OGH 15Os195/97

OGH15Os195/9722.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Jänner 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kubiczek als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stefan B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.November 1997, GZ 1c Vr 8.117/97-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Stefan B***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1.) und des gewerbsmäßig begangenen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (5.) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2.), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (3.) und des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (4.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er (soweit für die Rechtsmittelerledigung bedeutsam) in Wien

1. am 8.Mai 1997 eine unmündige Person, nämlich die am 7.August 1983 geborene Cathrin A*****, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er in ihre Shorts griff und sie im Bereich des Geschlechtsteils betastete und streichelte;

2. zwischen 8.Mai und Sommer 1997 wiederholt Cathrin A***** durch die Äußerung, er werde sie umbringen, zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Unmittelbar nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung meldete der Angeklagte "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung" an (170). Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung führte der Verteidiger eine "Nichtigkeitsberufung" aus (ON 21), in der er zwar prozessual verfehlt "gemäß § 489 StPO i.S. des § 468 Abs 1 Z 3 StPO", aber - trotz dieses Vergreifens im Ausdruck - dennoch deutlich die Nichtigkeitsgründe nach Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO in Ansehung der Schuldspruchfakten 1. und 2. geltend macht und eine "Strafberufung" ausführt.

Voranzustellen ist, daß die Rechtsmittelanträge (207) zwar dahin lauten, "das angefochtene Urteil abzuändern", in eventu "das erstgerichtliche Urteil aufzuheben", somit den gesamten Schuldspruch erfassen; zu den Schuldsprüchen laut 3., 4. und 5. sind aber weder bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde noch in ihrer Ausführung Tatumstände ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisungen angeführt, die einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe bilden sollen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit gemäß § 285a Z 2 iVm § 285d Abs 1 Z 1 StPO sogleich zurückzuweisen war.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Hinweis auf seine (den Schuldvorwurf zu 1. in Abrede stellenden) Verantwortung und mit der bloßen Vermutung, das unmündige Unzuchtsopfer sei auf ihn böse gewesen, weil es von ihm kein Fahrrad erhalten habe, weshalb es die unwahren Behauptungen aufgestellt habe, zeigt der Beschwerdeführer keine unzureichende Begründung (Z 5) der zentralen Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen (US 4 erster Absatz dritter bis fünfter Satz) auf. Eine solche läge überhaupt nur dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben wären, aus denen sich nach den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen ließe, oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar wäre (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 114).

Im vorliegenden Fall folgte das Schöffengericht jedoch den in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks für glaubwürdig beurteilten (wiederholten) Aussagen der Belastungszeugin Cathrin A***** im Zusammenhalt mit Beobachtungen der Inge A***** über das ungewöhnliche Verhalten ihrer Tochter unmittelbar nach der Tat sowie der Sicherheitswachebeamtin G***** vor und bei Anzeigeerstattung und legte mit ausführlicher und formel einwandfreier Begründung dar, warum es der anders lautenden, in der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholten Verantwortung des Angeklagten den Glauben versagt hat (vgl US 5 f).

Unzutreffend ist der zum Vergehen wegen gefährlicher Drohung (2.) erhobene Einwand, das Urteil enthalte zur subjektiven Tatseite keine ausreichende Begründung.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Angeklagte den Urteilsfeststellungen (US 1 und 4 zweiter Absatz) zufolge mit seinen - von der Absicht, daß Mädchen in Furcht und Unruhe zu versetzen, getragenen - Androhungen, es (zumindest) am Körper zu verletzen, unmittelbar nach dem unzüchtigen Angriff auf die unmündige Cathrin A***** begonnen und sie bis Sommer 1997 fortgesetzt hatte, was das Schöffengericht gleichfalls auf die von ihm als glaubhaft beurteilten Depositionen des betroffenen Opfers und in Bezug auf eine am 9.Juni 1997 erfolgte (neuerliche) Drohung auch auf die Bestätigung der Inge A***** stützte (vgl abermals US 5 f), Tatsachen, die der Nichtigkeitswerber außer acht läßt, ist die kritisierte erstgerichtliche Begründung (US 6 vierter Absatz), wonach die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatbestand zwingend ableitbar sind, bei der gegebenen Fallkonstellation durchaus mängelfrei.

Das weitere Beschwerdevorbringen (S 205 zweiter Absatz) ist schlichtweg unverständlich und daher einer sachbezogenen Antwort nicht zugänglich.

Nach Inhalt und Zielrichtung läuft daher das gesamte Vorbringen lediglich auf eine im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässige Schuldberufung hinaus, mit der die sachgerechte Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft wird.

Die nominell auf Z 9 lit a gestützte Rechtsrüge enthält weder eine gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten materiellen noch eines formellen Nichtigkeitsgrundes.

Zum einen weist sie nämlich nicht auf der Basis des gesamten konstatierten Urteilssachverhalts konkret nach, in welcher Richtung dem Erstgericht ein Feststellungsmangel unterlaufen sein soll.

Zum anderen argumentiert sie mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe es unterlassen, die (in der Beschwerdeschrift namentlich nicht einmal genannte) Zeugin eingehend darüber zu befragen, wie sich die Angelegenheit mit dem Fahrrad abgespielt hat, geradewegs an der Aktenlage vorbei (vgl ZV Cathrin A***** 158 f und ZV Inge A***** 160 iVm 41). Im übrigen wäre es dem Angeklagten oder seinem Verteidiger freigestanden, die von der Beschwerde ins Auge gefaßte Zeugin in der Hauptverhandlung noch näher darüber zu befragen. Daß sie in ihrem Fragerecht beschnitten worden wären, ist dem Hauptverhandlungsprotokoll, dessen Berichtigung von keiner Seite begehrt wurde, ebensowenig zu entnehmen wie den Beschwerdeausführungen.

Die Wiederholung einzelner bereits in der Mängelrüge - wie dargelegt - zu Unrecht erhobener pauschaler Einwendungen (die Zeugin habe diese Angaben lediglich aus Rache gemacht, weil ihr der Beschwerdeführer kein Geld für ein Fahrrad gegeben habe; er habe die Minderjährige wie immer über dem Rücken gestreichelt; von einer Bedrohung nach diesem Vorfall könne überhaupt nicht die Rede sein; diese seine Verantwortung habe er auch bei seiner polizeilichen Einvernahme wahrheitsgemäß deponiert) ist erneut bloß eine ihm im Nichtigkeitsverfahren verwehrte Kritik an der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285i StPO).

Angesichts der nur wenige Zeilen umfassenden Stellungnahme der Generalprokuratur ist - wie abschließend angemerkt sei - die gemäß § 35 Abs 2 StPO eingeräumte Äußerungsfrist (von drei Tagen) angemessen.

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