OGH 11Os91/97

OGH11Os91/9711.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.November 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sandor O***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Deliktsfall und Abs 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28.November 1996, GZ 4c Vr 10109/96-93, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs und des Verteidigers Dr.Singer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (Punkt II des Urteilssatzes) und demgemäß auch in dem Sandor O***** betreffenden Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Sandor O***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, am 13.April und am 4.September 1996 eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 991,2 Gramm und 1.881,1 Gramm Heroin bei der Einfuhr nach Österreich vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Erklärungs- und Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen zu haben, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 402.122 S betrug, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten Sandor O***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurde der ungarische Staatsangehörige Sandor O***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Deliktsfall und Abs 3 Z 3 SGG (IA des Urteilssatzes) sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu IA) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin, in einer das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten übersteigenden Menge gewerbsmäßig nach Österreich eingeführt und in Verkehr gesetzt, und zwar

1) am 12.April 1996, indem er 991,2 g über einen nicht mehr feststellbaren Grenzübergang aus Ungarn nach Wien brachte und dort dem Ismet T***** zum Weiterverkauf übergab und

2) am 4.September 1996, indem er 1.881,1 g über einen nicht mehr feststellbaren Grenzübergang aus Ungarn nach Marchtrenk brachte und dort über Mittelsmänner dem Fahrettin C***** zum Weiterverkauf überließ;

(zu II) durch die angeführten Handlungen eine eingangsabgabepflichtige Ware vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Erklärungs- oder Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 402.122 S betrug.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 3, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider bestand für das Schöffengericht keine Notwendigkeit, den Zeugen Ismet T***** über sein Entschlagungsrecht gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO zu belehren (§ 152 Abs 5 StPO), und stellt dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung keinen Verfahrensmangel dar. Übersieht doch der Angeklagte, daß dieser Zeuge in Übereinstimmung mit seinem Geständnis bereits rechtskräftig verurteilt worden war und es weder objektive Anzeichen für eine - nur in Sonderfällen denkbare - Selbstbelastung gab, noch solche vom Zeugen behauptet wurden (vgl Mayerhofer StPO4 E 3 f zu § 152).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht seine Feststellungen über die Einfuhr des Suchtgiftes nach Österreich (knapp, aber) ausreichend ohne Widerspruch zu den Denkgesetzen damit begründet, daß die Fakten IA1 und IA2 im Zusammenhang zu sehen seien, und daraus iVm dem Bericht des verdeckten Ermittlers (ON 51) und den Angaben des Zeugen T***** über die Vorgangsweise bei der Übergabe des Suchtgiftes im Faktum IA1 (s insbes S 105 ff/I) der Schluß zu ziehen sei, der Angeklagte sei in beiden Fällen als Schmuggler tätig geworden (US 13).

Die Annahme gewerbsmäßiger Tendenz (auch) beim Faktum IA1 hat das Erstgericht durch die ausführliche Darstellung der Begleitumstände der Tat - vor allem durch den Hinweis auf die professionelle Vorgangsweise im Rahmen einer Tätergruppe und darauf, daß der Angeklagte einen zum Schmuggel eigens präparierten PKW eingesetzt hat

In seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) bemängelt der Beschwerdeführer in Ansehung des Urteilsfaktums IA1 die fehlende Berücksichtigung der Ungenauigkeit früherer Angaben des Zeugen T***** über die Marke und das Kennzeichen des zum Suchtgifttransport verwendeten Fahrzeuges, die Unterlassung der Überprüfung anderer Varianten des Kennzeichens bzw der entsprechenden Zulassungsbesitzer sowie der Existenz der vom Zeugen genannten spezifischen Verstecke am PKW des Angeklagten.

Er übersieht, daß der (nach seinem Geständnis verurteilte) Zeuge T***** den Angeklagten bei einer Gegenüberstellung eindeutig wiedererkannte und schilderte, wie dieser das Heroin aus der Versteckvorrichtung des PKW holte und ihm übergab (S 67/I; siehe auch S 508/I), und daß auch die früheren Angaben T***** sowohl über die Marke des zum Suchtgifttransport verwendeten PKWs als auch jene über dessen Kennzeichen - jedenfalls weitgehend - zutreffend waren (vgl S 115 und 143/I; abschwächend allerdings S 67/I). Die Unterlassung weiterer Erhebungen hätte der Beschwerdeführer nur mit einer Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltendmachen können, für deren Erhebung es allerdings an der prozessualen Voraussetzung einer entsprechenden Antragstellung fehlt.

Ebensowenig vermag er mit der Wiederholung seiner - vom Erstgericht als absolut unglaubwürdig abgelehnten (US 13) - Verantwortung zum Urteilsfaktum IA2, er sei auf der Rückkehr von einer wegen seiner Befassung mit Bademode in die Bundesrepublik Deutschland unternommenen Reise lediglich aufgrund seines Interesses für Gebrauchtwagen und für die Landwirtschaftsmesse in Wels gewesen und habe am Tatort zufällig den Mitangeklagten C***** getroffen, sowie mit dem Hinweis auf die seine Täterschaft hinsichtlich dieses Tatvorwurfs ausschließenden Angaben des Mitangeklagten aus den Akten hervorgehende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Auch sein Hinweis auf die Angaben des verdeckten Ermittlers, wonach der Mitangeklagte C***** von Schwierigkeiten des Suchtgiftboten mit dessen PKW in Ungarn sowie von einem Wechsel dieses Fahrzeuges berichtet habe (S 375/I) versagt, zumal diese Umstände mit der Täterschaft des Angeklagten durchaus in Einklang zu bringen sind; ist doch nach der Aktenlage unklar, welches Auto der Angeklagte ursprünglich benützt hatte.

Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Beurteilung der ihn entlastenden Verantwortung des Mitangeklagten C***** als unglaubwürdig wendet, zeigt er gleichfalls weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung auf noch verweist er auf aktenkundige Beweisergebnisse, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen in entscheidenden Fragen aufkommen lassen (Mayerhofer aaO E 1 ff zu § 281 Z 5 a).

Der in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptete Feststellungsmangel liegt nicht vor. Der Angeklagte übergeht nämlich in prozeßordnungswidriger Weise die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 15), wonach "auch die Suchtgiftmenge in den Tatplan einbezogen war".

Auch das als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO relevierte Fehlen von Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit beim Faktum IA2 wird zu Unrecht reklamiert; aus der festgestellten Tatbegehung (US 9 bis 11) in Verbindung mit der damit im Zusammenhang gesehenen (US 13) ersten Tat (Faktum IA1) geht schlüssig hervor, daß der Angeklagte nach Überzeugung des Erstgerichtes bei beiden Suchtgiftdelikten in der Absicht handelte, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (s auch US 14).

Bei Prüfung der Beschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, daß das Urteil an einer ungerügt gebliebenen materiellen Nichtigkeit (Z 10) leidet, die gemäß § 290 Abs 1 StPO von amtswegen wahrzunehmen war.

Das Erstgericht hat nämlich die dem Angeklagten angelastete Einfuhr von Suchtgift nach Österreich auch als Finanzvergehen des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit a FinStrG beurteilt, obgleich das Suchtgift erst nach dem 1.Jänner 1995, somit nach Wirksamkeit des Beitritts Österreichs zur EU, eingeführt worden ist. Mit diesem Zeitpunkt sind alle wesentlichen Gesetze des österreichischen Zollrechts, darunter das Wertzollgesetz und das Zolltarifgesetz, außer Kraft getreten (§ 120 Abs 2 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes, BGBl Nr 659/1994) und wurden durch das Zollrecht der Gemeinschaft ersetzt, dessen zentrales Gesetzeswerk die Verordnung Nr 2913/92 des Rates vom 12.Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABLNr L 302 vom 19. Oktober 1992 ist.

Gemäß Art 202 Abs 1 ZK (=Zollkodex) entsteht zwar eine Einfuhrzollschuld unter anderem dann, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft gebracht wird; abweichend von dieser generellen Norm wird in Art 212 ZK das Entstehen dieser Schuld jedoch ausdrücklich verneint, wenn die Einfuhr (ua) Suchtstoffe betrifft, die, wie im vorliegenden Fall, nicht in den Wirtschaftskreislauf eingehen, der im Hinblick auf deren Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken einer strengen Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterliegt (vgl 13 Os 55/96 = JBl 1997, 193).

Durch die Einfuhr des verfahrensgegen- ständlichen Suchtgifts nach Österreich zu den oben erwähnten Tatzeitpunkten war somit keine eingangsabgabenpflichtige Ware betroffen, sodaß dem Beschwerdeführer die Verwirklichung des Tatbestandes des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit a FinStrG (in Tateinheit mit dem Suchtgiftverbrechen) zu Unrecht angelastet wurde.

Die teils unbegründete, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Aus ihrem Anlaß war jedoch das Urteil im Schuldspruch wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit a FinStrG - demgemäß auch im Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz - aufzuheben und insoweit ein Freispruch nach § 259 Z 3 StPO zu fällen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten wegen des Suchtgiftdeliktes nach § 12 Abs 3 SGG unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Dabei wertete es die zweimalige Tatbegehung sowie die das Fünfundzwanzigfache der übergroßen Menge weit übersteigende Suchtgiftmenge als erschwerend, während die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten in Österreich und die Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd berücksichtigt wurden.

Diesen Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte wie die Staatsanwaltschaft in ihren Berufungen mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung, ohne daß ihrem Vorbringen jedoch im Ergebnis ein Erfolg beschieden war.

So kommt die Annahme einer bloß untergeordneten Tatbeteiligung, als welche der Angeklagte sein Verhalten beurteilt, schon angesichts der von ihm als unmittelbarem Täter gewerbsmäßig begangenen Einfuhr und Inverkehrsetzung von Suchtgift nicht in Betracht. Die Wiederholung der Tat hingegen geht fallbezogen in der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehungsweise auf und stellt demnach den vom Erstgericht herangezogenen besonderen Erschwerungsgrund der Z 1 des § 33 StGB nicht her (Leukauf/Steininger Komm3 §§ 33 RN 5, Mayerhofer/Rieder StGB4 § 33 E 9 ff). Zu einer Reduzierung des Strafmaßes bietet dieser Umstand indes bei Abwägung der vom Schöffengericht sonst vollzählig erfaßten Strafzumessungsgründe - die von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Berufungsgründe erweisen sich allesamt als nicht stichhältig - keinen Anlaß.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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