OGH 6Ob389/97t

OGH6Ob389/97t19.3.1998

1Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth (Lisa) H*****, vertreten durch Dr.Christian Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Leopold S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Nemetz und Dr.Hans Christian Nemetz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 56.400 S infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 1.September 1997, GZ 35 R 575/97m-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 14.April 1997, GZ 18 C 448/96i-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Cafehaus-Besucherin begehrt von der beklagten Cafehaus-Betreiberin (Gesellschaft mbH) 56.400 S sA als Ersatz zweier vorderer Schneidezähne sowie Schmerzengeld, weil sie in der Nacht vom

20. auf den 21.März 1996 alkoholisiert vom (vormals) erstbeklagten Kellner - in Ansehung dessen der beantragte Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwuchs - , somit Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei aus deren Lokal gezerrt und über die Stufen vor der Eingangstüre ins Freie gestoßen worden sei, wodurch sie gegen ein vor dem Eingang befindliches Baugerüst gestürzt und dabei verletzt worden sei. Im Strafverfahren war der vormals Erstbeklagte mangels Schuldbeweises freigesprochen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil es beweiswürdigend die Darstellung der Klägerin über die Ursachen ihres Sturzes nicht als erwiesen annehmen konnte.

Die zweite Instanz bestätigte das Ersturteil, weil die eingehende Beweisrüge der Klägerin nicht gesetzgemäß ausgeführt gewesen sei.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach stRspr ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes über eine Beweisrüge mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befaßt, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS-Justiz RS0043150). Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge, die es für nicht gesetzgemäß ausgeführt ansah, gerade nicht befaßt. Um eine Beweisrüge iSd § 467 Abs 1 Z 3 ZPO auszuführen, muß der Rechtsmittelwerber angeben, zumindest aber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung (statt dessen) begehrt wird, auf Grund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (stRspr: 7 Ob 752/79, 1 Ob 659/85 uva, zuletzt 8 ObA 116/97k, 1 Ob 213/97y; RIS-Justiz RS0041830; Kodek in Rechberger § 471 ZPO Rz 8).

Bei Prüfung der Berufung der Klägerin unter diesen Aspekten fehlt

keine der als erforderlichen angesehenen Voraussetzungen: Die

Klägerin hat ausgeführt, welche Feststellung sie bekämpft ("... daß

der Zeuge [vormaliger Erstbeklagter] kein Verhalten gesetzt habe,

wodurch sie [Klägerin] gestürzt sei und sich die Verletzung zugezogen

habe ...; ON 29 AS 130), infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung

(ON 29 AS 130), welche (andere) Feststellung ("... daß der ...

[vormaliger Erstbeklagter] zumindest fahrlässig als Angestellter und Gehilfe der beklagten Partei ein Verhalten gesetzt hat, wodurch die Klägerin zum Sturz kam ..."; ON 29 AS 132) begehrt wird und auf Grund welcher Beweismittel eine solche Feststellung getroffen werden soll (Vernehmung der Klägerin als Partei ON 29 AS 131). Daß die in der Berufung begehrte Feststellung auch rechtliche Elemente beinhaltet, schadet nicht, war doch klar erkennbar, daß die Klägerin eine Feststellung anstrebt, kausal für ihren Sturz wäre ein "Verhalten" eines im einzelnen bezeichneten Gehilfen der beklagten Partei gewesen. Daß unter dieses "Verhalten" außer dem von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren behaupteten Stoßen wohl nichts in Frage kommt, liegt auf der Hand. Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung kann von einem Verstoß gegen das Neuerungsverbot keine Rede sein.

Infolge dieses Mangels des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO (vgl dazu Kodek aaO § 503 ZPO Rz 3) ist der außerordentlichen Revision Folge zu geben und das Berufungsurteil aufzuheben. Die zweite Instanz wird im fortgesetzten Berufungsverfahren die Beweisrüge der Klägerin meritorisch zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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