OGH 7Ob387/97f

OGH7Ob387/97f5.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut Z*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann und Dr.Heimo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei D***** AG, ***** vertreten durch Dr.Wolfram Themmer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9.September 1997, GZ 3 R 107/97w-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.Februar 1997, GZ 20 Cg 484/96x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil lautet:

"Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei gegenüber aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag Polizzen-Nr 136667 vom 15.5.1984 im Rahmen der Deckungssumme des Rechtsschutzversicherungsvertrages im Verfahren 26 Cg 89/96s vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Kostendeckung im Sinne des Versicherungsvertrages zu gewähren hat.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die in allen Instanzen mit insgesamt S 58.209,20 (darin enthalten S 4.578,20 Umsatzsteuer und S 30.740,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die ARB 1965 zugrunde lagen. Er beauftragte im September 1991 die Firma Otto M***** mit Umbauarbeiten am Dachgeschoß seines Hauses. Bei der Besichtigung des Dachgeschoßes stürzte der Betriebsleiter Günther R***** durch ein Loch in die Tiefe und wurde schwer verletzt. Der Kläger wurde wegen dieses Vorfalles mit Strafverfügung rechtskräftig wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung verurteilt. Günther R***** wurde im AKH behandelt. Der Kläger zahlte an Günther R***** und an die Wiener Gebietskrankenkasse Ersatzbeträge von ca 1,6 Mio S.

Am 26.1.1995 erstattete der Sachverständige Dr.Günther G*****, ein Facharzt für Unfallchirurgie, ein Gutachten, in dem er zu dem Schluß kam, daß bei fachgerechter ärztlicher Behandlung des Günther R***** eine um Monate kürzere Behandlungsdauer zu erwarten gewesen wäre.

Mit Schreiben vom 13.11.1995 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß infolge einer schlecht abgesicherten Öffnung im ersten Stock seiner Wohnung der Angestellte eines Malers in das erste Stockwerk gestürzt sei und einen Oberschenkelbruch erlitten habe. Durch diese Tatsache seien vom Kläger die gesamten Kosten der Krankenkasse und der Unfallversicherung (ca S 1,6 Mio) im Regreßweg verlangt worden. Durch eine Fehlbehandlung im AKH (veralterte Operationsmethode) sei eine zweite Operation notwendig geworden. Das bereits vom Kläger eingeholte Gutachten habe nicht exakt ergeben, ob ein Kunstfehler vorgelegen habe. Tatsache sei jedoch, daß die zweite Operation viel früher hätte vorgenommen werden müssen, so daß wesentlich weniger Kranken- und Schmerzengeld vom Kläger hätte bezahlt werden müssen. Der Kläger wolle wissen, ob ein solcher Regreßprozeß in der Versicherungspolizze gedeckt sei. Er habe auch schon Kontaktgespräche mit einem Anwalt aufgenommen, der ihm für solche Klagen empfohlen worden sei.

Mit Schreiben vom 5.12.1995 ersuchte die Beklagte den Rechtsanwalt Dr.Wolfgang D*****, bezüglich des Versicherungsfalls vom 18.10.1993 "Z*****/AKH" im Namen und Auftrag ihres Versicherungsnehmers, die Wahrung dessen Interessen zu übernehmen und Kontakt mit dem Versicherer aufzunehmen. Die Beauftragung betreffe: Geltendmachung von Schadenersatz.

Mit letzterem Schreiben wurde auch ein Informationsblatt mit dem Hinweis übermittelt, daß sich der Umfang des Versicherungsschutzes aus den zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ergebe.

Daraufhin ersuchte der Vertreter des Klägers die Beklagte um Genehmigung eines entsprechenden Klagsentwurfes, der als beklagte Partei die Stadt Wien vorsah. Nach mehrfachem Briefwechsel lehnte die beklagte Partei schließlich mit Schreiben vom 6.3.1996 die Deckung ab, weil ein derartiger Regreßanspruch kein Schadenersatzanspruch im Sinn der ARB sei und daher nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sei. Ungeachtet dessen brachte der Kläger die Regreßklage gegen die Stadt Wien zu 26 Cg 89/96s des Erstgerichtes ein.

