OGH 10ObS94/98s

OGH10ObS94/98s10.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Dr.Martha Seböck (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Scheed (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erwin K*****, Bäcker, derzeit ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Christian Riesemann, Rechtanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.November 1997, GZ 8 Rs 166/97m-69, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4.Februar 1997, GZ 34 Cgs 89/94f-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die - hilfsweise - geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, daß der am 3.7.1953 geborene Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 1 ASVG ab 1.7.1992 nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie entspricht im Ergebnis auch der seit den Entscheidungen SSV-NF 1/33 und 1/67 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit voraussetzt, daß sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit, also nach seinem Eintritt in das Berufsleben, in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat. Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann daher bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen (vgl auch SSV-NF 4/60 = SZ 63/61, zuletzt SSV-NF 10/13).

Die körperlichen Einschränkungen, die eine Beschäftigung des Klägers in seinem erlernten Beruf als Bäcker ausschließen, nämlich die Unfähigkeit zu beidhändigem Verrichten mittelschwerer Arbeiten über die halbe Arbeitszeit hinaus, bestanden nach den Feststellungen schon vor dem Eintritt in das Berufsleben, weil sie auf eine angeborene Deformation der rechten Hand zurückzuführen sind. Es handelt sich also dabei um einen vom Kläger in das Arbeitsleben eingebrachten und in diesem Belang seither im wesentlichen unverändert bestehenden Zustand, der bei Prüfung der Invalidität außer Betracht zu bleiben hat. Sieht man aber von den durch diese Behinderung bedingten Schwierigkeiten bei der Berufsausübung ab, ist der Kläger in der Lage, seiner in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag tatsächlich ausgeübten Beschäftigung weiterhin nachzugehen. Seit dem Eintritt in das Berufsleben hat sich sein medizinisches Leistungskalkül nur insoweit geändert, als nunmehr auch Arbeiten in unebenem Gelände auszuschließen sind; damit scheiden aber nach den Feststellungen Tätigkeiten als Bäcker oder Bäckerhelfer nicht aus.

Auf die vom Berufungsgericht erörterte weitere Frage, ob der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend in seinem erlernten Beruf tätig gewesen sei und durch die tatsächlich ausgeübten Teiltätigkeiten des Bäckerberufes einen Berufsschutz erworben habe, kommt es nicht an. Kann ein Versicherter mangels wesentlicher Änderung seines Leistungskalküls die bisher ausgeübten Tätigkeiten weiterhin verrichten, stellt sich die Frage nach seiner Verweisbarkeit gar nicht.

Mit Rücksicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt erübrigt sich auch eine Stellungnahme zu der vom Berufungsgericht zitierten (unveröffentlichten) Entscheidung vom 25.6.1996, 10 ObS 2146/96b. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei daher nur darauf verwiesen, daß erlernte oder angelernte Berufstätigkeiten dann als überwiegend im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden (Abs 2, zweiter Satz). Ein Überwiegen qualifizierter Tätigkeiten innerhalb der täglichen Arbeitszeit wird hingegen nicht gefordert.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage nicht ersichtlich.

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