OGH 9ObA120/98g

OGH9ObA120/98g29.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Raimund Kabelka und Mag.Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L*****, Zahnlabor, ***** vertreten durch Dkfm.Dr.Franz B*****, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ***** wider die beklagte Partei Albert F*****, Zahntechniker, ***** vertreten durch Dr.Eva Roland und Dr.Manfred Roland, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 46.767,- sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Februar 1998, GZ 8 Ra 408/97x-17, womit der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1.Dezember 1997, GZ 15 Cga 91/97d-12, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt S 46.767,- sA an zuviel bezahlter Abfertigung. Schon mit dem Klageschriftsatz legte sie eine schriftliche Prozeßvollmacht für Dkfm.Dr.Franz B*****, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, vor, von der ausdrücklich das Recht des Bevollmächtigten umfaßt ist, Stellvertreter mit gleicher oder minder ausgedehnter Vollmacht zu bestellen (Beilage A). Infolge Einspruchs des Beklagten gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl beraumte das Erstgericht für den 14.10.1997 eine mündliche Streitverhandlung an. Zu dieser Tagsatzung erschien für die beklagte Partei Eva O***** unter Berufung auf die im Akt erliegende Vollmacht des Dkfm.Dr.Franz B***** und eine ihr erteilte, jedoch schriftlich nicht sogleich nachgewiesene Substitutionsvollmacht.

Das Erstgericht ließ Eva O***** als Vertreterin gemäß § 38 ZPO - gegen Nachweis der ihr erteilten Substitutionsvollmacht binnen einer Woche - zu. Am 20.10.1997 (Datum der Postaufgabe) legte die Klägerin eine mit der ursprünglichen gleichlautende Vollmacht (Beilage G) vor, in der die vom Bevollmächtigten Dkfm.Dr.Franz B***** unterfertigte Substitutionsvollmacht folgenden Inhalts aufscheint: "Ich nehme diese Vollmacht an und substituiere mit gleichen Rechten und Pflichten Frau Eva O*****, Steuerberaterin". Eine Kopie davon wurde über Verfügung des Erstgerichtes den Beklagtenvertretern zugestellt. Der Beklagte beantragte die Erlassung eines negativen Versäumungsurteils, weil die am 14.10.1997 eingeschrittene Eva O***** fristgerecht keine schriftliche Vollmacht vorgelegt habe. Die Substituierung durch den bevollmächtigten Dkfm.Dr.Franz B***** sei weder gültig noch im Gesetz vorgesehen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ein Steuerberater als geeignete Person im Sinne des § 40 Abs 2 Ziffer 4 ASGG anzusehen sei, somit auch Eva O*****. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, daß sich die in § 40 Abs 2 Z 4 ASGG genannten, zur Vertretung befugten Personen nicht eines Substituten bedienen dürften, wie es im vorliegenden Fall geschehen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich die Parteien nach § 40 Abs 2 Z 4 ASGG außer durch qualifizierte Personen auch durch jede andere geeignete Person vertreten lassen können. Über die Eignung habe der Vorsitzende durch unanfechtbaren Beschluß zu entscheiden. Diese Bestimmung setze die Regeln über die Bevollmächtigung gemäß §§ 1002 ff ABGB voraus, die gemäß § 2 ASGG iVm § 30 und § 38 ZPO in bezug auf die Vertretung zu Prozeßhandlungen näher ausgestaltet seien. Die genannten Regelungen gingen grundsätzlich von der Zulässigkeit der Unterbevollmächtigung aus. Aus § 31 Abs 2 ZPO könne nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß eine Unterbevollmächtigung im Rahmen einer Vertretung im Prozeß nur zwischen einem Rechtsanwalt und den in § 31 Abs 2 ZPO genannten Personen möglich wäre. Diese Bestimmung sei vielmehr im Zusammenhang mit der gesetzlichen Festlegung des Umfanges einer Prozeßvollmacht an einen Rechtsanwalt im Sinn des § 31 Abs 1 ZPO zu sehen. Die für die Klägerin einschreitende Eva O***** habe daher ihre Bevollmächtigung im Sinne des § 30 Abs 1 iVm § 38 Abs 2 ZPO ordnungsgemäß nachgewiesen. Der Revisionsrekurs gemäß § 47 Abs 1 iVm § 46 Abs 1 ASGG sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über den Nachweis der Unterbevollmächtigung von geeigneten Vertretern im Sinne des § 40 Abs 2 Z 4 ASGG fehle.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ein negatives Versäumungsurteil gegen die Klägerin erlassen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 1 zweiter Halbsatz ASGG sind, soweit nichts anderes angeordnet ist, die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen geltenden Vorschriften anzuwenden. Daraus folgt, daß auch diesem Zweig der Gerichtsbarkeit die volle Gerichtsgewalt der ordentlichen Gerichte zukommt und daß grundsätzlich - "soweit nichts anderes angeordnet ist" - die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen geltenden Vorschriften, insbesondere die JN, die ZPO, die Einführungsgesetze zu diesen beiden Gesetzen, das GOG und die EO im Bereich der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls Geltung besitzen (Kuderna ASGG2 Anm 1 zu § 2). Das ASGG trifft in seinem § 40 besondere Vertretungsregelungen. Danach sind zur Vertretung vor den Gerichten erster und zweiter Instanz qualifizierte Personen befugt (Abs 1 Z 1 bis 5 leg cit), für die im wesentlichen die mit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt verbundenen Rechtsfolgen (Abs 3), die Bestimmungen über die direkte Zustellung zwischen den Parteienvertretern (Abs 4) sowie die Vorschriften über einen erleichterten Vollmachtsnachweis (Abs 5) gelten. Daneben (Abs 2) dürfen sich die Parteien außer durch qualifizierte Personen vor den Gerichten erster Instanz noch - neben anderen (Ziffern 1 bis 3a) - durch jede andere geeignete Person vertreten lassen, über deren Eignung der Vorsitzende durch unanfechtbaren Beschluß zu entscheiden hat (Abs 2 Z 4 leg cit). Das ASGG enthält jedoch keine Spezialbestimmung über die Zulässigkeit der Substituierung einer Prozeßvollmacht.

