OGH 5Ob98/98t

OGH5Ob98/98t21.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Tobias W*****, vertreten durch Dr.Adolf Concin und Dr.Heinrich Concin, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen die beklagten Parteien 1.) Irene R*****, und 2.) Mag.Albert R*****, beide vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Aufhebung eines Vertrages (Streitwert S 300.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1998, GZ 1 R 296/97g-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16.September 1997, GZ 7 Cg 253/95s-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 12.578,94 (darin enthalten S 2.096,49 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist zu 798/1130 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit Wohnungseigentum an den Objekten W 1 bis W 7, den Beklagten gehören Anteile von je 133/1130 mit Ehegatten-Wohnungseigentum am Objekt W 8.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hatten die Objekte W 1 bis W 7 mit Vertrag vom 25./30.1.1980 auf der Grundlage einer rechtskräftigen Nutzwertfestsetzung vom 27.12.1979 von der Erstbeklagten gekauft, um ein Appartementhaus mit Hallenbad und Sauna zu betreiben. In diesem Zusammenhang war ihnen am 1.2.1980 auch die Unterfertigung einer Vereinbarung abverlangt worden, die sie zur Tragung nahezu sämtlicher Liegenschaftsaufwendungen verpflichtet. Am 18.2.1980 war dann das Mit- und Wohnungseigentum der Rechtsvorgänger des Klägers verbüchert worden.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hielten sich jahrelang an den vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel; der Kläger ficht jedoch nunmehr diese Vereinbarung an.

Von den zahlreichen Anfechtungsgründen - es wurden vor allem Aspekte der Sittenwidrigkeit geltend gemacht - ist im Revisionsverfahren nur noch von Bedeutung, daß der Kläger meint, die Vereinbarung vom 1.2.1980 entspreche nicht den Gültigkeitsvoraussetzungen des § 19 Abs 1 Z 2 WEG idF vor dem 3. WÄG, weil seine Rechtsvorgänger bei Abgabe ihrer Unterschrift noch gar nicht Miteigentümer der Liegenschaft gewesen seien. In diese Rechtsposition gelange man nach österreichischem Recht grundsätzlich erst mit der grundbücherlichen Einverleibung des Miteigentums. Daß § 19 Abs 1 Z 2 WEG die Unterschrift der Miteigentümer verlange und die bloßer Wohnungseigentumsbewerber nicht genügen lasse, sei auch durchaus sinnvoll, weil sich derjenige, der sich mit einer von der Gesetzeslage abweichenden Art der Kostenaufteilung einverstanden erklärt, in der gesicherten Position eines Buchberechtigten befinden soll.

Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren kostenpflichtig ab. Das Berufungsgericht führte dabei zum fraglichen Anfechtungsgrund folgendes aus:

Das Wohnungseigentum sei gemäß § 1 Abs 1 WEG dem Inhalt nach ein dingliches, ausschließliches Verfügungs- und Nutzungsrecht eines Bruchteilseigentümers an bestimmten Teilen der Liegenschaft, verbunden mit den - durch Vereinbarung nicht beschränkbaren - Rechten, die einem schlichten Miteigentümer nach dem Gesetz (gemeint: das ABGB) an der gemeinsamen Sache zustehen und durch das WEG noch erweitert wurden. Seine Wirkung gegen Dritte entfalte das Wohnungseigentum wie jedes andere dingliche Recht erst mit der Einverleibung (§ 12 WEG, §§ 431 ff ABGB). Da jedoch die Rechtsvorgänger des Klägers nicht Dritte im dargestellten Sinn seien, sei ihre Vereinbarung mit der Erstbeklagten vom 1.2.1980 als obligatorische Verpflichtung zu qualifizieren. Auf Grund der zeitlichen Abfolge - Kaufvertrag vom 25./30.1.1980, Vereinbarung vom 1.2.1980, Einverleibung des Miteigentums der Rechtsvorgänger des Klägers am 18.2.1980 - sei davon auszugehen, daß die Rechtsvorgänger des Klägers noch als außerbücherliche Eigentümer die Vereinbarung vom 1.2.1980 unterfertigten und sich durch diese im aufgezeigten Sinn rechtsgültig verpflichten konnten, zumal sie sich ja auch in den Folgejahren immer daran gebunden erachteten. Dingliche Wirkungen habe die Vereinbarung vom 1.2.1980 allerdings erst ab Einverleibung des Miteigentums der Rechtsvorgänger des Klägers im Grundbuch am 18.2.1980 entfaltet.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß dem Berufungsgericht keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage bekannt sei, ob eine Vereinbarung iSd § 19 Abs 1 Z 2 WEG (idF vor dem 3. WÄG) auch von außerbücherlichen Miteigentümern abgeschlossen werden kann.

