Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens als unangefochten unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, daß auch das Begehren, der Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei S 63.243,-- samt 4 % Zinsen seit 12.11.1995 zu zahlen, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die in allen Instanzen mit insgesamt S 20.299,92 (darin enthalten S 3.383,36 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte verursachte mit seinem bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten PKW Mazda 323 am 14.4.1995 um 1.10 Uhr nachts in Wien einen Verkehrsunfall. Er hatte am Abend davor das Filmstudio eines Bekannten aufgesucht und sich gemeinsam mit diesem mit einem neu eingekauften Schnittcomputer beschäftigt. Gegen Mitternacht fuhr er mit seinem PKW nach Hause. Als er dort ankam, stellte er fest, daß er den Haustorschlüssel im Filmstudio vergessen hatte. Er fuhr daher wieder zum Filmstudio zurück. Auf dem Weg dorthin stieß er unmittelbar nach der Kreuzung der Otto Bauer-Gasse mit der Königseckgasse gegen auf der rechten Fahrbahnseite geparkte PKWs, wodurch drei dieser PKWs beschädigt wurden. Nähere Feststellungen zum Unfallshergang können nicht getroffen werden. Nach der Kollision ragte der PKW des Beklagten in die aktive Fahrbahn der Otto Bauer-Gasse. Der Beklagte ließ den PKW in der Endlage stehen und ging zu Fuß nach Hause. Der Beklagte zeigte den Unfall gegen 9.00 Uhr früh beim Bezirkspolizeikommisariat Mariahilf an, das fünf Gehminuten von der Unfallstelle entfernt liegt. Es können keine Feststellungen über die Fahrtüchtigkeit des Beklagten im Unfallszeitpunkt getroffen werden.
Die klagende Partei hatte an die durch den Unfall geschädigten Dritten S 63.243,-- zu zahlen.
Mit ihrer auf die §§ 6 und 8 AKHB gestützten Regreßklage begehrte sie diesen Betrag vom Beklagten sowie die Feststellung seiner Haftung für sämtliche noch zu erbringenden Leistungen bis zu einem Gesamtbetrag von S 100.000,--. Der Beklagte habe den Unfall erst nach 8 Stunden angezeigt. Infolge der Fahrerflucht des Beklagten und seiner verspäteten Unfallsmeldung sei es nicht mehr möglich, den Sachverhalt objektiv zu beurteilen. Offensichtlich habe der Beklagte deshalb nicht sofort die Anzeige erstattet, weil er seine Fahruntüchtigkeit habe verbergen wollen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei zum Unfallszeitpunkt nicht betrunken gewesen. Am Unfall sei ein weiteres Fahrzeug beteiligt gewesen, das von der Königseckgasse unter Mißachtung des Vorranges des Beklagten in die Otto Bauer-Gasse eingefahren und rechts hinten gegen den PKW des Beklagten gestoßen sei, der dadurch auf die geparkten Fahrzeuge geschleudert worden sei. Der unbekannte Lenker habe die Fahrt nach dem Unfall fortgesetzt. Die Beweislage hätte sich auch bei sofortiger Anzeigeerstattung nicht geändert. Das Feststellungsinteresse werde bestritten.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei S 63.243,-- sA zu zahlen und wies das Mehrbegehren auf Feststellung ab. Der Beklagte habe gegen die Aufklärungsobliegenheit nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB verstoßen, weil er nach dem Verkehrsunfall nicht sofort die nächste Polizeibehörde verständigt habe, wozu er nach § 4 Abs 5 STVO verpflichtet gewesen wäre. Die Unterlassung der sofortigen Anzeige könne im konkreten Fall angesichts des Unfallsbildes - drei beschädigte Fahrzeuge und das Hineinragen des PKWs des Beklagten in die aktive Fahrbahn - ihren Grund wohl nur darin haben, daß sich der Beklagte einer Überprüfung seiner Fahrtüchtigkeit im Unfallszeitpunkt habe entziehen wollen. Der Beklagte habe weder bewiesen, daß er die Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe, noch habe er den Kausalitätsgegenbeweis erbracht. Das Leistungsbegehren sei daher berechtigt. Dem Feststellungsbegehren fehle