Art 1 ("Gegenstand der Versicherung") Abs 1 lit a ARB 1965 lautet:

"Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten in der in der Polizze bezeichneten Eigenschaft (Kategorie) zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen erwachsen:

a) bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes sowie des Amtshaftungsgesetzes."

Mit vorliegender Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für das Verfahren 26 Cg 89/96s "in vollem Umfang; insbesondere für sämtliche Schäden und Folgen aus diesem Verfahren im Rahmen der Deckungssumme des Rechtsschutzversicherungsvertrages". Er brachte vor, daß er Ende 1994 von Umständen Kenntnis erlangt habe, welche unzweifelhaft darauf schließen ließen, daß den Ärzten des AKH Wien bei der Behandlung von Günther R***** ein Kunstfehler unterlaufen sei. Ohne diesen Kunstfehler hätte der Kläger Ersatzleistungen von zumindest S 262.927,50 nicht erbringen müssen. Die Beklagte verweigere zu Unrecht die Rechtsschutzdeckung für den laufenden Regreßprozeß gegen den Rechtsträger des AKH. Der Klageanspruch sei entgegen der Ansicht der Beklagten als Schadenersatzforderung im Sinne der ARB zu beurteilen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das versicherte Interesse gehe keinesfalls soweit, daß die Beklagte "für sämtliche Schäden und Folgen" aus dem Regreßprozeß zu haften habe, wie dies im Urteilsbegehren geltend gemacht werde. Der Kläger erhebe im Regreßprozeß auch keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Stadt Wien, sondern einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch, für den die Beklagte nicht deckungspflichtig sei. Es bestehe weiters auch deshalb kein Versicherungsschutz, weil der Kläger trotz Mahnung mit der Bezahlung der Folgeprämie zum angeblichen Schadenszeitpunkt, der nach seinen Behauptungen mit dem Tag der ersten Operation am 20.9.1991 anzunehmen sei, mehr als 14 Tage in Verzug gewesen sei. Die Beklagte sei weiters gemäß Art 7 Abs 5 ARB berechtigt, die Deckung mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen. Der Kläger hätte, anstatt sich mit Günther R***** zu vergleichen, erfolgreich gegen die Ansprüche des Günther R***** einwenden können, daß die angebliche aus Kunstfehlern resultierenden Verletzungsfolgen nicht kausal adäquat verursacht worden seien. Insoweit habe der Kläger gegenüber Günther R***** gar nicht gehaftet, so daß schon allein deshalb kein Ausgleichsanspruch bestehe.

Der Kläger bestritt dieses Vorbringen und replizierte unter anderem, daß die Beklagte auf derartige Einwendungen konkludent verzichtet habe. Zudem seien die Einwendungen schikanös und verspätet. Sämtliche Umstände seien der Beklagten spätestens durch das Schreiben des Klägers vom 13.11.1995 bekannt gewesen. Aufgrund dieses Schreibens sei die Beauftragung des Klagevertreters durch die Beklagte erfolgt.

