OGH 3Ob285/97a

OGH3Ob285/97a15.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Rohrer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei L*****bank *****, vertreten durch Dr.Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Albin L*****, vertreten durch Dr.Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 100.000,-- sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 31.Juli 1997, GZ 2 R 334/97z-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23.April 1997, GZ 20 E 56/97t-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nur dahin Folge gegeben, daß in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung der Zwangsversteigerungsantrag der betreibenden Partei zurück- statt abgewiesen wird.

Die betreibende Partei hat die Revisionsrekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei beantragte am 3.4.1997, ihr gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 100.000,-- samt 16,510 % Zinsen seit 1.1.1997 und der mit S 4.423,12 verzeichneten Antragskosten die Exekution durch Zwangsversteigerung der in dessen Alleineigentum stehenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** zu bewilligen. Sie legte dem Antrag eine Ablichtung des mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen, vor dem Landesgericht Innsbruck zu 41 Cg 139/94y geschlossenen Vergleiches vom 30.9.1994 bei, nach dessen Punkt 1. sich der Verpflichtete und Helga L***** zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Betrages von S 1,026.564,-- samt 10,75 % Zinsen p.A. sowie Verzugszinsen von 5,76 % p.A. jeweils seit 7.5.1994 und der mit S 69.463,-- vereinbarten Kosten verpflichteten. Im Antrag wurde weiters vorgebracht, die betriebene Forderung hafte mit zumindest S 490.000,-- aus, wovon vorerst eine Forderung im Teilbetrag von S 100.000,-- betrieben werde. Weiters wies die betreibende Partei im Antrag bezüglich des aus dem vorgelegten Grundbuchsauszug ersichtlichen, zugunsten der Helga L***** einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbotes darauf hin, die Verbotsberechtigte hafte mit dem Verpflichteten aufgrund des vorliegenden Exekutionstitels solidarisch. Überdies wurde im Antrag vorgebracht, über das Vermögen des Verpflichteten sei zu 19 S 98/96a des Landesgerichtes Innsbruck der Konkurs eröffnet worden, auf Antrag des Masseverwalters sei jedoch die hier in Zwangsversteigerung gezogene Liegenschaft des Verpflichteten mit dem (ebenfalls vorgelegten) Beschluß des Konkursgerichtes vom 11.4.1996 aus der Konkursmasse ausgeschieden worden.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 23.4.1997 die beantragte Zwangsversteigerung, es forderte weiters die betreibende Partei zum Erlag eines Kostenvorschusses auf, ordnete die Schätzung der Liegenschaft an und bestellte auch einen Sachverständigen für die Schätzung.

Der Verpflichtete beantragte am 20.5.1997 die Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 200 Z 3 EO, weil die betreibende Partei im erstgerichtlichen Verfahren AZl 20 E 81/96t vor Beginn der Versteigerung von der Fortsetzung der Exekution Abstand genommen habe und die damals anhängige Exekution auf Antrag der betreibenden Partei am 7.11.1996 eingestellt worden sei, woraus erhelle, daß die in § 200 Z 3 EO vorgesehene Halbjahresfrist weder bei der Einbringung des gegenständlichen Exekutionsantrages, noch bei der Erlassung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses abgelaufen gewesen sei. Für den Fall der Abweisung des Einstellungsantrages erhob der Verpflichtete zugleich Rekurs mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluß in die Antragsabweisung abzuändern, ihn allenfalls aufzuheben. Im Rekurs verwies der Verpflichtete erneut darauf, daß die Zwangsversteigerung nicht hätte bewilligt werden dürfen, weil der Antrag vor Ablauf der Sechsmonatefrist des § 200 Z 3 EO bewilligt worden sei. Weiters stünden der Exekutionsbewilligung aber auch sowohl das zugunsten der Ehegattin des Verpflichteten bestehende Belastungs- und Veräußerungsverbot, also auch das für das Land Tirol nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1984 eingetragene Veräußerungsverbot entgegen. Zugleich stellte der Verpflichtete noch einen Aufschiebungsantrag gemäß § 42 Abs 1 Z 7 EO.

Das Erstgericht wies sowohl den Einstellungsantrag, als auch den Aufschiebungsantrag des Verpflichteten - nach der Aktenlage unangefochten - ab.

