OGH 13Os55/96

OGH13Os55/963.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Fostel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ekrem A***** und Bashkim L***** wegen des Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bashkim L*****, die Berufung des Angeklagten Ekrem A*****, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 2. Jänner 1996, GZ 25 Vr 1517/95-98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen gegen die Strafaussprüche nach dem Suchtgiftgesetz werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem beide Angeklagte betreffenden Schuldspruch wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I 2) und demgemäß auch im Strafausspruch nach dem Finanzstrafgesetz aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bashkim L***** des in der Entwicklungsstufe des Versuches verbliebenen Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG, § 15 StGB (I 1) sowie des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I 2) und des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) gemeinsam mit dem gleichzeitig verurteilten Ekrem A***** am 13. Juni 1995 in Ansfelden

1) den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer Menge, die (zumindest) das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten (großen) Menge ausmacht, nämlich 1.138,6 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 388 Gramm durch Verkauf an einen verdeckten Fahnder in Verkehr zu setzen versucht,

2) durch die zu 1) geschilderte Tat die beschriebene Suchtgiftmenge, somit eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen wurde, vorsätzlich gewerbsmäßig angekauft und verhandelt und

(zu II) zwischen 8. und 10.Oktober 1994 in Linz 19.407 S und Warengutscheine im Gesamtwert von 3.650 S Verfügungsberechtigten der Firma B***** durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen mehrerer Kassenladen und eines Wandschrankes mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Bashkim L***** wurde hiefür ebenso wie Ekrem A***** nach dem Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe und nach dem Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Während der Angeklagte L***** den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und (nur) den Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz bekämpft, fechten A***** und die Staatsanwaltschaft die nach dem Suchtgiftgesetz ergangenen Strafaussprüche mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 4) rügt der Beschwerdeführer, daß zwei von ihm beantragte Zeugen darüber, daß er entgegen der Aussage seines Mitangeklagten weder bei der Lagerung noch der Prüfung des Suchtgiftes noch bei dessen Abholung in der "gegenständlichen Wohnung" (seines Onkels) war, nicht vernommen wurden. Keine dieser Handlungen wurde jedoch als Tathandlung festgestellt, weshalb das Erstgericht das Beweisthema zutreffend für unerheblich hielt und solcherart zu erkennen gab, daß es selbst bei Annahme der Richtigkeit des unter Beweis zu stellenden Umstandes zu keinen anderen entscheidenden Konstatierungen gelangt (s US 9). Verteidigungsrechte konnten demgemäß durch Unterbleiben der genannten Beweisanträge nicht verletzt werden (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 63a).

Der weitere Beschwerdeeinwand (Z 5), der sich gegen die Feststellung des eine übergroße Menge erfassenden Vorsatzes richtet, ist ebenfalls verfehlt. Die Tatrichter haben ihre diesbezüglichen Annahmen mit der Höhe des dem Beschwerdeführer bekannten und erwarteten Suchtgifterlöses (85.000 DM) und die Sicherstellung von über 1 kg Heroin formell ausreichend begründet.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) zeigt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld (zu II) zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen auf. Sie versucht nur, den Beweiswert eines gegen den Angeklagten gerichteten Indizes (Fingerabdrucks) zu relativieren, ohne daß damit gegen seine Täterschaft sprechende Argumente überhaupt vorgebracht werden.

Unberechtigt ist auch der Einwand gegen eine mangelhafte Begründung der Gewerbsmäßigkeit zu § 12 Abs 2 erster Fall SGG. Denn das Schöffengericht hat sich nicht, wie die Beschwerde behauptet, "lediglich" auf die große Menge des Tatobjekts gestützt, sondern dazu auch Art und Weise, wie es zur vorliegenden Tathandlung kam, seinen diesbezüglichen Konstatierungen zugrunde gelegt (s US 12).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO zurückzuweisen.

Über die Berufungen, die sich ausschließlich gegen den Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz richten, hat demnach das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden (§ 285 i StPO).

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß dem Schuldspruch wegen des Finanzvergehens der (gewerbsmäßigen) Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG ein nicht geltend gemachter, Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO begründender Feststellungsmangel anhaftet, der sich zum Nachteil beider Angeklagter auswirkt und demnach in amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 StPO) zur Aufhebung des davon betroffenen Schuldspruches bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285 e StPO) führt (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 290 E 22).

