OGH 15Os28/98

OGH15Os28/982.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.April 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kast als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz N***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 27. November 1997, GZ 13 Vr 1236/97-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I.1. zur Gänze sowie betreffend den Schuldspruch I.2. im Ausspruch, Franz N***** habe gewerbsmäßig, als Mitglied einer Bande und mit Beziehung auf ein Suchtgift gehandelt, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmacht, und damit in der rechtlichen Unterstellung der zu diesem Faktum angeführten Tat auch unter die Qualifikationen des § 12 Abs 2, Abs 3 Z 3 SGG sowie demnach auch im Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) und im Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten für den erfolglos gebliebenen Teil seines Rechtsmittels zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz N***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 3 SGG (I.) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (II.) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 16 a SGG in Verbindung mit § 26 StGB wurde die sichergestellte Suchtgiftmenge von 3.462,32 Gramm Kokain eingezogen. Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 StGB wurde Franz N***** schuldig erkannt, "einen Geldbetrag von 55.000 S als unrechtmäßige Bereicherung zu bezahlen".

Danach hat Franz N*****

I. in Schwechat gewerbsmäßig als Mitglied einer Bande im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Johann S***** und Josef H***** Suchtgift in einer Menge, die zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 3 (richtig: Abs 1) SGG angeführten großen Menge, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, ausmacht, nach Österreich eingeführt, und zwar

1. im August 1997 "eine nicht mehr feststellbare Menge Kokain", die er durch Übergabe an Johann S***** in Verkehr setzte,

2. am 8.Oktober 1997 2.462,32 Gramm (richtig: 3.462,32 Gramm - siehe AS 121, US 6 und 10) Kokain mit einem Reingehalt von 2.483 +/- 64 Gramm reiner Heroinbase;

II. im August 1997 in Wien außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, und zwar Cannabis, besessen und konsumiert.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche richtet sich eine auf die Gründe der Z 3, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche teilweise im Recht ist. Den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung, die Abschöpfung der Bereicherung mit "Beschwerde".

In der Mängel- (Z 5) und in der Subsumtionsrüge (Z 10) macht der Beschwerdeführer zu den Urteilsfakten I.1. und 2. geltend, das Erstgericht hätte keine oder nicht ausreichende Feststellungen zur banden- und gewerbsmäßigen Begehung des Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz getroffen sowie ausreichende Konstatierungen zur subjektiven Tatseite bezüglich der Einfuhr einer übergroßen Menge Kokain unterlassen.

Dieser Einwand ist berechtigt.

Für die bandenmäßige Tatbegehung ist bei Suchtgiftschmuggel zumindest erforderlich, daß der Täter bei seiner Mitwirkung am Transport Kenntnis davon hatte, hiebei als Mitglied einer zu fortgesetztem Rauschgiftschmuggel verbundenen Organisation (Bande) zu fungieren und zumindest mit seinem Tatbeitrag die Ziele einer hinter dem konkreten Transport stehenden Organisation zu unterstützen. Dies setzt aber voraus, daß er den nötigen Einblick und Überblick hinsichtlich der Planung und Organisation des Suchtgifttransportes und seines Umfanges hatte, um eine notwendigerweise bandenmäßige Durchführung des Unternehmens ebenso erkennen zu können wie, daß es sich dabei um keine einmalige Aktion handelte (Mayerhofer Nebenstrafrecht4 § 28 SMG E 92).

Daß der Angeklagte die Taten in diesem Sinne als Mitglied einer Bande begangen hätte, hat das Schöffengericht nicht festgestellt, sondern sich mit der bloßen Anführung der Tatbegehung "als Mitglied einer Bande" im Urteilsspruch begnügt. Damit fehlt es aber an ausreichenden Feststellungen, welche die rechtliche Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des § 12 Abs 2 SGG rechtfertigen könnten.

Zur Gewerbsmäßigkeit haben die Tatrichter nur konstatiert, daß "der Angeklagte bei den Transporten die Absicht hatte, sich ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen" (US 6), und die Taten beging, "um sich ein Einkommen zu verschaffen" (US 10).

Nach § 70 StGB ist jedoch für die Gewerbsmäßigkeit erforderlich, daß der Täter die Tat in der Absicht begeht, sich durch deren Wiederholung ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

Daß sich Franz N***** durch den Suchtgiftschmuggel entweder ein ständiges oder aber doch für längere Zeit wirkendes, wenn auch nicht unbedingt regelmäßiges Einkommen (Leukauf/Steininger Komm3 § 70 RN 3) erschließen wollte, ist den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteiles nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus hat das Schöffengericht - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - keine Feststellungen darüber getroffen, daß die Einfuhr einer Suchtgiftmenge, die zumindest das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmachte, vom Vorsatz des Täters umfaßt war. Die Qualifikation des § 12 Abs 3 Z 3 SGG ist aber nur dann verwirklicht, wenn die übergroße Menge vom (zumindest bedingten) Vorsatz getragen war (Mayerhofer/Rieder aaO E 81).

