OGH 7Ob2068/96k

OGH7Ob2068/96k17.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Josef Kaiblinger und Mag.Franz Eschlböck, Rechtsanwälte in Gunskirchen, wider die beklagte Partei Peter R*****, vertreten durch Dr.August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen S 100.000 s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 4.Dezember 1995, GZ 21 R 433/95-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 5.Juli 1995, GZ 2 C 3425/94k-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Am 6.3.1994 fuhr der Beklagte gegen 2,20 Uhr nachts mit dem PKW seiner Freundin Claudia B*****, der bei der beklagten Partei haftpflichtversichert war, auf der Bahnhofstraße in V***** in Richtung Bundesstraße 1. Er kam von der Fahrbahn nach rechts ab und kollidierte mit einem parkenden PKW, der durch die Wucht des Aufpralles einen weiteren PKW beschädigte. Der vom Beklagten gelenkte PKW erlitt einen Totalschaden.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten im Regreßweg den Ersatz ihrer Aufwendungen an geschädigte Dritte in Höhe von S 100.000 wegen Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988. Der Beklagte habe zwar die Gendarmerie verständigt, danach aber die Unfallstelle sofort verlassen und dadurch insbesondere verhindert, daß seine Fahrtüchtigkeit überprüft werde. Es sei aufgrund des Unfallsherganges und der Unfallszeit sehr wahrscheinlich, daß der Beklagte infolge Alkoholisierung oder anderer Umstände nicht fahrtüchtig gewesen sei.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß der Unfall darauf zurückzuführen gewesen sei, daß ihm eine Zigarette zu Boden gefallen sei, die er aufheben habe wollen. Er habe die Gendarmerie sofort nach dem Unfall verständigt und eine halbe Stunde vergeblich auf deren Eintreffen gewartet. Wegen seiner Kopfschmerzen habe er sich von einem vorbeikommenden Lenker in die Wohnung seiner Freundin nach A***** bringen lassen, wo er schmerzstillende Mittel eingenommen und sich danach schlafen gelegt habe. Eine allfällige Obliegenheitsverletzung beruhe weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit. Überdies sei die Sachverhaltsermittlung durch sein Verhalten in keiner Weise beeinträchtigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebeghren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Beklagte, der Schichtarbeiter bei der VÖEST Alpine in Linz ist, hatte am Tag vor dem Unfall bis 21,55 Uhr gearbeitet. Von 23,30 Uhr bis etwa 2,15 Uhr hielt er sich in der Wohnung seiner Freundin Claudia B***** in A***** auf. Er nahm dort eine warme Mahlzeit ein und sah sich einen Videofilm an. Da er damals Probleme mit seiner Freundin hatte, wollte er anschließend zu seiner Mutter nach V***** fahren. Nachdem er sich Zigaretten am Bahnhof geholt hatte, fuhr er rauchend in der Bahnhofstraße Richtung B 1. Etwa auf Höhe des Hauses Bahnhofstraße 36 fiel die Zigarette zwischen Sitz und Mittelkonsole. Als er versuchte, die brennende Zigarette aufzuheben, kam er von der Fahrbahn rechts ab. Da der Beklagte nicht angegurtet war, schlug er sich bei der Kollision gegen den parkenden PKW den Kopf an der Windschutzscheibe an, erlitt jedoch keine sichtbaren Verletzungen. Die beteiligten Fahrzeuge blieben unverändert in ihrer Endlage stehen. Der Beklagte ging sofort nach dem Unfall zum ca 300 m entfernten Bahnhofsgebäude und rief um ca 2,25 Uhr von der dortigen Telefonzelle aus den Gendarmerieposten V***** an, wobei er sagte: "Da spricht R*****, ich habe einen Unfall mit Sachschaden in der Bahnhofstraße". Der Gendarmeriebeamte, der damals Journaldienst versah, sagte zu, "daß gleich wer kommen werde".