Nach den Urteilsfeststellungen wurde das verfahrensgegenständliche Heroin (von anderen, nicht ausgeforschten Personen) unter Verletzung der "zoll- rechtlichen Abgabepflicht" bzw "ohne Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtung" nach Österreich gebracht und den Angeklagten die (gewerbsmäßige) Hinterziehung des Gewichtszolls und der Einfuhrumsatzsteuer zur Last gelegt (US 7, 16 iVm S 417/I). Zu welchem Zeitpunkt die Suchtgifteinfuhr allerdings erfolgte, ist dem Urteil nicht mit Gewißheit zu entnehmen. Einer diesbezüglich eindeutigen Feststellung hätte es indes deshalb bedurft, weil die für die Beurteilung von Suchtgift als taugliches Objekt einer Abgabenhehlerei maßgebliche Rechtslage durch den mit 1.Jänner 1995 wirksam gewordenen Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eine entscheidende Änderung erfuhr.

Objekt der Abgabenhehlerei ist eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde (§ 37 Abs 1 lit a FinStrG). Schmuggel wiederum setzt voraus, daß eine eingangs- oder ausgangsabgabepflichtige Ware dem Zollverfahren oder sonst der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (§ 35 Abs 1 FinStrG). Entscheidend ist somit, ob Suchtgift, hier Heroin, als eingangsabgabepflichtige Ware anzusehen ist.

Bis zum Beitritt Österreichs war verbotswidrig eingeführtes Suchtgift zollpflichtig (9.Zolltarifgesetznovelle BGBl 669/1976) und die Vorschreibung von Einfuhrumsatzsteuer (Wertzollgesetz 1980, BGBlNr 221) zulässig, weshalb die Verkürzung all dieser Abgaben durch (undeklarierte) Einfuhr von Suchtgift die Tatbestände der §§ 35 Abs 1 (Schmuggel) oder 36 Abs 1 (Verzollungsumgehung) des Finanzstrafgesetzes erfüllte. Hinsichtlich solcher Suchtgifte konnte mithin auch Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 FinStrG) begangen werden.

Mit dem Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union am 1.Jänner 1995 sind nun alle wesentlichen Gesetze des Österreichischen Zollrechtes, darunter das Wertzollgesetz und das Zolltarifgesetz außer Kraft getreten (§ 120 Abs 2 des Zollrechts-Durchführungs- gesetzes, BGBl 659/1994) und wurden durch das Zollrecht der Gemeinschaft ersetzt, dessen zentrales Gesetzeswerk die (das Zollrecht kodifizierende, unmittelbar geltende) Verordnung Nr 2.913/92 des Rates vom 12.Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlNr L 302 vom 19.Oktober 1992 (Zollkodex = ZK) ist.

Gemäß Art 202 Abs 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld unter anderem dann, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. In Abweichung von dieser generellen Norm wird in Art 212 ZK das Entstehen dieser Schuld aber ausdrücklich verneint, wenn diese Einfuhr (ua) Suchtstoffe betrifft, die, wie im vorliegenden Fall, nicht in den Wirtschaftskreislauf eingehen, der im Hinblick auf deren Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken einer strengen Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterliegt.

Diese Bestimmung geht auf Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) zurück, wonach Betäubungsmittel, die sich nicht auf den von den zuständigen Stellen streng überwachten Vertriebswegen zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke befinden, zwangsläufig einem vollständigen Einfuhr- und Verkehrsverbot in der Gemeinschaft unterliegen und daher nicht zollpflichtig sind, wenn sie im illegalen Handel verbleiben (siehe Urteil vom 28.Februar 1984, Einberger, Rechtssache 294/82 Slg 1984/1177 und die dort zitierte Judikatur). Daran vermag auch die Sonderbestimmung des dritten Satzes des Art 212 ZK nichts zu ändern, derzufolge im Rahmen des auf Verstöße gegen Zollvorschriften anwendbaren Strafrechtes die Zollschuld als entstanden gilt, wenn im Strafrecht eines Mitgliedstaates vorgesehen ist, daß die Zölle als Grundlage für die Verhängung von Strafmaßnahmen herangezogen werden oder daß aufgrund des Bestehens einer Zollschuld strafrechtliche Verfolgungen eingeleitet werden. Diese Bestimmung mag allenfalls als Ermächtigung an die Mitgliedstaaten verstanden werden, in ihrem nationalen (Finanz-)Strafrecht vorzusehen, daß die Entstehung einer Zollschuld fingiert wird. Sie kann jedoch nicht so ausgelegt werden, daß sie den Straftatbestand des § 35 Abs 1 FinStrG über den klaren Wortlaut hinaus ausdehnt (vgl 110 der Blg zu den sten.Prot. des NR XX GP, S 47 = Regierungsvorlage eines Suchtmittelgesetzes).

