OGH 4Ob332/97w

OGH4Ob332/97w25.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtwerke K*****, vertreten durch Dr.Anton Knees, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Heinz H.W*****, vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9.Juli 1997, GZ 3 R 51/97p-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30.Dezember 1996, GZ 24 Cg 273/95v-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte den Beklagten mit der Generalplanung des Um- und Zubaues eines Hallenbades beauftragt. Sie begehrt nun die Feststellung, daß der Beklagte für alle Mängel und Schäden aus dem Architektenvertrag vom 20.7.1990 hafte.

Der Beklagte habe zu 21 Cg 335/93 des Erstgerichts die nunmehrige Klägerin auf Zahlung restlichen Honorars von 8,9 Mio S geklagt. Sie habe dagegen eingewendet, der Kläger habe die Planungsarbeiten nicht baureif erstellt, somit unvollständig geplant, so daß Nachtragsaufträge und damit Baukostenüberschreitungen erforderlich geworden seien. So hätten die Firmen A***** S 2,000.000 und I***** S 5,000.000 mehr verrechnet. Während der hier Beklagte die Auffassung vertrete, die Baukostenüberschreitungen seien durch die Professionisten verursacht worden, behaupteten die ausführenden Firmen, die Mehrkosten seien auf die nicht baureife Planung des hier Beklagten zurückzuführen. Eine Zuordnung der Schadensanteile ziffernmäßig zwischen dem beklagten Planer und den einzelnen Professionisten sei noch nicht möglich, es stehe lediglich fest, daß dem Beklagten ein Anteil daran zuzuordnen sein werde.

Die Planung des Beklagten sei überdies mangelhaft geblieben. Er habe ungeeignetes Material, nämlich für den Einsatz in Hallenbädern nicht geeignete Gipskartonplatten verwendet; allein dadurch sei ein Schade von 1,4 Mio S entstanden. Die Aufhängung der Decke sei nicht ballwurfsicher, da die Deckenplatten abgehängt, aber nicht verschraubt worden seien. Überdies habe der Beklagte die Badewasseraufbereitungsanlage zu gering dimensioniert, so daß das Becken bei gleichzeitiger Anwesenheit von 20 Personen wegen Keimgefahr gesperrt werden müsse. Es lasse sich derzeit nicht sagen, in welchem Umfang der Beklagte oder einzelne Professionisten die Erhöhung der Auftragssumme zu verantworten hätten und ob bzw in welchem Anteil die Mängel, Schäden und Kostenüberschreitungen vom beklagten Planer (allein) oder (auch) von den ausführenden Firmen zu vertreten seien. Das im Vorprozeß 21 Cg 335/93 eingeholte Sachverständigengutachten habe bisher ergeben, daß die vom Beklagten vorgesehenen Gipskartonplatten ungeeignet seien und die Lebensdauer des Bauwerkes auf die Hälfte reduzieren. Infolge mangelnder Planung seien auch weitere Risse aufgetreten. Es hätten auch Fertigstellungstermine nicht eingehalten werden können, so daß das vereinbarte Pönale nur schwer durchsetzbar sei.

Die Feststellungsklage sei zulässig, weil nicht feststehe, welche einklagbaren Rechtswirkungen (Wandlung, Preisminderung, Verbesserung oder Schadenersatz infolge Verzugs des Gewährleistungspflichtigen mit der Verbesserung) der Leistungsstörung entsprechen.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung. Er habe den Werkvertrag vollständig und mängelfrei ausgeführt. Die Baukostenüberschreitungen seien durch Zusatzaufträge und Änderungswünsche verursacht worden. Die Klägerin habe schwere bauliche Mängel verschwiegen, die erst nach Sperre des Bades erkennbar geworden seien. Die Klägerin habe keine konkreten Planungsfehler behauptet. Das Bad sei im Dezember 1993 in Betrieb genommen und die behaupteten Ausführungs- und Gewährleistungsmängel 1994 behoben worden. Die Feststellungsklage diene nur einer Perpetuierung der gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungsverpflichtung, ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung sei zu verneinen. Ein solches wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Klägerin die Beschaffenheit (Ursache) der Mängel nicht genau kenne oder die Möglichkeiten der Mängelbehebung nicht abschätzen könnte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab.

Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, ein Feststellungsinteresse zu begründen. Die Feststellungsklage diene einerrseits der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten, wenn die Möglichkeit offenbleibe, daß ein schädigendes Ereignis einen zukünftigen Schaden verursacht, andererseits der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach, wenn ein bereits entstandener Schade unbezifferbar sei, etwa weil sich die Sanierungskosten vorläufig noch nicht abschätzen ließen. Daß die Klägerin die Kosten der Mängelbehebung nicht abschätzen könne, berechtige sie nicht zur Feststellungsklage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Feststellungsinteresses hinsichtlich des Umfanges des auf einen von mehreren Schädigern im Sinn des § 1302 ABGB entfallenden Anteiles eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die Klägerin habe sich zur Begründung ihres Feststellungsinteresses wohl darauf berufen, daß noch nicht feststehe (bzw nicht feststellbar sei), welche einklagbaren Rechtswirkungen der Leistungsstörung entsprächen, sie habe jedoch nicht das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen, sondern auf Schlechterfüllung des Werkvertrages gegründete Schadenersatzansprüche behauptet. Ihrem Klagevorbringen sei nicht zu entnehmen, daß sie beabsichtige, vom Werkvertrag zurückzutreten, dessen Verbesserung zu begehren oder Preisminderungsansprüche geltend zu machen. Ihr Feststellungsinteresse könnte daher nur darin begründet sein, daß sie entweder die Höhe bereits eingetretener Schäden nicht beziffern könne oder mit dem künftigen Eintritt weiterer Schäden gerechnet werden müsse. Auf keinen dieser Umstände habe sich die Klägerin jedoch in erster Instanz berufen. Sie habe vielmehr im wesentlichen geltend gemacht, sie könne nicht beurteilen, welchen Anteil an den behaupteten Schäden der Beklagte zu verantworten habe. Dies vermöge ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Umfangs der Schadenersatzpflicht nicht zu begründen, zumal der Klägerin ein Leistungsbegehren bereits möglich wäre und ihr all das böte, was sie mit ihrem Feststellungsbegehren anstrebe. Sie könnte den Beklagten bereits jetzt auf den Ersatz eines dem Anteil seiner Verursachungen entsprechenden Teils des Gesamtschadens klagen oder im Falle der Unbestimmbarkeit dieses Anteiles in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Das im Falle einer Überklagung denkbare Kostenrisiko begründe nur ein für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht hinreichendes wirtschaftliches Interesse.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Feststellungsklage dient neben dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten sowie der Klarstellung der Haftungsfragen dem Grunde nach, wenn ein bereits entstandener Schade (noch) unbezifferbar ist (1 Ob 628/92 teilweise veröffentlicht in ecolex 1993, 382; ecolex 1995, 336). Die Rechtsprechung läßt Feststellungsklagen auch zur Wahrung von Gewährleistungsansprüchen im Sinn des § 933 ABGB aus der Erwägung zu, daß es für den Gewährleistungsberechtigten aufgrund seiner mangelhaften Kenntnisse der Ursachen der unzureichenden Qualität der Leistung und der technischen oder wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Behebung nicht immer möglich ist, die daraus ableitbare Rechtsfolge (Wandlung, Preisminderung, Verbesserung oder Schadenersatz wegen des in der Mangelhaftigkeit liegenden Schadens) mit Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen (ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS0018668 und RS0018858; EvBl 1982/32; ecolex 1994, 615; vgl Binder in Schwimann ABGB2 Rz 33 zu § 933 mwN).

Die Vorinstanzen haben das Begehren auf Feststellung der Gewährleistungspflicht ohne Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen gar nicht behauptet.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Die Klägerin hat sich zur Begründung ihres Feststellungsinteresses nicht nur darauf berufen, daß noch nicht feststellbar sei, welche einklagbaren Rechtswirkungen (Wandlung, Preisminderung, Verbesserung oder Schadenersatz) der Leistungsstörung entsprechen (Tagsatzung vom 19.11.1996 ON 14), sie hatte davor auch ausgeführt (ON 12), die vom Beklagten vorgesehenen Gipskartonwände seien für den Einsatz in Hallenbädern ungeeignet und reduzierten die Lebensdauer des Bauwerkes auf die Hälfte. Es seien auch immer wieder Risse aufgetreten. Die Deckenaufhängung sei - da nur abgehängt und nicht verschraubt - nicht ballwurfsicher und die Badewasseraufbereitungsanlage zu gering dimensioniert (Tagsatzung vom 18.6.1996 ON 9). Diesem Vorbringen kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes in seiner Gesamtheit sehr wohl entnommen werden, daß die Klägerin zur Begründung ihres Feststellungsbegehrens konkrete Planungsmängel behauptet und überdies geltend macht, derzeit nicht abschätzen zu können, welche konkreten Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche sie in Ansehung der Planungsmängel mit Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen berechtigt ist. Das Vorbringen der Klägerin enthält daher soviel an rechtserzeugenden Tatsachen, daß der geltend gemachte Anspruch hinreichend substantiiert erscheint (Fasching III 36). Ihr Tatsachenvorbringen begründet den geltend gemachten Anspruch auf Gewährleistung bzw in Konkurrenz dazu, Schadenersatz wegen mangelhafter Leistung hinreichend, ohne daß es der Angabe bedurfte, welche Gewährleistungsansprüche die Klägerin im einzelnen zu erheben beabsichtigt. Daß sie ihre Ansprüche auf die beim Werkvertrag in voller Konkurrenz nebeneinander bestehenden Titel der Gewährleistung und/oder des Schadenersatzes (JBl 1990, 648) stützt, ist somit nicht zweifelhaft.