Dem Rechtsmittelwerber ist in seiner Ansicht, daß die Substitution einer Prozeßvollmacht nur unter Rechtsanwälten zur Anwendung komme, nicht beizupflichten. § 31 ZPO regelt nur den gesetzlichen Umfang der einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht, nicht aber den Umfang von Vollmachten, die anderen Personen erteilt wurden. Dieser Bestimmung kann daher nicht entnommen werden, daß es nur einem Rechtsanwalt gestattet wäre, die ihm erteilte Prozeßvollmacht einem anderen

Rechtsanwalt zu übertragen (4 Ob 34/68 = SozM IVA 333, EvBl 1973/25,

Arb 9462, 4 Ob 34/82 = ARD 3432/16/82). Ob daher ein Nichtanwalt zur Substitution befugt ist, ist nach dem Inhalt seiner Vollmacht und nach § 1010 ABGB zu beurteilen (4 Ob 34/82). Mangels einer abweichenden Regelung des ASGG zur Möglichkeit der Substitution einer Prozeßvollmacht hat dieser Grundsatz auch im Verfahren in Arbeits- und Sozialrechtssachen Geltung. Die von der Klägerin dem Dkfm.Dr.Franz B***** erteilte schriftliche Vollmacht weist sowohl eine solche Substitutionsberechtigung als auch eine schriftliche Unterbevollmächtigung der in der Tagsatzung vom 14.10.1997 eingeschrittenen Substitutin auf. Daß es sich bei dieser um keine geeignete Person im Sinne des § 40 Abs 2 Z 4 zweiter Halbsatz ASGG gehandelt habe, wurde nicht einmal behauptet. Die Bestimmung des § 38 ZPO über die einstweilige Zulassung gilt auch für Substituten eines Prozeßbevollmächtigten (EvBl 1955/187 = SZ 28/32). Mit der fristgerecht erfolgten Vorlage einer Substitutionsvollmacht wurde die wirksame Vertretung der Klägerin in der Tagsatzung vom 14.10.1997 nachgewiesen, sodaß es, wie von den Vorinstanzen richtig erkannt, für die Fällung eines ("negativen") Versäumungsurteiles an der gesetzlichen Grundlage mangelt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich §§ 40, 50 ZPO.

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