Der Beklagte, der durch den Anprall an die Windschutzscheibe starke Kopfschmerzen verspürte, ging nach dem Anruf zum Auto zurück, setzte sich hinein und wartete etwa 20 Minuten. Um 2,35 Uhr traf die Funkstreife der Gendarmerie, bestehend aus Gerhard K***** und Klaus S*****, in der Bahnhofstraße ein. Die Funkstreife fuhr vom Zentrum V***** Richtung Bahnhofstraße und blieb etwa in Höhe der Firma T*****, die sich auf der rechten Fahrbahnseite in Richtung B 1 befindet, stehen. Die Beamten erblickten jedoch keine an einem Unfall beteiligten Autos auf der Bahnhofstraße und auch keine Personen. Der Beklagte sah den Streifenwagen der Gendarmerie ebenfalls nicht, weil er in seinem Auto saß. Die Beamten gingen auch zur Telefonzelle des Bahnhofgebäudes, weil sie vermuteten, daß sich der Anrufer dort befindet. Sie warteten in diesem Bereich etwa 5 Minuten. Um etwa 2,40 Uhr erhielten sie einen Funkspruch, worauf sie sich von der Bahnhofstraße entfernten. Der Beklagte, der 15 bis 20 Minuten in seinem Fahrzeug saß, ließ sich sodann von einem PKW-Lenker, der seine Hilfe angeboten hatte, in die Wohnung seiner Freundin nach A***** bringen, weil er glaubte, die Beamten seien nicht am Unfallsort eingetroffen und weil er überdies starke Kopfschmerzen verspürte, die durch den Anprall hervorgerufen worden waren.

Erst als dieselbe Funkstreife etwa eine Stunde später, also um 3,40 Uhr, wieder in der Bahnhofstraße fuhr, sahen die Beamten die unfallbeteiligten Fahrzeuge. Sie fanden in dem vom Beklagten gelenkten PKW ein Dokument, lautend auf "R*****". Die Anschrift des Zulassungsbesitzers erfuhren sie über die Lenkerauskunft. Die Beamten erforschten auch die Adresse der Mutter des Beklagten, die sie um etwa 4,00 Uhr aufsuchten. Von dieser erfuhren sie, daß sich der Beklagte wahrscheinlich bei seiner Freundin in A***** aufhalte. Die Beamten fuhren dann zu deren Adresse, wo jedoch trotz mehrmaligem Läuten niemand öffnete. Der Beklagte hatte sich nach Einnahme von drei Thomapyrin-Tabletten zu Bett begeben und das Läuten nicht bemerkt. Vormittag rief der Beklagte von A***** aus die Gendarmerie V***** an, um einen Termin für die Unfallsniederschrift zu vereinbaren.

Der Beklagte hatte am Vortag um etwa 17,00 Uhr zur Jause ein Bier getrunken; weiterer Alkoholkonsum läßt sich nicht nachweisen. Das Beweisverfahren hat keine Anhaltspunkte ergeben, daß der Beklagte in irgendeiner Weise fahruntüchtig war und daß er dies durch irgendwelche Handlungen zu verschleiern versuchte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Beklagte keine Obliegenheiten verletzt habe. Er habe insbesondere die Gendarmerie sofort nach dem Unfall veständigt und die Fahrzeuge in der Unfallsendlage belassen. Sollte das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig anzusehen sein, sei der klagenden Partei entgegenzuhalten, daß sie weder konkret behauptet noch erwiesen habe, daß der Beklagte alkoholisiert oder sonst fahruntüchtig gewesen sei.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es ging auf die Beweisrüge der Berufung der klagenden Partei nicht ein, weil es die Berufung bereits aus rechtlichen Erwägungen als berechtigt ansah.