Das Vorbringen der Klägerin deckt daher das Feststellungsbegehren auf Gewährleistung und Schadenersatz wegen Planungsmängeln. Eine Abweisung des Klagebegehrens kann im derzeitigen Verfahrensstadium nicht erfolgen.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren Beweise aufzunehmen und festzustellen haben, ob die von der Klägerin behaupteten Mängel auf Planungsfehler des Beklagten zurückzuführen, sowie welcher Art diese Mängel sind, um eine Beurteilung der daraus abzuleitenden Rechtsfolgen zu ermöglichen.

Allerdings ist Voraussetzung eines jeden Feststellungsbegehrens das von Amts wegen wahrzunehmende rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung. Es ist dann zu verneinen, wenn die Klägerin bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die begehrte Feststellung erübrigt (Rechberger ZPO Rz 11 zu § 228). Das Erstgericht wird daher auch zu beurteilen haben, ob die Klägerin bereits eine Leistungsklage hätte erheben können, die ihr all das gebracht hätte, was sie durch Feststellungsklage erreichen kann (vgl RIS-Justiz RS0018858 und RS0018668).

Soweit die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Haftung für Schadenersatz darauf gründet, daß die unvollständige (nicht baureife) Planung des Beklagten Nachtragsaufträge und Kostenüberschreitungen verursacht hat, für die er einzustehen habe, haben die Vorinstanzen das Feststellungsinteresse schon aufgrund der Klagsangaben zu Recht verneint. Die Höhe dieses durch unvollständige Planung bereits entstandenen Schadens (Nachtragsaufträge und Kostenüberschreitungen) hat die Klägerin in ihrem Vorbringen bereits beziffert. Sie hat auch nicht vorgebracht, daß mit weiteren, durch unvollständige Planung verursachten Schäden zu rechnen sei. Es stand ihr daher in Ansehung dieser bereits entstandenen und der Höhe nach bekannten Schäden eine Leistungsklage offen. Das Leistungsbegehren hätte der Klägerin auch alles geboten, was sie durch die gegenständliche Feststellungsklage erreichen will. Ein über die Leistungsklage hinausgehendes zusätzliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden aus unvollständiger Planung ist hier nicht zu erkennen.

Die Frage, ob der Beklagte für den entstandenen und der Höhe nach auch bezifferbaren Schaden allein oder anteilig mit anderen möglichen Verursachern im Sinn des § 1302 ABGB haftet, vermag - wenn der Schade bereits eingetreten ist und der Höhe nach feststeht - ein rechtliches Interesse an der Feststellung nicht zu begründen.

Die Formulierung des Begehrens, "es werde gegenüber dem Beklagten festgestellt, daß er der Klägerin für alle Schäden aus dem Architektenvertrag vom.........hafte," kann nur so verstanden werden, daß die Klägerin eine Feststellung der Haftung für Schadenersatz zu 100 % anstrebt. Genau das aber könnte sie schon mit Leistungsklage tun. Das hier erhobene Feststellungsbegehren bietet der Klägerin gegenüber einem Leistungsbegehren nur die Möglichkeit, im Rahmen der Bewertung des Streitgegenstandes ihr Kostenrisiko für den Fall zu begrenzen, daß der Beklagte nicht zur Gänze, sondern nur anteilig für den schon eingetretenen Schaden zu haften hat und damit ein Teil abgewiesen werden müßte. Fragen der Kostentragung allein reichen jedoch zur Begründung eines rechtlichen Interesses an der Feststellung nicht aus.

Die Erlassung eines (abweisenden) Teilurteiles hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für Schadenersatz wegen unvollständiger Planungsarbeiten in Ansehung der bereits auch der Höhe nach bezifferten Schäden ist nicht zweckmäßig, weil die Klägerin ihre darüber hinausgehenden Ansprüche wegen mangelhafter Planungsleistungen (Verwendung ungeeigneter Gipskartonplatten, Aufhängung der Decke, unzureichende Dimensionierung der Badewasseraufbereitungsanlage) erkennbar auf die beim Werkvertrag in voller Konkurrenz nebeneinander bestehenden Titel der Gewährleistung und/oder des Schadenersatzes stützt, und das rechtliche Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten im Hinblick auf mangelhafte Planung aufgrund der Klagsangaben noch nicht verneint werden kann.

Der Revision war daher Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung im dargestellten Sinn aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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