In der jetzt vorliegenden Revision beharrt der Kläger auf seinem Rechtsstandpunkt, daß den Gültigkeitserfordernissen einer Vereinbarung nach § 19 Abs 1 Z 2 WEG (idF vor dem 3. WÄG) nur entsprochen sei, wenn die schriftliche Zustimmungserklärung von echten (im Grundbuch bereits eingetragenen) Miteigentümern abgegeben wurde. Der Schutzzweck dieser Norm sei nur dann erfüllt, wenn sich der Erwerber eines Miteigentumsanteils bereits in einer gesicherten Rechtsposition befindet. Erst in weiterer Folge soll er entscheiden können, ob er sich mit einem vom Gesetzesvorschlag abweichenden Kostenaufteilung einverstanden erklärt. Unabhängig davon wird in der Revision auch noch das Problem der Sittenwidrigkeit angesprochen. Die diesbezüglichen Rechtsgrundsätze habe zwar das Berufungsgericht völlig richtig wiedergegeben, dann aber in Wendungen wie "die Vereinbarung vom 1.2.1980 sei noch nicht als sittenwidrig zu qualifizieren" doch Zweifel erkennen lassen bzw die Verneinung der Sittenwidrigkeit auf bloße Vermutungen gegründet.

Der Revisionsantrag geht dahin, die Entscheidungen der Vorinstanzen entweder im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens (allenfalls eines Eventualbegehrens) abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Von den Beklagten liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das Berufungsurteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Richtig ist, daß man nach dem im österreichischen Recht geltenden Intabulationsprinzip (§ 431 ABGB) in die Rechtsposition eines Allein- oder Miteigentümers einer Liegenschaft grundsätzlich erst mit der Verbücherung des Erwerbstitels gelangt, sodaß die rein wörtliche Interpretation des § 19 Abs 1 Z 2 WEG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem 3. WÄG (die Bestimmung entspricht im wesentlichen dem geltenden § 19 Abs 2 WEG) zum Ergebnis führen würde, nur ein im Grundbuch bereits eingetragener Miteigentümer - nicht auch ein bloßer Wohnungseigentumsbewerber - könne einen vom Gesetzesvorschlag abweichenden Kostenverteilungsschlüssel vereinbaren. Bei gesetzlichen Gültigkeitserfordernissen einer Vereinbarung ist jedoch stets der Zweck der Regelung zu hinterfragen (vgl Rummel in Rummel2 Rz 8 zu § 886 ABGB). Den vom Gesetzgeber bei Abweichungen vom Verteilungsschlüssel des § 19 Abs 1 WEG offenbar angestrebten Zielen des Übereilungsschutzes und der Beweissicherung (vgl MietSlg 41/27) ist bereits mit dem Schriftlichkeitsgebot genüge getan, sodaß der normative Gehalt der Anordnung, "alle Miteigentümer" hätten die Vereinbarung zu unterzeichnen, in einer anderen Bedeutung zu suchen ist. Damit wurde letztlich nur klargestellt, daß die Vereinbarung eines von der gesetzlichen Regel generell abweichenden Kostenverteilungsschlüssels eine Angelegenheit der Verfügung über die gemeinsame Sache ist, die gemäß § 828 ABGB in die unmittelbare Kompetenz der Teilhaber fällt und keinen Mehrheitsbeschluß zuläßt (vgl Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum WEG 1975 Rz 73 zu § 19; MietSlg 31.533 ua). Folgerichtig bejaht die Lehre die Analogiefähigkeit der Regelung des § 19 Abs 1 Z 2 WEG (idF vor dem 3. WÄG, jetzt § 19 Abs 2 WEG) über das schriftliche Abbedingen des gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssels auf Vereinbarungen im Vorstadium des Wohnungseigentums, sofern damit der im Gesetz genannte Personenkreis der (späteren) Miteigentümer nicht verlassen wird (vgl Faistenberger/Barta/Call aaO Rz 75 zu § 19 WEG; idS auch Würth in Rummel2 Rz 4 zu § 19 WEG; Palten, Wohnungseigentumsrecht2 Rz 212). Uneinigkeit besteht nur darin, ob auch die von den Wohnungseigentumsbewerbern mit dem Wohnungseigentumsorganisator abgeschlossenen schriftlichen Verträge in Summe eine Vereinbarung iSd § 19 Abs 1 Z 2 WEG ersetzen können (für letzteres offenbar Würth und Palten aaO; vgl auch Zingher in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 13 zu § 19 WEG). Letzteres ist hier nicht zu entscheiden, weil die zu prüfende Vereinbarung ohnehin zwischen den (späteren) Miteigentümern der Liegenschaft abgeschlossen wurde. Den zitierten Lehrmeinungen ist jedenfalls insoweit zu folgen, daß die bloße Tatsache des Vertragsabschlusses vor Verbücherung des Mieteigentums aller Vertragspartner kein Hindernis für die Gültigkeit der Vereinbarung sein kann.

Damit erweist sich die Revision als nicht berechtigt. Zur Frage der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 1.2.1980 bemerkt der Rechtsmittelwerber selbst, daß das Berufungsgericht die einschlägigen Judikaturgrundsätze vollkommen richtig wiedergegeben hat. Ein Subsumtionsfehler, der am Ergebnis zweifeln ließe, daß das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit eindeutig verneinte, ist nicht zu erkennen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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