Die Beklagte bestritt ihrerseits das Vorliegen einer konkludenten Deckungszusage und behauptete weiters, daß dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung im Sinn des Art 6 ARB anzulasten sei, weil er der Beklagten nicht unverzüglich und von sich aus das medizinische Gutachten übermittelt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern keine deckungspflichtigen Schadenersatzansprüche im Sinne der ARB seien.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Schreiben der Beklagten vom 5.12.1995 sei weder die Erklärung eines Eintrittes in den Versicherungsfall noch der Verzicht auf Einreden zu entnehmen. Vor der endgültigen Ablehnung durch die Beklagte seien lediglich die Kosten des Klagevertreters entstanden, die jedoch nicht eingeklagt worden seien, so daß sich insoweit eine Prüfung gemäß § 158 n VersVG erübrigte. Der Kläger wolle keine Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen geltend machen, sondern einen eigenen Ausgleichsanspruch, der nicht unter den Begriff des Schadenersatzanspruches der ARB falle. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Interpretation des Schadenersatzbegriffes nach Art 1 Abs 1 lit a ARB 1965 fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz ist das Schreiben der Beklagten vom 5.12.1995 an den vom Kläger beigezogenen Rechtsanwalt als grundsätzliche Bestätigung des Versicherungsschutzes im Sinne des seit 1.1.1995 in Kraft stehenden und hier gemäß § 191 b Abs 1 VersVG anzuwendenden § 158 n Abs 1 VersVG sowie Art 7 Abs 2 ARB 1965 zu qualifizieren. Die "Bitte" an den Rechtsanwalt, "die Wahrnehmung der Interessen" des Versicherungsnehmers zu übernehmen, deckt sich sowohl mit der gesetzlichen Definition der Rechtsschutzversicherung des § 158 i VersVG als auch mit jener des Art 3 Abs 1 ARB 1965, wonach der Versicherer für "die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen" des Versicherungsnehmers zu sorgen und die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten zu tragen hat, wobei hiezu insbesondere die notwendigen gerichtlichen und außergerichtlichen Maßnahmen zählen. Diese "Bitte" erging als Antwort auf eine Anfrage des Klägers als Versicherungsnehmer, ob der "Regreßprozeß", den er wegen des Kunstfehlers der Ärzte des AKH zu führen beabsichtigte, "in seiner Versicherungspolizze" gedeckt sei. In dieser Anfrage stellte der Kläger den Sachverhalt, den er zur Prozeßführung zum Anlaß nehmen wollte, umfassend dar. Es war aufgrund dieses Schreibens klar, daß der Kläger vom Rechtsträger des AKH jenen Geldbetrag fordern will, den er wegen des dort unterlaufenen Kunstfehlers der behandelnden Ärzte zusätzlich an Heilungskosten und Schmerzengeld für den durch seine Schuld verletzten Handwerker zahlen mußte.

Die dargestellte Reaktion der Beklagten auf dieses Schreiben konnte vom Kläger auch aus objektiver Sicht nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte sein Schreiben als Geltendmachung des Deckungsanspruches auffaßte und den Versicherungsschutz in Kenntnis der Art des Anspruches, den der Kläger durchzusetzen beabsichtigte und für dessen Durchsetzung er um Deckungszusage ersuchte, grundsätzlich bestätigte. Da das Schreiben der Beklagten ausdrücklich von der Wahrnehmung seiner Interessen spricht und keinerlei Vorbehalte oder Einschränkungen der Interessenwahrnehmung, die nach den zitierten Bestimmungen des VersVG und der ARB gerade auch in der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen bestehen, enthielt, ist in diesem Schreiben keineswegs nur die Zusage der Kostendeckung für ein Beratungsgespräch beim Rechtsanwalt zu erblicken. Es ist darin auch nicht etwa die Rede davon, daß der Rechtsanwalt zunächst einmal die Rechtsnatur des geltend zu machenden Anspruches und die Frage, ob dieser in der Rechtsschutzversicherung Deckung finde, prüfen solle, war doch im Gegenteil diese Frage vorher vom Kläger als Versicherungsnehmer an die Beklagte herangetragen worden.

Der im Schreiben der Beklagten enthaltene Hinweis, daß die Beauftragung des Rechtsanwaltes die "Geltendmachung von Schadenersatz" betreffe, kann im Hinblick darauf, daß kein Zweifel an der Art des vom Kläger geltend zu machenden Anspruches bestand, nicht als Beschränkung der Deckungszusage auf eigene Schadenersazansprüche des Klägers im Sinn der §§ 1295, 1325 ABGB ausgelegt werden. Eine solche Eingrenzung hätte jeglichen Sinngehaltes entbehrt, weil die Frage der Deckung eigener Schadenersatzansprüche des Klägers an die Beklagte überhaupt nicht herangetragen worden war. Der zitierte Hinweis zeigt vielmehr, daß die Beklagte die an sie gestellte Frage nach dem Bestehen des Versicherungsschutzes bejahte, weil der bekanntgegebene Ausgleichsanspruch des Klägers als ein dem Art 1 Abs 1 lit a ARB zu subsumierender Schadenersatzanspruch des Klägers zu qualifizieren sei. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Hinweis darauf, daß sich der Umfang des Versicherungsschutzes aus dem zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ableiten lasse.