Das Gericht zweiter Instanz wies mit dem angefochtenen Beschluß in Stattgebung des Rekurses des Verpflichteten den Zwangsversteigerungsantrag ab und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Zwar lägen die auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Ehegattin des Verpflichteten und auf das Veräußerungsverbot zugunsten des Landes Tirol nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1984 gegründeten Hindernisse gegen die Bewilligung der Zwangsversteigerung nicht vor, weil die Ehegattin des Verpflichteten aufgrund des Exekutionstitels mit diesem solidarisch hafte (JBl 1989, 258; JBl 1987, 592 ua) und das zweitgenannte Veräußerungsverbot eine Zwangsversteigerung der betroffenen Liegenschaft nicht hindere (WBl 1988, 64). Nach herrschender Rechtsprechung komme aber der Antrag auf Einstellung (eines Zwangsversteigerungsverfahrens) nach § 39 Abs 1 Z 6 EO einem Abstehen von der Fortsetzung der Exekution nach § 200 Z 3 EO gleich, sodaß auch dieser Art der Exekutionseinstellung die Wirkungen der Einstellung nach § 200 Z 3 EO mit der sechsmonatigen Sperrfrist zukomme. Da im gegenständlichen Fall das Zwangsversteigerungsverfahren AZl 20 E 81/96t des Erstgerichtes betreffend die Liegenschaft EZ ***** KG *****, welches aufgrund des nämlichen Titels bewilligt worden sei, erst am 7.11.1996 eingestellt worden sei, die vorliegende Zwangsversteigerung aber vor Ablauf der Sperrfrist (beantragt und) bewilligt worden sei, sei in Stattgebung des Rekurses des Verpflichteten mit der Antragsabweisung vorzugehen. Der Umstand, daß die betreibende Partei in beiden Exekutionsverfahren nur Teilbeträge der nämlichen Forderung geltend gemacht habe, sei bedeutungslos, weil es ansonst an der betreibenden Partei gelegen wäre, durch die gewählte Vorgangsweise den Zweck der Sperrfrist, dem Verpflichteten eine wirtschaftliche Erholungspause einzuräumen, um ihn in die Lage zu versetzen, die Forderung des betreibenden Gläubigers zu befriedigen (EvBl 1957/367), zu vereiteln.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz insbesondere zur Frage, welche Rechtswirkungen aufeinander folgenden Teilbetreibungen einer durch einen einzigen Exekutionstitel verbrieften vollstreckbaren Gesamtforderung in aufeinander folgenden Zwangsversteigerungsverfahren betreffend dieselbe Liegenschaft des Verpflichteten auf die Sperrfrist des § 200 Z 3 (item § 39 Abs 1 Z 6) EO haben, aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist jedoch in der Sache nicht und formal nur insoweit berechtigt, als er letztlich zur Antragszurückweisung führt.