Diese fehlenden Konstatierungen bewirken eine Urteilsnichtigkeit im aufgezeigten Umfang.

Zum Schuldspruchfaktum I.1. macht der Nichtigkeitswerber darüber hinaus in seiner Mängelrüge (Z 5) zutreffend geltend, daß die Urteilsfeststellungen in entscheidungswesentlichen Tatsachen mit einem inneren Widerspruch behaftet seien. Tatsächlich hat das Erstgericht im Urteilsspruch angeführt, Franz N***** habe im August 1997 eine nicht mehr feststellbare Menge Kokain nach Österreich eingeführt und durch Übergabe an Johann S***** in Verkehr gesetzt. Nach den Urteilsgründen übernahm der Angeklagte in Costa Rica einen blauen Schalenkoffer, in welchem sich eine große Menge Kokain befand, von der er auch Kenntnis hatte (US 5 3.Absatz). Unmittelbar danach stellte das Schöffengericht fest, in diesem Koffer hätte sich eine unbekannte Menge Kokain in unbekannter Qualität befunden (US 5 4. Absatz).

Diese Konstatierungen sind tatsächlich widersprüchlich und betreffen auch deswegen eine entscheidende Tatsache, weil dem Angeklagten auch das Inverkehrsetzen einer großen Menge Kokain durch Übergabe an Johann S***** angelastet wurde. Die Begehungsarten des "Einführens" und des "Inverkehrsetzens" sind als kumulative Mischdelikte konzipiert, bei denen die Annahme oder Nichtannahme einer weiteren (gleich wie die irrige Annahme einer anstatt einer anderen) Begehungsart sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar ist (15 Os 6/95).

Daraus folgt, daß sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden läßt, sodaß das angefochtene Urteil in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 285 e StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben war. Damit erübrigt sich aber eine Erörterung der zu diesen Punkten weiter geltend gemachten Beschwerdeeinwänden ebenso wie eine Aufklärung des Widerspruches in den Summen der abgeschöpften Bereicherung (Urteilsspruch: 55.000 S, Urteilsgründe: 50.000 S).

Im übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht im Recht.

Soweit der Beschwerdeführer zum Faktum I.2. einen (vermeintlichen) Widerspruch dahin aufzeigt, daß im Urteilsspruch eine Kokainmenge von 2.462,32 Gramm angenommen, gleichzeitig aber eine Einziehung von 3.462,32 Gramm ausgesprochen worden sei, ist dieser Einwand zwar objektiv zutreffend, doch ergibt sich aus den Urteilsgründen (US 6, 7, 10) sowie aus der Tatsache, daß die Reinsubstanz mit 2.483 +/- 64 Gramm festgestellt wurde, eindeutig, daß es sich bei den im Spruch angeführten 2.462,32 Gramm lediglich um einen Schreib- oder Diktatfehler handelt und die Verurteilung zweifelsfrei wegen der Menge von 3.462,32 Gramm Kokain mit dem angeführten Reinheitsgehalt erfolgte. Ein Widerspruch im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegt daher nicht vor.

Ebensowenig ist - entgegen der Beschwerde - das Urteil im Schuldspruch II. mit diesem Nichtigkeitsgrund behaftet. Der Verantwortung des Beschwerdeführers folgend (387) stellten die Tatrichter fest, daß er im August 1997 anläßlich der Übergabe des Koffers mit Kokain an Johann S***** von diesem neben einem Geldbetrag auch "Cannabis zum Rauchen" erhielt. "Dabei wußte der Angeklagte, daß der Besitz von Cannabis auch in geringen Mengen verboten und das Rauchen von Cannabis illegal ist" (US 5, 6). Daraus ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, daß Franz N***** den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift zum Besitz und Konsum übernahm. Nicht entscheidungswesentlich ist dabei, um welche konkrete Form von Cannabis es sich handelte und welche Menge an Reinsubstanz darin enthalten war, weil § 16 Abs 1 SGG auch den Besitz von geringen Mengen pönalisiert.

Ein formeller Begründungsmangel in den zuletzt angeführten Punkten liegt daher nicht vor, sodaß die Beschwerde in diesem Umfang als offenbar unbegründet bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

Im erneuerten Verfahren wird die von Franz N***** im August 1997 nach Österreich geschmuggelte Suchtgiftmenge näher zu spezifizieren, über die banden- und gewerbsmäßige Begehung der Kokaineinfuhr sowie die subjektive Tatseite zur "Übermenge" neu zu befinden sein, wobei das Schöffengericht bei der rechtlichen Beurteilung im Hinblick auf die Bestimmungen des mit 1.Jänner 1998 in Kraft getretenen Suchtmittelgesetzes (BGBl 112/1997) einen Günstigkeitsvergleich iSd §§ 1, 61 StGB anzustellen haben wird.

Mit seiner Berufung und der "Beschwerde gegen die Abschöpfung der Bereicherung" war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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