OGH 1Ob299/97w

OGH1Ob299/97w25.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr.Peter Schulyok, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Hans Z*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in Ternitz, wegen S 23,673.652,41 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien vom 18.Juli 1997, GZ 20 Cg 212/93z-116 (AZ 11 Nc 5/97p), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30.12.1996, "dem zugeteilten Richter (gemeint: Dr.W*****), aber auch dem Gerichtsstand Wiener Neustadt die Zuständigkeit zu entziehen und die Rechtssache an das Landesgericht für ZRS Wien zu überweisen". Er stützte diesen Antrag im wesentlichen darauf, daß er einer "subjektiven Verhandlungsführung" ausgesetzt sei. Seine Aussagen seien tendenziös verändert protokolliert worden. Er habe auch versucht, seinen Rechtsbeistand zu einem Protokollberichtigungsantrag zu veranlassen, was ihm aber nicht geglückt sei. Der die Verhandlung vom 20.9.1994 leitende Richter (Dr.R*****) habe ihm gegenüber bemerkt, er "müsse nicht glauben, Recht zu bekommen in diesem Verfahren". Nach einem Richterwechsel sei es bei der Tagsatzung vom 18.10.1996 neuerlich zu einer "subjektiven Verhandlungsführung" gekommen und seine Aussage nicht richtig protokolliert worden. An einen von der klagenden Partei geführten Zeugen seien trotz bestehender Widersprüche in dessen Aussage zu den vom Beklagten vorgelegten und im Akt befindlichen Beweismitteln keine Fragen gestellt worden. Der Beklagte sei "nicht richtig vertreten" gewesen; trotz seines Ersuchens sei ihm vom Gericht ein Verhandlungsprotokoll nicht unmittelbar zugestellt worden. Auch in einem vor dem Landesgericht Wiener Neustadt abgeführten Strafverfahren sei die Verhandlungsführung nicht objektiv gewesen; so seien wichtige Beweismittel nicht angenommen und Aussagen unrichtig protokolliert worden. Im Jahre 1995 sei eine bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt eingebrachte Anzeige unter "merkwürdigen Begleitumständen" zurückgelegt worden. In einem Konkursverfahren seien Beweise, die die Hinterziehung von Geldern in Millionenhöhe hätten aufdecken können, unterdrückt worden. Obwohl die Voraussetzungen für die Einleitung eines Strafverfahrens nach § 156 StGB nicht vorgelegen seien, habe die klagende Partei willkürlich gegen den Beklagten Anzeige erstattet; daraufhin sei auch in der Tat gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden. Schließlich habe ein ehemaliger Rechtsvertreter des Beklagten dessen Sohn gegenüber erklärt, daß "der Richter tausendprozentig gegen seinen Vater sei".

Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Es sei zur Entscheidung berufen, weil der Beklagte sämtliche Richter des Landesgerichts Wiener Neustadt abgelehnt habe. Die Ablehnung eines ganzen Gerichts sei nur durch die Ablehnung eines jeden einzelnen Richters unter Angabe detaillierter, konkreter Ablehnungsgründe möglich. Diesen Erfordernissen entspreche der Ablehnungsantrag nicht. In keiner Weise seien konkrete, die einzelnen Richter betreffende Umstände angegeben worden, die befürchten ließen, daß sie sich in ihrer Entscheidung von anderen als sachlichen Gesichtspunkten würden leiten lassen. Die (konkrete) Ablehnung des derzeitigen Verhandlungsrichters (Dr.W*****) sei unberechtigt. Die von einem früher zuständigen Richter gemachten Äußerungen könnten nicht dem derzeitigen Verhandlungsrichter zugeordnet werden. Ein Protokollberichtigungsantrag des Beklagten sei bereits der Zurückweisung verfallen. Allfällige Widersprüche zwischen Aussagen von Mitarbeitern der klagenden Partei und sonstigen Beweismitteln könnten durch entsprechende Fragestellungen geltend gemacht werden, bzw müßten solche Widersprüche im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden. Allfällige Äußerungen eines Rechtsvertreters des Beklagten seien nicht dem Gericht zuzurechnen.

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung, falls der abgelehnte Richter einem Gerichtshof angehört und dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlußunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof. Das Landesgericht Wiener Neustadt wurde durch die Ablehnung sämtlicher Richter dieses Gerichtshofs beschlußunfähig. Daran vermag der Umstand, daß die Ablehnung pauschal erfolgte, nichts zu ändern. Zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag - auch soweit dieser den Verhandlungsrichter Dr.W***** betrifft - war daher in der Tat das Oberlandesgericht Wien als übergeordneter Gerichtshof berufen (2 Ob 560/93 mwN).

Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (2 Ob 516/95; EFSlg 72.770; EvBl 1989/18 ua; Fasching, LB2 Rz 165). Mit Ausnahme der namentlich genannten Richter Dr.R***** und Dr.W***** beschränken sich die Ausführungen des Ablehnungswerbers auf nicht überprüfbare Pauschalvorwürfe bzw werden lediglich Vermutungen geäußert. Inwiefern die Zurücklegung einer vom Beklagten erstatteten Anzeige durch die zuständige Staatsanwaltschaft bzw die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Beklagten durch den öffentlichen Ankläger die Befangenheit von Richtern des Landesgerichts Wiener Neustadt begründen sollte, ist nicht erkennbar.

Was nun die Ablehnung des Verhandlungsrichters Dr.W***** betrifft, entspricht das Vorbringen des Beklagten, auf die gegen diesen Richter vorgebrachten Ablehnungsgründe sei nicht eingegangen worden, nicht den Tatsachen. Der Ablehnungssenat hat vielmehr eingehend dargelegt, auf welche Verhaltensweisen dieses Richters der Ablehnungswerber seinen Ablehnungsantrag stützte, und bezog auch konkret zu mehreren Beschwerdepunkten Stellung. Wenngleich das Gericht nicht alle vom Beklagten behaupteten Ablehnungsgründe bis in alle Einzelheiten erörterte, läßt sich doch daraus, daß es sämtliche Beschwerdepunkte in der Entscheidung auflistete und keine Gründe für die Rechtfertigung des Ablehnungsantrags fand, deutlich erkennen, daß es das Vorliegen sämtlicher Ablehnungsgründe prüfte und verneinte. Der Rekurswerber vermag auch nicht aufzuzeigen, welche der von ihm erhobenen Anschuldigungen konkret eine Befangenheit Dris.W***** rechtfertigen sollten.

Die vom Ablehnungswerber behauptete Äußerung des Richters Dr.R*****, der Beklagte "müsse nicht glauben, Recht zu bekommen in diesem Verfahren", könnte zwar die Befangenheit dieses Richters, nicht aber - wie schon das Oberlandesgericht Wien zutreffend bemerkt hat - die Befangenheit des nunmehrigen Verhandlungsrichters begründen. Eine allfällige Befangenheit Dris.R***** ist aber irrelevant, da sie sich auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht auswirken kann, weil der genannte Richter in diesem Verfahren nicht mehr tätig ist. Im übrigen wäre die Ablehnung dieses Richters wohl auch verfristet, weil Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen sind (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 21 JN mwN), die Dr.R***** angelastete Äußerung aber bereits im Jahre 1994 gefallen sein soll und dieser Richter zumindest seit Oktober 1995 in diesem Verfahren nicht mehr tätig geworden ist.

Dem insgesamt ungerechtfertigten Rekurs ist demnach ein Erfolg zu versagen.

Stichworte