OGH 4Ob119/98y

OGH4Ob119/98y5.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH & CoKG, *****, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Michael Brand, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. M***** GmbH & CoKG, 2. M***** GmbH, *****, beide vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 600.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 9. März 1998, GZ 2 R 2/98y-14, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21. November 1997, GZ 17 Cg 13/97m-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 43.645,14 (darin S 7.274,19 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ist Verlegerin der Zeitschrift N*****. Die Erstbeklagte ist Verlegerin der N***** ZEITUNG, die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Die Beklagten vertrieben am 13.4.1997 in den Zeitungstaschen der N***** ZEITUNG einen Werbefolder, der unter dem Titel "Aller guten Dinge sind 3" drei (an die N***** ZEITUNG adressierte) Bestellkarten enthielt, mit denen ua ein Jahresabonnement der N***** ZEITUNG zum "monatlichen Mindestpreis von S 159" bestellt und ein (bei fünf genannten Reiseveranstaltern verwertbarer) Reisescheck für einen Wunschflug im Wert von S 2.000 zum Aufpreis von S 990 verlangt werden konnte.

Mit dem Vorbringen, die Beklagten kündigten damit für den Fall der Bestellung eines K*****-Abonnements einen erheblichen vermögensrechtlichen Vorteil im Form eines Preisnachlasses Dritter als unzulässige Zugabe zum Abonnementverkauf und als Motiv für den Kaufabschluß an und handelten somit sittenwidrig im Wettbewerb (§§ 1, 9a UWG), beantragt die Klägerin, den Beklagten zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches für die Dauer des Rechtstreites mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, beim Vertrieb von ihnen verlegter Zeitungen, insbesondere der N***** ZEITUNG, verbotene Zugaben, insbesondere einen Reisescheck im Wert von S 2.000 zum Aufpreis von nur S 999 (wohl: 990) anzukündigen und/oder zu gewähren.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Es liege keine unentgeltliche Zugabe vor, weil die Besteller des Abonnements zu dessen Preis noch S 990 für den Reisescheck aufzahlen müßten; es handle sich auch um keinen Scheinpreis, mit dem eine Unentgeltlichkeit der Zugabe verschleiert würde, weiters könne ausgeschlossen werden, daß das angesprochene Publikum unter Außerachtlassung aller sachlichen Überlegungen allein wegen dieser Preisersparnis das teuere Abonnement bestelle.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es erblickte in der beanstandeten Vorgangsweise weder ein sittenwidriges Vorspannangebot, noch einen sonstigen Verstoß gegen § 1 UWG. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 9a UWG sei der Klägerin nicht zu folgen, weil die aufgezeigte Preisersparnis beim Erwerb des Reisegutscheines den für ihn verlangten Preis nicht in die Nähe der Unentgeltlichkeit rücke.

Das Gericht zweiter Instanz gab hingegen dem Sicherungsantrag statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es meinte, das Ankündigen eines Preisnachlasses beim Bezug einer anderen Ware führe zur Verschleierung des Preises der Hauptware, zumal auf dem Bestellschein, und zwar nur auf der Rückseite der Bestellkarte, lediglich die monatlichen Abonnementpreise und nicht die Jahrespreise angeführt würden. Der mit dem Gutschein verbriefte Preisnachlaß beim Bezug einer anderen Ware falle daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 9a Abs 2 Z 5 UWG. Es könne nicht darauf ankommen, daß der Lockeffekt im Falle der Barauszahlung eines in einem Gutschein genannten Geldbetrages größer sei, als bei Verrechnung dieses Betrages beim Kauf einer weiteren Ware.

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz zulässig, weil die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des OGH steht; er ist auch berechtigt.