Unter dem vollstreckbaren Anspruch ist der in einem Exekutionstitel verbriefte materielle Anspruch zu verstehen, der den betreibenden Gläubiger berechtigt, vom Verpflichteten ein Tun, Handeln oder Unterlassen zu fordern (Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren**2 Rz 7; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 20f). Davon verschieden ist der Vollstreckungsanspruch des betreibenden Gläubigers, vom Staat als Teil des formellen Rechtsschutzanspruches die Durchführung der zulässigerweise beantragten Zwangsvollstreckung zu fordern; der Vollstreckungsanspruch und damit die Zwangsvollstreckung setzen voraus, daß ein Exekutionstitel in einer vollstreckbaren (= mit einer Vollstreckungsklausel versehenen) Ausfertigung vorliegt, nicht jedoch, daß der vollstreckbare Anspruch auch zu Recht besteht (Holzhammer aaO 21). Dementsprechend ist auch der Rechts- und Vollstreckungsschutz des Verpflichteten je nach dem Ziel diese Schutzes (Bekämpfung des verbrieften materiellen Anspruchs oder Bekämpfung des gewählten Vollstreckungsanspruches) unterschiedlich geregelt (Holzhammer aaO 22). Dem betreibenden Gläubiger steht es - als Herr seines verbrieften materiell-rechtlichen Anspruches - grundsätzlich frei, diesen Anspruch sogleich zur Gänze oder auch in Teilleistungen (-beträgen) zu betreiben. Er hat in seinem, den Vollstreckungsanspruch einleitenden Exekutionsantrag ua gemäß § 54 Abs 1 Z 2 EO bestimmt den Anspruch, wegen dessen die Exekution stattfinden soll, und bei Geldforderungen auch den Betrag, der im Exekutionsweg hereingebracht werden soll, anzugeben. Damit grenzt er den betriebenen Anspruch vom - allenfalls weiterreichenden - vollstreckbaren Gesamtanspruch ab (wie dies hier die betreibende Partei im vorliegenden Exekutionsantrag expressis verbis tat). Macht sohin eine betreibende Partei - wie hier die betreibende Bank - aus welchen Gründen immer von ihrem Vollstreckungsanspruch in der Form einer gleichsam "ratenweisen" Exekutionsführung Gebrauch, so muß sie damit die bei "Vollzahlung des allein betriebenen Teilanspruchs" in der Exekutionsordnung vorgesehenen Verfahrensfolgen (Einstellung usw) auf sich nehmen, kann aber damit nicht die mit der Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 200 Z 3 EO verbundenen Rechtsfolgen ("wegen der vollstreckbaren Forderung des betreibenden Gläubigers kann vor Ablauf eines halben Jahres seit der Einstellung eine neue Versteigerung nicht beantragt werden"), die sechsmonatige Exekutionssperre umgehen. Der Vorinstanz ist daher beizupflichten, daß es nicht in das Belieben der betreibenden Partei gestellt werden kann, diese zwingenden Schuldnerschutzvorschriften der Exekutionsordnung auf die dargelegte Weise zu durchbrechen. Nur eine solche Auslegung ist mit der ratio des § 200 Z 3 EO vereinbar: Diese Vorschrift will dem übermäßigen, dem Gläubiger nichtsnützenden und dem Verpflichteten verderblichen Anschwellens der Exekutionskosten vorbeugen (Walker4 262f). Die Einhaltung der Sperrfrist - zumindest im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung (EvBl 1962/217) - bildete aber für den vorliegenden Exekutionsbewilligungsantrag eine formale Voraussetzung, bei deren Fehlen der Antrag - schon mangels dieser Formalvoraussetzung - zurückzuweisen war.

Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses ist dem Gericht zweiter Instanz in der Wahrnehmung dieser - erst mit dem Rekurs des Verpflichteten im Verfahren aufgezeigten - Sperrfristverletzung kein Verstoß gegen das auch im exekutionsrechtlichen Rekursverfahren bestehende Neuerungsverbot (siehe die Nachweise bei Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 526) anzulasten, weil es sich bei dieser Tatsache um einen jederzeit von Amts wegen vom Gericht auch aufgrund der bestehenden Gerichtskundigkeit dieses Umstandes wahrzunehmenden Umstand handelt, der eine Verfahrensvoraussetzung (ähnlich einer Prozeßvoraussetzung) betrifft, welche naturgemäß keinesfalls dem Neuerungsverbot unterliegt (siehe die Hinweise bei Kodek aaO Rz 3 zu § 482). Dem Umstand, daß erst die zweite Instanz die Verletzung der Sperrfrist durch die betreibende Partei wahrnahm, kommt keine Bedeutung zu.

Gegen die Einseitigkeit des vorliegenden exekutionsrechtlichen Rekursverfahrens bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der vom Revisionsrekurs behaupteten Verletzung des durch Art 6 MRK gewährleisteten Rechts auf rechtliches Gehör und faires Verfahren. Einerseits besteht und bestand für den geltend gemachten Umstand der Verletzung der Sperrfrist kein Neuerungsverbot, andererseits war es der betreibenden Partei möglich, ihren Standpunkt im vorliegenden Revisionsrekurs vorzutragen.

Diese Erwägungen führen zur spruchgemäßen Entscheidung (vgl auch SZ 20/119).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO, §§ 50, 40 ZPO, zumal das Rechtsmittel der betreibenden Partei insgesamt erfolglos blieb.

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