Es sei § 6 Abs 3 VersVG in der Fassung vor der Novelle BGBl 1994/509 anzuwenden. Der Beklagte habe in diesem Sinne die Obliegenheit des § 8 Abs 2 Z 2 AKHB, nach Möglichkeit am Sachverhalt mitzuwirken, verletzt. Er habe zwar die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub von dem von ihm verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden verständigt. Der Meldepflicht nach § 4 Abs 5 StVO werde jedoch nur dann entsprochen, wenn der Inhalt der Verständigung den Gendarmeriebeamten in die Lage versetze, eine vollständige Meldung zu erstatten. Eine solche sei jedoch nur möglich, wenn die Verständigung neben den Personalien des Beschädigers genaue Angaben über Unfallort, Unfallzeit, beschädigendes und beschädigten Objekt, wie Unfallsursache enthalte. Diesen Voraussetzungen habe die Verständigung durch den Beklagten jedoch nicht entsprochen, weil er nur seinen Familiennamen und die Tatsache des Unfalls mit Sachschaden in der Bahnhofstraße in V***** mitgeteilt und sich vor dem Eintreffen der Gendarmeriebeamten vom Unfallort entfernt habe, wodurch es zunächst nicht zu einer ordnungsgemäßen Unfallaufnahme kommen habe können. Die Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen, verpflichte den Versicherten, alles Zweckdienliche zur Aufklärung des Unfallereignisses selbst dann vorzunehmen, wenn es seinen eigenen Interessen zum Nachteil gereichen sollte. Die Aufklärungspflicht solle nicht nur die nötigen Feststellungen über den Unfallablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des enstandenen Schadens ermöglichen, sondern auch die Klarstellung all jener Umstände gewährleisten, die für allfällige Regreßansprüche des Versicherers von Bedeutung sein könnten. Darunter falle aber auch die objektive Prüfung der körperlichen Beschaffenheit des an einem Unfall beteiligten Versicherten hinsichtlich einer allfälligen Alkoholisierung oder Übermüdung (SZ 50/37; VR 1994, 154; VR 1995, 41). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liege vor, wenn dadurch im konkreten Fall etwas verabsäumt worden sei, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienlich gewesen wäre. Es sei also notwendig, daß ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung durch objektives Unbenützbarwerden oder objektive Beseitigung des Beweismittels infolge der Verletzung der Obliegenheit im nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne (VR 1995, 41; VersE 1480; SZ 64/105). Im vorliegenden Fall liege aufgrund der Unfallzeit, des Unfallortes und des Umstandes, daß sich der Beklagte von 23,30 Uhr bis etwa 2,15 Uhr allein in der Wohnung seiner Freundin aufgehalten habe, mit der er damals Probleme gehabt habe, und auch aufgrund seines Verhaltens nach der Verständigung der Gendarmerie vom Unfall der Verdacht nahe, daß er infolge Alkoholisierung und allenfalls auch im Zusammenwirken mit Übermüdung fahruntüchtig gewesen sei. Der Beklagte habe somit durch das Verlassen der Unfallstelle vor Eintreffen der Gendarmerie die Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, verletzt, weil den Gendarmeriebeamten dadurch Wahrnehmungen zu seiner Fahrtüchtigkeit unmöglich gemacht worden seien. In den Fällen der Verletzung einer Obliegenheit gemäß § 8 Abs 2 AKHB 1988 sei jedoch der Kausalitätsgegenbeweis - abweichend von § 6 Abs 3 VersVG - auch bei Vorsatz zulässig. Diese Beweislast treffe nach ständiger Rechtsprechung den Versicherungsnehmer. Der Kausalitätsgegenbeweis sei strikt zu führen, wobei nur solche Beweismittel dafür geeignet seien, die dem unterdrückten Beweismittel gleichwertig seien (VR 1994, 154). Die bloße Parteiaussage des Beklagten sei nach ständiger Rechtsprechung zur Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises untauglich (VR 1995, 41; VR 1993, 197; ZVR 1985/94). Es sei nicht auszuschließen, daß der Beklagte mehr als ein Bier getrunken habe. Insbesondere stützten sich die Feststellungen zum Unfallhergang und zur Zeit vor dem Unfall ausschließlich auf die Angaben des Beklagten, die bei entsprechender Verdachtslage grundsätzlich ungeeignet seien, den Kausalitätsgegenbeweis zu erbringen. Da dem Beklagten die Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises nicht gelungen sei, würde die Leistungsfreiheit der klagenden Partei nur dann nicht eintreten, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhen würde. Für eine vorsätzliche Begehung der Obliegenheitsverletzung nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988 genüge jedoch schon das allgemeine Bewußtsein des Mitversicherten, daß er nach einem von ihm verschuldeten Unfall an der Aufklärung des Sachverhalts nach Kräften mitzuwirken habe. Dieses Bewußtsein sei heute bei einem haftpflichtversicherten Kraftfahrer in der Regel vorauszusetzen, es sei denn, daß sich aus besonderen, von ihm zu beweisenden Umständen das Gegenteil ergebe (VR 1995, 41; VR 1994, 154; SZ 50/37). Derartige Umstände seien vom Beklagten jedoch nicht konkret behauptet und schon gar nicht erwiesen worden. Es sei daher davon auszugehen, daß er seine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt habe und mangels Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises verpflichtet sei, der leistungsfreien klagenden Partei den begehrten Betrag von S 100.000 zu zahlen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes auch berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, daß das Gericht zweiter Instanz entgegen den Revisionsausführungen richtig erkannt hat, daß auf den vorliegenden Rechtsstreit § 6 VersVG in der Fassung vor der VersVG-Novelle BGBl 1994/509 anzuwenden ist, weil sich der Schadensfall vor dem Inkrafttreten der geänderten Fassung, das ist der 1.1.1995, ereignet hat (§ 191 b VersVG). Die Rückwirkung von Gesetzen, das heißt deren Anwendung auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht waren, wird durch § 5 ABGB verwehrt. Zwar kann diese Regel durch eine Rückwirkungsanordnung (als lex specialis) durchbrochen werden (Bydlinski in Rummel2 Rz 2 zu § 5 ABGB); im Zweifel ist dies allerdings nicht anzunehmen (Koziol/Welser, Grundriß I10, 33). Den Übergangsbestimmungen der VresVG-Novelle BGBl 1994/509 (= 191 b VersVG) kann die Anordnung einer Rückwirkung nicht entnommen werden (7 Ob 43/95).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung zur Verletzung einer Aufklärungspflicht, insbesondere auch zu § 8 Abs 2 Z 2 AKHB und § 4 Abs 5 StVO entwickelten Rechtssätze ausführlich und richtig dargelegt (vgl die bereits vom Gericht zweiter Instanz zitierten Belegstellen), die Subsumtion des vorliegenden Anlaßfalles jedoch unzutreffend vorgenommen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Übertretung des § 4 Abs 5 StVO für sich allein nicht schon einer Verletzung der Aufklärungspflicht gleichzuhalten. Es ist vielmehr notwendig, daß ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung dadurch, daß ein Beweismittel infolge der unterlassenen Anzeige objektiv unbenützbar bzw beseitigt wird, im nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der konkrete Verdacht und die Unbenützbarkeit des Beweismittels infolge Unterlassung bzw Verspätung der Anzeige muß vom Versicherer behauptet und bewiesen werden (SZ 51/180; SZ 64/105 = ZVR 1992/11 ua, zuletzt etwa 7 Ob 43/95).