In der Entscheidung ÖBl 1996, 150-Bazar- Alles-Gutschein II hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß Gutscheine, die in Bargeld abzulösen sind, einen Bargeldrabatt verbriefen, während bei Gutscheinen, die dem Käufer das Anrecht auf den Bezug einer Ware oder Leistung geben, bei Gleichartigkeit der Waren ein Naturalrabatt, bei Verschiedenheit der Waren oder Leistungen eine Zugabe im engeren Sinn vorliegt. Gutscheine sind nur dann erlaubte Geldzugaben im Sinne des § 9a Abs 2 Z 5 UWG, wenn sie gegen Geld eingelöst werden, nicht aber dann, wenn ein darin genannter Betrag vom Kaufpreis einer anderen Ware abgezogen wird. Sowohl im Fall der Entscheidung 4 Ob 14/98g als auch im vorliegenden Fall verbrieft der Gutschein ("Reisescheck") einen Preisnachlaß beim Bezug einer Dienstleistung: Der Gutschein selbst ist aber, anders als der Bazar-Alles-Gutschein nicht unentgeltlich, sondern nur gegen Zahlung von S 990 erhältlich. Der vorliegende Fall unterscheidet sich demnach - wie auch jener der Entscheidung 4 Ob 14/98g - grundlegend von dem der Entscheidung ÖBl 1996, 150-Bazar-Alles-Gutschein II zugrundeliegenden Sachverhalt.

Der von den Beklagten zu ihrem Abonnement angebotene "Reisescheck" ist demnach keine Zugabe, wohl aber eine Form der Wertreklame. Den verschiedenen Formen dieser Werbeart ist gemeinsam, daß der Werbende nicht nur durch die Güte und Preiswürdigkeit seiner Ware oder gewerblichen Leistung, sondern zugleich oder vor allem durch ein unsachliches Mittel, das Gewähren einer besonderen Vergünstigung, Kunden zu gewinnen sucht. Wertreklame ist nicht schlechthin wettbewerbswidrig. Sie entspricht jedoch nicht dem Leitbild des Leistungswettbewerbes und ist deshalb strenger zu beurteilen als die übliche Werbung durch Wort und Bild (ÖBl 1995, 211-Falschpark-Strafzettel mwN; 4 Ob 14/98g).

§ 9a UWG verbietet nur unentgeltliche Zugaben oder Zugaben zu Scheinpreisen. Angesichts dieser Wertung kann nicht schon jedes günstige Angebot einer Nebenware gegen § 1 UWG verstoßen. Ein Vorspannangebot ist nur dann unzulässig, wenn es geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil ihres üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die sie sonst erfahrungsgemäß nicht gekauft hätten (ÖBl 1997, 75- OÖN-Hochzeitspaket; ÖBl 1993, 234 - 777-Jubel-Abo jeweils mwN). Dies gilt auch dann, wenn die Nebenware in einem Gutschein besteht, der einen Preisnachlaß beim Bezug einer anderen Ware oder Leistung verbrieft. Auch eine solche Wertreklame ist nur dann sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sie sachliche Erwägungen gänzlich verdrängt (4 Ob 14/98g).

Abgesehen davon, daß die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal behauptet hat, durch die beanstandete "Zugabe" würden sachliche Erwägungen über die Bestellung des Jahresabonnements bei den von der Werbeaktion der Beklagten angesprochenen Personen gänzlich verdrängt, kann solches angesichts des dargestellten Preisverhältnisses des Gutscheins zur Neben- und/oder Hauptware und des "Vorteils" bei der Bestellung des Jahresabonnements zugleich mit dem Kauf des Reiseschecks auch nicht angenommen werden. Die Ermäßigung des Flugreiseschecks von S 2.000 auf S 990 - also der unter gewissen Bindungen an bestimmte Reiseveranstalter und Reiseveranstaltungen angekündigte und/oder gewährte Vermögensvorteil von S 1.010 - wird niemanden zum Erwerb des Jahresabonnements der N***** ZEITUNG zum Preis von mindestens S 1.908 veranlassen, wenn an der Zeitung keinerlei Interesse besteht. Der mit der beanstandeten Werbeaktion verbundene Lockeffekt ist sohin auch nicht als sittenwidrige Wertreklame zu beanstanden.

Diese Erwägungen führen zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung auf Abweisung des Sicherungsantrages.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 402, 78 EO, 41 und 50 ZPO.

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