Der Umstand, daß der Vertreter des Klägers in weiterer Folge die Klage mit dem Ersuchen um "Genehmigung" an die Beklagte übermittelte, läßt nicht den Schluß zu, daß nicht einmal der Kläger selbst oder sein Vertreter das Schreiben der Beklagten vom 5.12.1995 als Bestätigung der Rechtsschutzdeckung angesehen haben. Diese Vorgangsweise entsprach vielmehr der dem Vertreter des Klägers von der Beklagten übermittelten Information, wonach die Beklagte über derartige Prozeßschritte laufend und unverzüglich zu informieren sei. Im übrigen hat die Beklagte auch das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der vom Versicherten beabsichtigten Rechtsverfolgung anzustellen.

Die Beklagte hatte in diesem Verfahren nicht behauptet, daß sich erst bei Kentnnis des Klageinhaltes ergeben habe, daß die Aussicht auf den Prozeßerfolg im Gegensatz zu den bis dahin bekannten Umständen nunmehr als nicht hinreichend zu beurteilen sei (vgl Art 7 Abs 5 ARB 1965). Sie hat vielmehr im nachhinein die Deckung - zunächst ausschließlich - deshalb abgelehnt, weil sie nun der Rechtsauffassung ist, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sei, obwohl die Beklagte zunächst in Kenntnis dieser Problematik und eben mit dieser Fragestellung konfrontiert, den Versicherungsschutz für denselben Anspruch sinngemäß bejaht und auch zugesagt hat.

Diese Zusage ist dahin zu qualifizieren, daß die Deckung für den Ausgleichsanspruch des Klägers gegen den Rechtsträger des AKH jedenfalls dem Grunde nach übernommen wird. Damit sollte die keineswegs klare Frage, ob derartige Regreßansprüche dem Begriff der Schadenersatzansprüche im Sinn des Art 1 Abs 1 lit a ARB zu subsumieren sind und damit vom Versicherungsschutz umfaßt sind oder nicht, im Sinnne des Klägers bereinigt werden. Das an den Rechtsvertreter gerichtete Schreiben der Beklagten vom 5.12.1995 beseitigte die vorliegenden Zweifel über das Bestehen des grundsätzlichen Deckungsanspruches des Klägers für den von ihm angekündigten Rechtsstreit gegen den Rechtsträger des AKH und trägt damit alle Merkmale eines Anerkenntnisses. Die beiderseitige Interessenlage und die im Vordergrund stehende Unsicherheit der Rechtslage, die - wie sich aus der Anfrage des Klägers ergibt - durch die Antwort der Beklagten geklärt werden sollte, spricht eindeutig für das Vorliegen eines konstitutiven und nicht bloß eines deklarativen Anerkenntnisses (vgl Ertl in Rummel2 II, Rz 6 und 7 zu § 1380 ABGB mwN).

Die Beklagte ist daher an die in ihrem Schreiben vom 5.12.1995 erklärte Übernahme des Versicherungsschutzes bei der Geltendmachung und Durchsetzung der ihr bekannten Ausgleichsansprüche des Klägers gebunden. Selbst ein allfälliger Irrtum der Beklagten über den strittigen Punkt könnte nicht zur Anfechtung des Anerkenntnisses führen. Denn die Anfechtung eines Anerkenntnisses setzt gleich wie die Anfechtung eines Vergleiches die Geltendmachung eines Irrtums über Umstände voraus, die die Parteien als feststehend, unzweifelhaft und unstreitig angenommen haben. Eine Anfechtung wegen Irrtums - und zwar auch eines Rechtsirrtums - gerade bezüglich des strittigen Punktes wäre nur bei Arglist möglich (JBl 1990, 333; Ertl in Rummel2 II Rz 1, 3 zu § 1385 ABGB mwN).

Eine Irrtumsanfechtung käme allenfalls hinsichtlich der Frage der Prämienzahlung in Betracht.