Die klagende Partei hat zwar den Verdacht ausgesprochen, der Beklagte habe das Fahrzeug in alkoholisiertem oder in einem sonst die Fahrtüchtigkeit ausschließenden Zustand gelenkt. Ein konkreter Verdacht in Richtung einer Übermüdung wurde in erster Instanz nicht ausdrücklich geltend gemacht. Der Umstand, daß sich der Beklagte vor dem Unfall einige Stunden offenbar allein in einer Wohnung aufhielt und sich dann entschloß, nach Hause zu seiner Mutter zu fahren, legt den Verdacht der Alkoholisierung ebensowenig nahe wie das Unfallgeschehen selbst, weil dies nach den Feststellungen des Erstgerichtes plausibel dadurch zu erklären ist, daß sich der Beklagte nach einer Zigarette bückte und deshalb nach rechts abkam. Ein konkreter Verdacht in Richtung einer Alkoholisierung wäre etwa dann gegeben, wenn der Versicherte einen Unfall nach einem Gasthausbesuch mit Alkoholkonsum auf eine Weise verschuldete, bei der mangelnde Fahrtüchtigkeit naheliegt (SZ 64/105 mwN), wenn der Versicherte nach einem Unfall eine entsprechende Anzeigeerstattung unterläßt und unmittelbar nach dem Unfall Alkohol zu sich nimmt (7 Ob 43/95), wenn er nach einer Betriebsfeier einen Unfall verschuldet und Fahrerflucht begeht (ZVR 1985/94). Derartiges wurde aber hier nicht festgestellt. Die vom Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes konsumierte Alkoholmenge von einem Bier mehr als neun Stunden vor dem Unfall war derart gering, daß eine dadurch bedingte Beeinträchtigung durch Alkohol zur Unfallszeit nicht vorlag. Damit ist aber nach den bisherigen Feststellungen davon auszugehen, daß dadurch, daß sich der Beklagte noch vor dem Eintreffen der Gendarmerie von der Unfallstelle entfernte und sich erst am Vormittag (erneut) bei der Gendarmerie meldete, nichts verabsäumt wurde, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienlich gewesen wäre (vgl insbesondere SZ 64/105).

