Spruch:
Dem Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der am 16.10.1949 geborene Vater der in Obsorge der Mutter befindlichen Minderjährigen ist seit 12.9.1988 arbeitslos. Er bezog zuletzt Notstandshilfe von S 9.099,- monatlich und befindet sich seit 7.2.1997 in Krankenstand. Sein Krankengeld beträgt S 303,30 täglich. Es treffen ihn keine weiteren Sorgepflichten.
Der als arbeitssuchend gemeldete Vater ist in seinem erlernten Beruf als Fliesenleger nicht mehr vermittelbar. Wegen - nach Entziehungskuren dzt. nicht mehr gegebenen - Alkoholmißbrauchs und berufs- und altersbedingter körperlicher Abnützungserscheinungen ist seine Erwerbsfähigkeit um 20 % gemindert. Tätigkeiten wie die eines Lagerarbeiters, Hauswarts oder solche im Zustelldienst sind ihm zumutbar.
Auf Grund Beschlusses vom 10.2.1994 war der Vater zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.550,- verpflichtet. Mit dem angefochtenen Beschluß verhielt ihn das Erstgericht ab 1.5.1996 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.150,-. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt erachtete es das Erstgericht als möglich, der Vater könne eine seinem Gesundheitszustand angemessene Tätigkeit mit einem Monatseinkommen von S 12.000,-
monatlich netto ausüben. Im Sinne des in § 140 Abs 1 ABGB verankerten Anspannungsgrundsatzes sei dieses fiktive Einkommen der Unterhaltsbemessung zu Grunde zu legen und davon der mit 18 % bestehende Anspruch der Minderjährigen zu berechnen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge. Jahrelange Arbeitslosigkeit lasse grundsätzlich den Schluß zu, daß der Unterhaltspflichtige nicht alles in seinen Kräften stehende unternehme, um einen Arbeitsplatz zu finden. Es sei gerichtsbekannt, daß Hilfsarbeiter im Raume Wien im allgemeinen innerhalb angemessener Frist am Arbeitsmarkt vermittelbar seien und rund S 12.000,- monatlich netto einschließlich anteiliger Sonderzahlungen verdienen könnten. Die vom Erstgericht angenommene fiktive Unterhaltsbe- messungsgrundlage sei daher nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Rekurswerbers, er habe am 26.8.1997 wegen einer Nervenlähmung im Gesicht neuerlich um Gewährung der Invaliditätspension angesucht, sei als unzulässige Neuerung nicht zu berücksichtigen, weil das Vorbringen einen Umstand betreffe, der nach erstinstanzlicher Beschlußfassung am 19.8.1997 eingetreten sei.
Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es ist ständige Rechtsprechung, daß das Rekursgericht zwar die Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seiner Erlassung vorzunehmen hat, die (eingeschränkte) Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG es den Parteien jedoch erlaubt, sich im Rekurs auf solche neuen Umstände zu beziehen, die bereits vor der Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses erwogen werden konnten und für die richtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts von Bedeutung sein können. Insoweit kann das vorliegende Tatsachenmaterial berichtigt oder ergänzt werden und können für unbewiesene Behauptungen neue Beweise vorgebracht werden (NZ 1964, 119; EvBl 1974/226; 1 Ob 2245/96w; 8 Ob 347/97f; 1 Ob 281/97y u.v.a.).
Die Annahme des Rekursgerichtes, der Rechtsmittelwerber habe sich zur Dartuung seiner Erwerbsunfähigkeit lediglich auf einen nach Beschlußfassung erster Instanz verwirklichten Sachverhalt, nämlich den am 26.8.1997 eingebrachten Pensionsantrag, gestützt, ist aktenwidrig. Der Vater hat nämlich mit seinem Rekurs eine ärztliche Bescheinigung vom 24.6.1997 (AS 163) vorgelegt, wonach er seit mehreren Monaten an einer Erkrankung aller drei Äste des nervus trigeminus leide und wegen der schweren Schmerzen nicht arbeitsfähig sei. Dieser Befund wird durch eine Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 20.5.1997 (AS 167) im wesentlichen bestätigt.
Der Vater ist vor Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses letztmalig am 29.11.1996 (ON 62) vernommen worden. Aus der - auch vom Erstgericht in seinen Feststellungen berücksichtigten - Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse vom 20.6.1997 (ON 77) ergibt sich, daß er seit 7.2.1997 bis "laufend" in Krankenstand sei. Letztere Mitteilung hätte bereits das Erstgericht veranlassen müssen, weitere Erhebungen, insbesondere eine neuerliche Vernehmung des Vaters, durchzuführen, um dessen Arbeitsfähigkeit zu klären. Das Verfahren ist daher schon deshalb mangelhaft geblieben und stellt sich das Vorbringen des Vaters im Rekurs lediglich als Vorlage von Beweismitteln dar, die bereits das Erstgericht auf Grund der Aktenlage einzuholen gehabt hätte.
In Wahrnehmung der vorliegenden Revisionsgründe des § 15 Z 2 und 3 AußStrG ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren - allenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - die Frage der Arbeitsfähigkeit des Vaters sowie den Umfang und Zeitraum ihrer allfälligen Einschränkung zu klären haben.
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