Die Beklagte hat aber gar nicht behauptet, daß sie sich bei der positiven Beantwortung der Anfrage des Klägers nach der Übernahme der Deckung bezüglich der Prämienzahlung des Beklagten zum maßgebenden Zeitpunkt in einem Irrtum befunden und angenommen habe, daß keine Rückstände bestanden hätten. Sie kann daher nun nicht mit Erfolg geltend machen, der Kläger habe sich im Zeitpunkt des Versicherungsfalles in Prämienverzug befunden, zumal sie nicht einmal behauptet hat, daß ihr dieser Umstand zum Zeitpunkt des Schreibens vom 5.12.1995 unbekannt gewesen wäre und erst nachträglich hervorgekommen sei. Eine nähere Prüfung, ob der Beklagte tatsächlich im Zeitpunkt des Versicherungsfalles trotz Mahnung mit der Prämienzahlung säumig war, erübrigt sich daher.

Die Beklagte lastet dem Kläger auch eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit im Sinn des Art 6 ARB an, die sie nach ihrem Vorbringen im Verfahren erster Instanz ausschließlich darin erblickte, daß der Kläger nicht auch das von ihm eingeholte medizinische Gutachten an sie übermittelte. Der Kläger hat aber in seinem Schreiben vom 13.11.1995 ohnehin auf dieses Gutachten hingewiesen und auch festgehalten, daß sich demnach "nicht exakt" feststellen lasse, ob ein Kunstfehler vorliege. Von einer wahrheitswidrigen Aufklärung über die Sachlage kann daher keine Rede sein. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen, das Gutachten abzufordern, wenn sie dieses für ihre Beurteilung, ob grundsätzlich Deckung zu gewähren sei, für notwendig erachtet hätte. Die Behauptung, daß eine Obliegenheitsverletzung auch darin liege, daß der Kläger mehrere einander widersprechende Schreiben an die Beklagte gerichtet und einander ausschließende Anspruchsgrundlagen behauptet habe, wurde erstmals in der Berufungsbeantwortung erhoben und stellt eine unbeachtliche Neuerung dar.

Nach dem im Schreiben des Klägers vom 13.11.1995 und im Zuge dieses Verfahrens dargelegten Sachverhalt ist ein Unterliegen des Klägers nicht wahrscheinlicher als dessen Obsiegen im Regreßprozeß. Es ist keineswegs auszuschließen, daß ihm der Beweis eines Kunstfehlers der behandelnden Ärzte gelingen wird. Eine Vorwegnahme der Beweisergebnisse des zu deckenden Prozesses hat im Deckungsprozeß nicht stattzufinden (ecolex 1996, 354; 7 Ob 163/97i). Entgegen der Ansicht der Beklagten hätte der Kläger der Schadenersatzforderung des verletzten Günther R***** auch nicht entgegenhalten können, daß er für einen Teil der Ansprüche infolge des behaupteten Kunstfehlers der behandelnden Ärzte nicht hafte. Wie das Gericht zweiter Instanz unter Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre zutreffend ausgeführt hat, haftete der Kläger gemäß § 1302 ABGB als Solidarschuldner auch für die durch einen allfälligen Kunstfehler hervorgerufenen (Mehr-)Schäden (JBl 1954, 400) und ist insoweit auf den Regreß gegen den Mitschädiger beschränkt (§ 896 ABGB). Insoweit ist auf die zutreffenden Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz zu verweisen, denen die Beklagte nichts Zielführendes entgegenhalten kann. Das Begehren des Klägers im Regreßprozeß ist somit keineswegs unschlüssig.

Die zwischen den Parteien primär strittige Frage, ob ein derartiger Regreßanspruch vom Schadenersatzbegriff des Art 1 Abs 1 lit a ARB 1965 und damit von der Deckungspflicht der Beklagten umfaßt ist, ist infolge des Anerkenntnisses der Deckungspflicht seitens der Beklagten nicht mehr weiter zu prüfen. Dem Begehren nach Feststellung der Deckungspflicht war unabhängig von der Richtigkeit des nunmehrigen Rechtsstandpunktes der Beklagten, daß der Regreßanspruch nach § 896 ABGB nicht vom versicherten Risiko umfaßt sei, in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen stattzugeben, wobei das Klagebegehren aber dahin zu modifizieren war, daß die Wortfolge "insbesondere für sämtliche Schäden und Folgen aus diesem Verfahren" zu entfallen hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf §§ 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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