Da ein konkreter Verdacht im Hinblick auf eine Fahruntüchtigkeit vom Versicherer nach den bisherigen Feststellungen nicht erwiesen wurde, stellt sich die Frage, ob die Aussage des Beklagten allein zur Durchführung des Gegenbeweises der fehlenden Kausalität untauglich ist (wie dies nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates bejaht wird - so etwa VR 1992/272 mwN) nicht.

Es ist zwar richtig, daß der Beklagte bei seinem Telefonat mit der Gendarmerie unmittelbar nach dem Unfall keine alle Punkte berücksichtigende Schadensmeldung erstattete, sich von der Unfallstelle vor einer Konfrontation mit den Gendarmeriebeamten entferne und auf deren Klopfen an der Wohnungstür seiner Freundin nicht öffnete. Nach den bisherigen Feststellungen ist letzter Umstand dem Beklagten nicht als Verschulden anzulasten, weil er sich nach der Einnahme mehrerer Tabletten zu Bett begeben hatte und das Läuten nicht hörte. Es kann ihm unter den gegebenen Umständen auch nicht als Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit (im Sinn einer schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung; VR 1987/74) angelastet werden, daß er sich schließlich von der Unfallstelle entfernte, ohne persönlichen Kontakt mit den Beamten aufzunehmen. Zunächst hatten einander die Beamten und er wechselweise "übersehen". Daß der Beklagte nach dem Zuwarten von etwa 20 Minuten die Hilfestellung einer vorbeikommenden Person annahm und sich in die Wohnung zurückführen ließ, weil heftige Kopfschmerzen eingesetzt hatten und er bislang aus subjektiver Sicht trotz seiner sofortigen telefonischen Unfallsmeldung unter Zusicherung des Gendarmeriepostens, die Gendarmerie würde "sofort" kommen, bisher vergeblich auf das Eintreffen der Beamten gewartet hatte, läßt die Beurteilung zu, daß die Obliegenheit der Aufklärungspflicht - wenn überhaupt schuldhaft, dann - nur leicht fahrlässig verletzt wurde.

Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt wäre das Klagebegehren daher sowohl deshalb abzuweisen, weil ein konkreter Verdacht der Fahruntüchtigkeit nicht erwiesen wurde als auch deshalb, weil die Mitwirkungspflicht im Sinn des § 8 Abs 2 Z 2 AKHB vom Beklagten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt wurde.

Die klagende Partei hat aber in ihrer Berufung alle wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes, die sowohl für den einen als auch für den anderen Abweisungsgrund maßgebend sind, als Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft. Das Berufungsgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit der umfangreichen Beweisrüge zu befassen und darzulegen haben, ob oder inwieweit von dem vom Erstgericht festgestellten oder von dem von der klagenden Partei behaupteten Sachverhalt auszugehen ist. Erst dann wird eine abschließende rechtliche Würdigung möglich sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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