In Ansehung der vom Erstgericht ferner als Grundlage des Schuldspruches herangezogenen Einfuhrumsatzsteuer, die gemäß § 1 Abs 1 Z 3 UStG 1994 dann zu entrichten ist, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet, worunter nach dem dritten Absatz dieses Gesetzes das Gebiet zu verstehen ist, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist, in das Inland gelangt, ist mangels gemeinschaftsrechtlicher Kodifizierung zur Klärung der Frage, ob die unerlaubte Einfuhr von Suchtgift einen steuerpflichtigen Umsatz darstellt, auf die Sechste Richtlinie des Rates vom 17.Mai 1972 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zurückzugreifen. Wenngleich dort in Art 2 lediglich (ua) "die Einfuhr von Gegenständen" als Anwendungsbereich dieser Steuer genannt, eine ausdrückliche Klärung der aufgeworfenen Problematik sohin unterlassen wird, kann angesichts der auf die Angleichung des Umsatzsteuerrechtes der Mitgliedstaaten zwecks Verwirklichung des einem Binnenmarkt vergleichbaren gemeinsamen Marktes gerichteten Zielsetzung dieser Richtlinie im Sinne der gesicherten Rechtsprechung des EuGH (siehe insbesondere die Urteile in den Fällen Einberger, Rechtssache 294/82, Slg 1984/1177, Mol, Rechts- sache 269/86, Slg 1988/3645 und Happy Family, Rechtssache 289/86, Slg 1988/3669) kein Zweifel daran bestehen, daß ein Gegenstand, dessen Einführung in den Wirtschafts und Handelskreislauf der Gemeinschaft rechtlich nicht möglich ist und dessen unerlaubte Einfuhr nur Anlaß zu Strafverfolgungsmaßnahmen geben kann, zu den Bestimmungen über das Entstehen einer Umsatzsteuerschuld in keinerlei Beziehung steht; daraus folgt, daß bei der Einfuhr von Suchtgift in die Gemeinschaft, das nicht Gegenstand des von den zuständigen Stellen streng überwachten Vertriebes zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke ist, eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entsteht.

Wurde daher das verfahrensgegenständliche Heroin nach dem 1.Jänner 1995 nach Österreich gebracht, dann wurde dadurch keine Eingangsabgabepflicht ausgelöst, womit der Tatbestand des § 35 Abs 1 FinStrG und damit auch jener der (gewerbsmäßigen) Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG ausscheidet.

Bei einer (undeklarierten) Einfuhr vor dem 1.Jänner 1995 dagegen wirkt der dadurch begangene Schmuggel iSd § 35 Abs 1 FinStrG ungeachtet der inzwischen auf dem Abgabesektor geänderten Rechtslage fort. An einer solcherart geschmuggelten Sache kann daher gleichwohl Abgabenhehlerei begangen werden (vgl EvBl 1991/150).

Weil nach den insoweit mangelhaft gebliebenen Feststellungen nicht beurteilt werden kann, ob sich die Angeklagten auch des zu II umschriebenen Finanzvergehens schuldig gemacht haben, ist das Urteil nichtig iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, weshalb es in dem davon betroffenen Schuldspruch nach dem Finanzstrafgesetz und demgemäß auch in dem darnach ergangenen Strafausspruch aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen war. Wurde das gegenständliche Suchtgift nach dem 1.Jänner 1995 nach Österreich eingeführt, wäre ein Freispruch vom Finanzvergehen nach § 259 Z 3 StPO (und nicht nach § 214 FinStrG) zu fällen (Dorazil-Harbich, FinStrG § 214 Anm 2 f).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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