seit Jahren zu Differenzen mit Spielern gegnerischer Vereine führendes Verhalten vorgeworfen. Insbesondere solle er mit "Gericht, Rechtsanwalt und Ehrenbeleidigungsklagen gedroht haben". Weiters habe er am 11. November 1994 das Netzgerät eines von Versehrtensportlern besetzten Tisches zweimal umgestoßen, weil er sich dort nicht einspielen konnte. Im anschließenden Meisterschaftsspiel habe er die Bälle nie selbst aufgehoben, zweimal gezielt gegen den Schiedsrichter einen Ball geschossen und später beim Einspielen alle Bälle weggeschossen. Am 28.April 1995 habe er die Oberschiedsrichterin als minderwissend bezeichnet und "ihr alle Beistriche angesagt". Das Erstgericht erachtete eine Sperre in der Dauer von drei Jahren für unangemessen und den einem Disziplinarorgan eingeräumten Ermessensspielraum überschreitend. Da die Unangemessenheit der verhängten Sanktion auch unter Annahme der völligen Richtigkeit der gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen gegeben sei, sei dem Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme stattzugeben gewesen.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht hob mit der angefochtenen Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß zwar auch die Verhängung von Vereinsstrafen grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung zugänglich sei; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß der im Statut vorgesehene Instanzenzug ausgeschöpft sein müsse. Die auch das Verfahren regelnde Satzung sei für jedes Mitglied bindend. Vor deren Befolgung solle nicht voreilig in die Selbstverwaltung der juristischen Person eingegriffen werden, damit eine unnötige Anrufung der ordentlichen Gerichte verhindert werde. Der Kläger habe den vorgesehenen Instanzenzug nicht erschöpft, sondern gar nicht beschritten, weil er die Rechtsmittelgebühr nicht bezahlt habe. Diese sei aber sowohl nach den Satzungen als auch nach dem Regulativ vorgesehen. Das Urteil und das vorangegangene Verfahren seien als nichtig iSd § 477 Abs 1 Z 6 ZPO aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Berufung der beklagten Partei nicht Folge gegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Rekurswerber verweist zunächst zutreffend darauf, daß für die Zulässigkeit einer Klage vor den ordentlichen Gerichten alleine entscheidend ist, ob der Streit in den Bereich des Privatrechtes fällt.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern sind privatrechtlicher Natur (SZ 51/154; JBl 1993, 597 = EvBl 1993/117;

JBl 1994, 619; Aicher in Rummel ABGB2 Rz 46 zu § 26;

Rechberger/Frauenberger, Der Verein als "Richter", ecolex 1994, 5[7]). Entscheidungen von Vereinsorganen über diese Rechtsbeziehungen können daher grundsätzlich gerichtlich voll überprüft werden (JBl 1993, 597 mwN). Dies gilt nicht nur für die Nichtigkeit- bzw Unwirksamerklärung von Vereinsbeschlüssen, (Fessler/Keller, Vereinsrecht7, 82 mwN; SZ 69/289 uva) sondern auch für verhängte Disziplinarstrafen (Fasching Lehrbuch2 Rz 2239).

Eine Zurückweisung der Klage kommt daher schon aus diesen Gründen nicht in Betracht, weil die Rechtssache jedenfalls vor den ordentlichen Gerichten zu verhandeln ist.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes war daher bereits aus diesen Gründen aufzuheben.

In der Sache selbst ist aber auszuführen, daß nach

oberstgerichtlicher Rechtsprechung (EvBl 1975/266; SZ 51/154 = JBl

1981, 212; SZ 58/178 = EvBl 1986/132; JBl 1994, 833 = ecolex 1994,

619 = GesRZ 1994, 229 [samt ausführlicher Auseinandersetzungen mit dem dagegen argumentierenden Schrifttum], vgl Rechberger in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 599; Fessler/Keller, aaO 85; Höhne/Jöchl/ Lummerstorfer, Das Recht der Vereine) die Anrufung der Gerichte zwar die vorherige Ausschöpfung eines vereinsinternen Instanzenzuges verlangt, weil sie geeignet ist, die ordentliche Gerichtsbarkeit zu entlasten. Der Oberste Gerichtshof hat diese Rechtsprechung damit begründet, daß nicht voreilig in die Selbstverwaltung eines Vereins durch Gerichte eingegriffen werden könne (JBl 1994, 833; JBl 1995, 649).

Auf die massive Kritik der Lehre an dieser Rechtsprechung, die die Anrufung der ordentlichen Gerichte erst nach Befassung der vereinsinternen Instanzen überwiegend ablehnt, muß aber hier nicht eingegangen werden, weil nach Auffassung des erkennenden Senates der Kläger die ihm vereinsintern zustehenden Möglichkeiten ohnehin bis zur Anrufung des Dachverbandes und somit zur Gänze ausgeschöpft hat. Ob dieser Instanzenzug aus formellen oder materiellen Gründen beendet wurde, ändert nichts an der Tatsache, daß dem Kläger jedenfalls keine weiteren vereinsinternen Möglichkeiten offenstehen. Im übrigen wird in der Lehre vertreten, daß auch die gerichtliche Überprüfung, ob ein vereinsinterner Instanzenzug selbst formell oder materiell fehlerhaft ist, möglich sein muß (Aicher in Rummel aaO Rz 45).

Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Berufung der beklagten Partei materiell zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte