OGH 5Ob469/97z

OGH5Ob469/97z9.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Parvaneh B*****, vertreten durch Dr.Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erste G*****Heimstätte Ges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederherstellung (Streitwert S 35.000,--), in eventu S 35.000,-

s. A., infolge Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 1997, GZ 35 R 369/97t, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 19.Februar 1997, GZ 8 C 3752/94y-36, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Erstgerichtes unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft *****, die von der Beklagten, einer GBV, verwaltet wird. Letztere ließ im November 1993 auf Anraten eines Gärtners fünf im Garten - einem allgemeinen Teil der Liegenschaft - stehende Obstbäume entfernen.

Mit der Behauptung, die Beklagte habe die Bäume "ohne Zustimmung der Klägerin aufgrund eines rechtsunwirksamen Mehrheitsbeschlusses von 22 Wohnungsmiteigentümern ersatzlos entfernt, obwohl sie wachstumsmäßig noch viele Jahre lang erfolgreich Früchte getragen hätten", sie habe also "ohne sachlich hinreichende Begründung" gehandelt, wodurch sich die Klägerin "in ihrem Recht auf gemeinschaftliche Gartennutzung beeinträchtigt erachtet", hat die Klägerin im streitigen Rechtsweg zunächst begehrt, die Beklagte zur Wiederherstellung des vorigen Zustands, nämlich zur Anpflanzung 25 Jahre alter Obstbäume (sechs an der Zahl, die noch näher konkretisiert wurden) zu verurteilen. In der mündlichen Streitverhandlung am 14.11.1995 änderte dann die Klägerin ihr Urteilsbegehren dergestalt, daß sich die Wiederherstellungsverpflichtung der Beklagten auf die Anpflanzung ältester im Handel erhältlicher Obstbäume zu beziehen habe. Schließlich erhob die Klägerin in der mündlichen Streitverhandlung am 11.11.1996 "für den Fall, daß dem Begehren nach Naturalrestitution nicht stattgegeben wird", noch folgendes Eventualbegehren: "Die Beklagte sei schuldig (zu erkennen), an die Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses ... S 35.000,-- samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu zahlen".

Die Beklagte hat aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind, die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch seine Entscheidungsgründe sind hier nicht von Belang, weil es ausschließlich die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für die gegenständliche Klage zu beurteilen gilt.

Das Berufungsgericht nahm die Berufung der Klägerin zum Anlaß, das Ersturteil als nichtig aufzuheben und die Klage unter gegenseitiger Aufhebung der Verfahrenskosten beider Instanzen zurückzuweisen. Es begründete diese Entscheidung wie folgt:

Bei dem verfahrensgegenständlichen Fall handle es sich um eine Klage eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen den Hausverwalter. In einer Konstellation wie dieser, sei zur Frage der anwendbaren Verfahrensart § 26 Abs 1 Z 5 WEG zu beachten. Diese Bestimmung verweise Angelegenheiten, bei denen es sich um die Durchsetzung der Pflichten des Verwalters handelt (§ 16 Abs 3, § 17 WEG), in das Verfahren außer Streitsachen. Man könne nun argumentieren, daß es sich beim vorliegenden Rechtsstreit um eine solche Durchsetzung der Pflichten des Verwalters handelt, und zwar konkret in dem Sinn, daß dieser seine sich aus dem Verwaltervertrag ergebenden Pflichten zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Liegenschaft dadurch verletzt hat, daß er unberechtigerweise eine Rodung von Obstbäumen veranlaßte.

Es sei einzuräumen, daß durchaus Bedenken gegen die Auffassung bestehen können, derartige Rechtsstreitigkeiten in einem Verfahren außer Streitsachen zu behandeln, zumal ja im Falle, daß die Rodung der Obstbäume nicht durch den gemeinsamen Hausverwalter, sondern beispielsweise durch einen anderen Miteigentümer oder gar einen außenstehenden Dritten vorgenommen wird, zweifellos der streitige Rechtsweg zu wählen wäre. Allein auf Grund der durch das 3. WÄG vorgenommenen textlichen Novellierung des § 26 Abs 1 Z 5 WEG erscheine die vom Berufungsgericht gewählte Lösung zwingend. Sei nämlich bis zur Novellierung des § 26 WEG durch das BGBl 1993/800 nur die Abhandlung gewisser, taxativ aufgezählter Streitigkeiten mit dem Verwalter in das Verfahren außer Streitsachen verwiesen gewesen (§ 26 Abs 1 Z 4 WEG in der Fassung vor 1994), so ergebe sich durch die besagte Neutextierung des § 26 WEG eine Änderung dahingehend, daß nunmehr die Durchsetzung aller im § 17 WEG genannten Pflichten des Verwalters, wozu zweifellos auch die sich aus dem Verwaltervertrag ergebende allgemeine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Ausübung der Verwaltertätigkeit zähle, oder desjenigen, der diese Tätigkeit ausübt, ins Außerstreitverfahren verwiesen wurde (siehe Würth/Zingher, WohnR 1994, § 26 WEG Anm 3).

Dabei werde nicht verkannt, daß durch diese Ansicht die verfahrensmäßige Abhandlung von Ansprüchen der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter auf eine völlig neue Grundlage gestellt werde. Die Ansicht erweise sich aber im Hinblick auf den diesbezüglich klaren Wortlaut der novellierten Bestimmung als einzig mögliche. Eine höchstgerichtliche Entscheidung über die Auswirkungen der Neutextierung des § 26 Abs 1 Z 5 WEG liege, soweit ersichtlich, noch nicht vor, sodaß ein Rekurs gegen diesen Beschluß zur Klärung der nunmehrigen Rechtslage beitragen könnte.

Somit erweise sich, daß für das von der Klägerin gestellte Begehren der streitige Rechtsweg unzulässig sei. Eine solche Unzulässigkeit sei gemäß § 41 Abs 4 iVm Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens, somit auch im Berufungsverfahren, vom Gericht amtswegig wahrzunehmen. Es habe daher das bereits durchgeführte Verfahren für nichtig erklärt und der in der falschen Verfahrensart gestellte Rechtsschutzantrag mit Beschluß zurückgewiesen werden müssen.

Die Entscheidung haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte mit Revisionsrekurs angefochten. Beide halten - wenn auch mit unterschiedlicher Begründung - die Inanspruchnahme des streitigen Verfahrens "zur Abwehr der eigenmächtigen Störung der bisherigen Gebrauchsordnung durch die Beklagte" bzw Prüfung des "Schadenersatzanspruches" der Klägerin für zulässig. Der Revisionsrekursantrag der Klägerin geht dahin, den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über ihre Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen; der Revisionsrekursantrag der Beklagten zielt schlicht auf eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Von der Klägerin liegt dazu noch eine Rekursbeantwortung mit der Klarstellung vor, daß der von der Beklagten begehrten "ersatzlosen" Aufhebung nur mit der Einschränkung stattgegeben werden dürfe, dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Beklagte hat von der Möglichkeit einer Rekursbeantwortung nicht Gebrauch gemacht.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig und im Sinne des letztlich von beiden Parteien angestrebten Ergebnisses, daß das Berufungsgericht das streitige Verfahren fortzusetzen und über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben wird, auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob eine Angelegenheit im streitigen oder außerstreitigen Rechtsweg zu behandeln ist, richtet sich nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens sowie den zu seiner Begründung vorgebrachten Behauptungen. Ohne Einfluß ist hingegen, was der Gegner einwendet, zu welchen Ergebnissen die Beweisaufnahmen führen oder ob der behauptete Anspruch begründet ist (MietSlg 46/5 uva). Es kommt auf die Natur des geltend gemachten Anspruchs und den hiefür tatsächlich behaupteten Rechtsgrund an (vgl ÖA 1996, 134). Im Zweifel ist, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der streitige Rechtsweg zu beschreiten; die Zuständigkeit des Außerstreitrichters ist nämlich nur dann gegeben, wenn das Gesetz die betreffende Angelegenheit ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das außerstreitige Verfahren verweist (WoBl 1992, 126/92 uva).

Auch das Berufungsgericht bezweifelt nicht, daß nach diesen Regeln über das gegenständliche, auf eigenmächtiges, die Interessen der Klägerin verletzendes Handeln der Beklagten gestützte Wiederherstellungs- und Geldleistungsbegehren im streitigen Rechtsweg entschieden werden müßte, wenn noch § 26 Abs 1 Z 4 WEG idF vor dem 3. WÄG anwendbar wäre. In dessen taxativer Aufzählung (vgl EWr II/26/5) jener Streitigkeiten mit dem Wohnungseigentumsverwalter, über die der Außerstreitrichter zu entscheiden hatte, war nämlich nicht vorgesehen, daß der Außerstreitrichter über einen von einem einzelnen Wohnungseigentümer gegen der Verwalter erhobenen Wiederherstellungs- oder Geldersatzanspruch wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu entscheiden hat (vgl Würth in Rummel2, Rz 7 zu § 17 WEG). Selbst Ersatzansprüche, die die Gemeinschaft der Mit- und Wohnungseigentümer gegen den Verwalter - etwa einer Auftragsüberschreitung - behauptete, waren im streitigen Verfahren durchzusetzen (vgl Löcker, Die Wohnungseigentumsgemeinschaft, 291).

Es ist nicht zu bestreiten, daß das 3. WÄG mit der neu gefaßten Bestimmung des § 26 Abs 1 Z 5 WEG, wonach über Anträge zur Durchsetzung der Pflichten des Verwalters (§ 16 Abs 3 WEG, § 17 WEG) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, den Zuständigkeitsbereich des Außerstreitrichters erweiterte (vgl 5 Ob 189/97y). Auch die Geltung dieser Bestimmung für die Prüfung der Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs im konkreten Fall hat das Berufungsgericht richtig erkannt, weil Verfahrensvorschriften grundsätzlich nach dem letzten Stand anzuwenden sind (SZ 55/17; MietSlg 46/33 ua) und keine anderslautende Übergangsregelung erlassen wurde. Dennoch ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen, daß die in § 26 Abs 1 Z 5 nF WEG normierte Zuständigkeit des Außerstreitrichters auch die gegenständliche Angelegenheit erfaßt.

Das Klammerzitat "§ 16 Abs 3, § 17" in der genannten Gesetzesbestimmung stellt klar, daß die Durchsetzung der dort erwähnten Verwalterpflichten ins außerstreitige Verfahren verwiesen werden sollte. Es geht dabei mit wenigen (namentlich angeführten) Ausnahmen um Pflichten, die der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber zu erfüllen hat, deren Weisungen er ja auch gemäß § 17 Abs 2 WEG befolgen muß. Mit den Verwaltungspflichten korrespondieren eben grundsätzlich Rechte der Wohnungseigentumsgemeinschaft und nicht solche des einzelnen Miteigentümers (Löcker aaO, 301). Von den Individualansprüchen einzelner Miteigentümer gegen den Verwalter sind folgerichtig nur diejenigen unzweifelhaft schlüssig im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen, die sich aus § 16 Abs 3 WEG bzw § 17 WEG - beispielsweise der in Abs 1 Z 1 leg cit erwähnte Rechnungslegungsanspruch - ergeben (vgl Löcker aaO, 310 f). Ein Individualanspruch der dem gegenständlichen vergleichbar wäre, findet sich dort nicht.

Ohne ausdrücklich auf schadenersatzrechtliche Bestimmungen Bezug zu nehmen, macht die Klägerin offensichtlich einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Verwalterpflichten (Nichteinholung einer vermeintlich erforderlichen Zustimmung der Klägerin oder der Mehrheit der Miteigentümer zur Entfernung der Obstbäume) geltend. Sie spricht im Zusammenhang mit ihrem Wiederherstellungsbegehren von Naturalrestitution und verlangt in eventu Geldersatz zur Abgeltung von vermögenseinbußen. Offen bleibt, ob sie diese Ansprüche im eigenen Namen oder (da sie die Geldersatzleistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft fordert) für die Gemeinschaft geltend macht. Über diese Probleme wird letztlich in der Sachentscheidung abzusprechen sein. Für die Prüfung der Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs kann die Frage auf sich beruhen, weil nichts im Gesetzestext oder den Materialien des 3. WÄG darauf hinweist, daß der Gesetzgeber auch Schadenersatzansprüche gegen den pflichtwidrig handelnden Verwalter - seien es solche eines einzelnen Miteigentümers oder der Wohnungseigentümergemeinschaft - ins außerstreitige Verfahren verweisen wollte. Die Durchsetzung der Verwalterpflichten im außerstreitigen Verfahren sollte primär wohl die Vollstreckung von in außerstreitigen Verfahren ergangenen Aufträgen erleichtern und die Einschaltung des Exekutionsgerichtes ersparen (vgl WoBl 1995, 146/65, wonach zur Durchsetzung von Rechnungslegungsansprüchen seit 1.1.1994 das außerstreitige Verfahren zur Verfügung steht).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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