OGH 8Ob311/97m

OGH8Ob311/97m30.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Pflegschaftssache der ***** mj. Lidia N*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk, Amerlingstraße 11, 1060 Wien, wegen Herabsetzung des Unterhaltsvorschusses infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. Mai 1997, GZ 45 R 447/97m-28, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 27.März 1997, GZ 16 P 263/96s-22, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Beschlußfassung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7.3.1996 wurde der Vater der Minderjährigen ab 1.12.1995 zu monatlichen Unterhaltsleistungen in Höhe von S 2.500,- verpflichtet.

Mit Beschluß vom 17.1.1997 wurden der Minderjährigen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich S 2.500,- für die Zeit vom 1.1.1997 bis 31.12.1999 gewährt.

Mit Beschluß vom 27.3.1997 setzte das Erstgericht diese Vorschüsse für die Zeit vom 1.1.1997 bis 31.12.1999 auf monatlich S 1.800,-

herab, weil der Vater Arbeitslosengeld beziehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen Folge, behob den angefochtenen Beschluß ersatzlos und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es stellte fest, daß der Vater bei der M***** AG zunächst auf Grund eines befristeten Dienstverhältnisses bis 20.12.1996 beschäftigt war. Am 13.1.1997 wurde er über sein Ersuchen dort wieder eingestellt, und zwar unbefristet. Er ist jedoch nach dem 14.1.1997 nicht mehr zur Arbeit gekommen, weshalb sein Dienstverhältnis beendet wurde.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG habe das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestünden, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) bestehe oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt sei. Es bestünden keine begründeten Bedenken gegen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, weil dieser trotz gegebener Möglichkeit und Bestehen eines unbefristeten Dienstverhältnisses nach zwei Tagen einfach nicht mehr zur Arbeit gekommen sei, weshalb der Anspannungsgrundsatz zum Tragen komme. Es sei davon auszugehen, daß der Unterhaltsschuldner bei Anspannung seiner Kräfte durchaus in der Lage wäre, weiterhin sein bisheriges Einkommen zu erzielen.

Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, in dem dieser beantragt, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen, ist zulässig und im Sinn der Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlußfassung auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Rekursgerichtes weicht insofern von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ab, als bei verschuldetem Arbeitsplatzverlust nicht ohne weiteres der Anspannungsgrundsatz anzuwenden ist. Es darf nicht automatisch davon ausgegangen werden, daß dem Unterhaltspflichtigen weiterhin das verlorene Einkommen zur Verfügung stünde. Die Anspannung darf nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muß immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (6 Ob 530/92; 1 Ob 552/93; 2 Ob 2376/96t ua). Es kommt auch bei selbst verschuldetem Arbeitsplatzverlust auf das nachfolgende tatsächliche Verhalten des Unterhaltsschuldners, also darauf an, ob er sich sodann über die bloße Anmeldung als Arbeitssuchender hinaus in jeder ihm zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemüht (8 Ob 509/91 = ÖA 1991, 142). Der mit einem Arbeitsplatzverlust verbundene Einkommensentfall löst auch bei verschuldetem Arbeitsplatzverlust nur die Obliegenheit aus, alle nach den konkreten persönlichen und Arbeitsmarktverhältnissen sinnvollen Anstrengungen zu unternehmen, wieder einen Arbeitsplatz mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten zu finden (6 Ob 530/92).

Das Gericht hat vorerst erst auf Grund seiner amtswegigen Beweiserhebungspflicht die für die Beurteilung dieser Frage notwendigen Grundlagen zu schaffen. Nur wenn es hiezu außer Stande ist, trifft den Unterhaltsschuldner die Beweislast dafür, daß er sein früheres Einkommen nicht mehr erzielen kann (8 Ob 503/96; 7 Ob 140/97g).

Da die Vorinstanzen diesbezüglich keinerlei Beweiserhebungen gepflogen haben, sind die Beschlüsse der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlußfassung aufzuheben.

Stichworte