jedoch das Rechtschutzinteresse, weil mit weiteren Ansprüchen Dritter gegen die klagende Partei nicht zu rechnen sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aufgrund des Verhaltens des Beklagten unmittelbar nach dem Unfall sei von einer Erschwerung der Klärung des Unfallsherganges und der Überprüfbarkeit der Fahrtauglichkeit des Beklagten auszugehen. Es sei damit der objektive Tatbestand der Verletzung der Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, nachgewiesen. Die bloße Parteiaussage des Versicherten sei zur Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises untauglich. Die mangelnde Feststellbarkeit der Fahrtauglichkeit des Beklagten gehe daher zu seinen Lasten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Übertretung des § 4 Abs 5 StVO für sich allein nicht schon einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988 gleichzuhalten. Es ist vielmehr notwendig, daß ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung dadurch, daß ein Beweismittel infolge der unterlassenen Anzeige objektiv unbenützbar bzw beseitigt wird, im nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der konkrete Verdacht und die Unbenützbarkeit des Beweismittels infolge Unterlassung bzw Verspätung der Anzeige muß vom Versicherer behauptet und bewiesen werden (SZ 51/180; SZ 64/105 = ZVR 1992/11 ua, zuletzt etwa 7 Ob 43/95, 7 Ob 2068/96k).
Die klagende Partei hat zwar den Verdacht ausgesprochen, der Beklagte habe durch die verspätete Unfallsmeldung seine Fahruntüchtigkeit verbergen wollen. Es wurde aber weder ein konkreter Verdacht in Richtung einer Alkoholisierung noch ein sonstiger, eine Fahruntüchtigkeit bewirkender Umstand geltend gemacht. Daß der Beklagte die Stunden vor dem Unfall mit einem Bekannten in dessen Tonstudio verbrachte und den dort vergessenen Haustorschlüssel holen wollte, legt den Verdacht der Alkoholisierung ebensowenig nahe wie das Unfallsgeschehen selbst, dessen Ursache ungeklärt blieb und etwa auch auf eine Unachtsamkeit des Klägers oder auf die von ihm geschilderte Kollision mit einem unbekannten Lenker zurückzuführen sein kann. Da auch nicht feststeht, ob das Fahrzeug des Beklagten nach dem Unfall überhaupt noch fahrtauglich war (nach dem Inhalt der Anzeige Beil./H war der PKW des Beklagten an der Vorderfront schwer beschädigt), indiziert selbst der Umstand, daß der Beklagte seinen Heimweg nach dem Unfall zu Fuß fortsetzte und den PKW in der Unfallendlage stehen ließ, noch nicht, daß der Beklagte unter Alkoholeinfluß stand. Ein konkreter Verdacht in Richtung einer Alkoholisierung wäre etwa dann gegeben, wenn der Versicherte einen Unfall nach einem Gasthausbesuch mit Alkoholkonsum auf eine Weise verschuldete, bei der mangelnde Fahrtüchtigkeit naheliegt (SZ 64/105 mwN), wenn der Versicherte nach dem Unfall eine entsprechende Anzeigeerstattung unterläßt und unmittelbar nach dem Unfall Alkohol zu sich nimmt (7 Ob 43/95) oder wenn er nach einer Betriebsfeier einen Unfall verschuldet und Fahrerflucht begeht (ZVR 1985/94). Derartiges wurde aber hier nicht festgestellt.
Da ein konkreter Verdacht im Hinblick auf eine Fahruntüchtigkeit vom Versicherer weder hinreichend behauptet noch nach den vorliegenden Feststellungen erwiesen wurde, stellt sich die Frage, ob die Aussage des Beklagten allein zur Durchführung des Gegenbeweises der fehlenden Kausalität untauglich ist (wie dies nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates bejaht wird - so etwa VR 1992/272 mwN) nicht.
Mangels eines Nachweises der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988 war daher das Regreßbegehren der klagenden Partei in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Gänze abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf §§ 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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